Der
Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe
erklärt in der neuen Ausgabe des
Wissenschaftsmagazins „Forschung
Frankfurt“, warum der Kapitalismus
gegenüber anderen Systemen überlegen
ist.
Beim „kalten Herz“ mag man zunächst
an das berühmte Märchen von Wilhelm
Hauff denken, in dem der Köhler
Peter Munk aus Habgier sein Herz
gegen einen kalten Stein eintauscht.
Der Wirtschaftshistoriker Werner
Plumpe hat das Motiv zum Titel
seines Buches über die Geschichte
des Kapitalismus gemacht. In der
„Kälte“ dieser Form des
Wirtschaftens, so Plumpe, liege nun
genau auch ihre Stärke: Indem der
Kapitalismus allein
Nützlichkeitskalkülen folge, sei er
besonders leistungsfähig.
Im Interview mit Forschung Frankfurt
spricht Plumpe über die Genese des
Kapitalismus in der frühen Moderne
und spricht über Entwicklungen bis
in die Gegenwart. Die Kritik am
Privateigentum sei schon sehr alt
und reiche bis zur Bergpredigt
zurück; großer Besitz entfalte aber
erst im Kapitalismus eine ganz
andere Dynamik, indem aus einem
großen Vermögen ein Produktivkapital
werde. Erst bei der Massenproduktion
von Gütern rechne sich die Nutzung
dieses Kapitals, so Plumpe. Die
Wirtschaftsform basiere darauf, dass
der Einzelne, der sein Vermögen
investiert, auf eigene Rechnung
handele. Der Kapitalismus sei
dadurch „zentrumslos“, er lasse auch
ein Scheitern zu. Die menschliche
Produktivität steige an, solange das
Wissen zunehme. Das Neue könne dabei
durchaus auch zerstörerisch wirken:
Produkte würden ersetzt,
Qualifikationen alterten.
Mit der Durchsetzung der
kapitalistischen
Massenkonsumgesellschaft seit den
späten 70er Jahren seien zugleich
auch die handlungs- und
Wahlmöglichkeiten junger Leute
gestiegen, die nun aus einer Kultur
der Bevormundung entfliehen konnten,
ohne das materielle Überleben der
Familie zu gefährden. Dass die
Protestkultur der 60er Jahre auch
nur in Form eines „marktkonformen
Protestes“ stattfinden konnte, sei
für viele sicherlich eine
Enttäuschung gewesen, so Plumpe;
doch der Kapitalismus sei auch
„kalt“ gegenüber der Kritik an ihm.
Die Finanzkrise sei zwar ein
schlimmer Einbruch, aber keine
Systemkrise der Wirtschaftsform
gewesen. Plumpe macht hier eher
politische Ursachen dafür
verantwortlich, dass die Risiken
deregulierter Finanzmärkte
systematisch unterschätzt, ihre
positiven Folgen überschätzt worden
seien.
Werner Plumpe ist seit 1999
Professor für Wirtschaftsgeschichte
an der Goethe-Universität; seine
Arbeitsschwerpunkte liegen in der
Unternehmens- und
Industriegeschichte des 19.
Jahrhunderts und in der Geschichte
des ökonomischen Denkens und der
ökonomischen Theorien.
Werner
Plumpe: Das kalte Herz.
Kapitalismus: Die Geschichte einer
andauernden Revolution. Berlin:
Rowohlt 2019
Themenbereiche
Ausgabe 02.2019 Forschung Frankfurt:
- Herz
und Umwelt
- Katheter statt OP Blutzellen als
Angreifer
- Therapien für das kranke Herz -
Herzen heilen
- Herzgesundheit
- Das Herz als Metapher
- Das Herz in der Forschung -
Herzen erforschen
- Aktuelles aus der Wissenschaft
Thema: von
Herzen
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Meldung: Goethe-Uni
Frankfurt