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CD-Cover tyx-art |
Ab der dritten CD denke ich einen
Moment an Richard Strauss "Also
sprach Zarathustra", ähnlich
dramatisch bahnt sich das
symphonische Werk seinen Weg. Doch
mit dieser Meinung liege ich nicht
richtig. Paukenschläge erschrecken
zwar, teilweise melodramatisch in
Szene gesetzt. Laut durchdringt ein
Schlagzeug Winbecks Orchesterwerk.
Arien und Arietten durchbrechen
berstende Stöße mit tonaler
Aufbrausung. Hörbar und genießbar
gemacht im Verlauf der gesamten
Komposition. Aber die Hintergründe
sind andere.
Wer ist Heinz Winbeck? Der Komponist
lebte zuletzt in Regensburg,
verstarb im Frühjahr 2019. Seine
fünf Sinfonien entstanden von 1983
bis 2011, wobei sich die sinfonische
Komposition seit dem Ende des
Zweiten Weltkriegs nicht gerade
übermäßiger Beliebtheit innerhalb
der Avantgarde erfreute.
Stockhausen, Boulez oder Xenakis
komponierten Orchestermusik, machten
aber einen Bogen um die Sinfonie. Einen
Grund außer Zeitgeschmack gibt es für diese
Abneigung nicht. Winbecks
musikalische Altersgenossen
hießen Hans Werner Henze und Alfred Schnittke. Der eine
komponierte überwiegend Opern, der
andere nahm sich unterschiedliches vor. Bei Winbeck blieb die Sinfonie zentrale
Gattung. 1946 in Piflas bei Landshut
geboren, hat Heinz Winbeck seine
niederbayrische Heimat nur selten
verlassen. Bis zu seinem Tod lebte
er zusammen mit seiner Frau Gerlinde
in einem verlassenen Pfarrhof aus
dem 18. Jahrhundert, in eigener Regie
renoviert und mit einer großen
Bibliothek ausgestattet, umgeben von
einem Naturgarten, in dem auch Esel,
Hunde und Fledermäuse ihr zu Hause
fanden. Winbecks Sinfonien sind
zugleich modern als auch tonal
verfasst.
Inspirationsquelle für die
erste
Sinfonie war ein
fallendes Buch auf den Fußboden.
Eine andere Quelle dieser Sinfonie
war die Beschäftigung mit Gustav
Mahler, vor allem waren dessen dritte
und zehnte Sinfonie gemeint, die
auch als Zitate hörbar sind,
berichtet Thorsten Preuß, der zum
sinfonischen Werk im Booklet der
CD-Box geschrieben hat. In der
zweiten Sinfonie fragt
sich Winbeck, warum er nicht
nur noch Streichquartette und
Sinfonien komponieren solle. Dieser
Einfall hat Auswirkung auf seine
gesamte zweite Sinfonie gehabt. In der
dritten
Sinfonie sind es grelle
orchestrale Schreckensbilder, denen
er sich widmet. Eine Art
Erinnerungskultur, mit der sich
Heinz Winbeck musikalisch befasst.
Die Frage nach dem warum und weshalb
all die Schrecken in den beiden
großen Weltkriegen geschehen
mussten, nehmen ihn zeitlebens ein,
obwohl er ja ein Nachgeborener war.
Die vierte
Sinfonie beginnt in
völliger Stille. Ein Sprecher
rezitiert Georg Trakls spätes
Prosastück "Offenbarung und
Untergang". Ein Chor aus gesummten
Ganztonstimmen ertönt aus dem
Hintergrund. Winbecks vierte
Sinfonie ist ein orchestrales
Mammutwerk, die Partitur erreicht 80
cm Höhe mit einem Meter Breite auf
dem Dirigentenpult. Die
fünfte
Sinfonie bezieht sich auf
Anton Bruckner in dessen Werk
Winbeck tief eintaucht. Angefangen
bei der Setzweise bis zu typisch dramaturgischen Abläufen,
den Steigerungsquellen und
Sequenzierungen, den Durchbrüchen
und Zerfallsmomenten.
Eine Musik-CD Rezension von
Kulturexpress
Kostenlose
Hörbeispiele
CD-Programm
Heinz Winbeck (1946–2019)
Sämtliche Sinfonien (Nr. 1 bis Nr.
5)
CD 1
1. Sinfonie "Tu Solus" (39:00)
Symphonieorchester des Bayerischen
Rundfunks
Muhai Tang, Dirigent
Bruce Weinberger, Tenorsaxophon
CD 2
2. Sinfonie (57:00)
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Dennis Russell Davies, Dirigent
CD 3
3. Sinfonie "Grodek"
nach Texten von Georg Trakl (53:45)
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Mathias Husmann, Dirigent
Christel Borchers, Alt • Udo Samel,
Sprecher
CD 4
4. Sinfonie "De Profundis"
nach Texten des lateinischen
Requiems, Texten von Georg Trakl und
einem Anonymus des 19. Jahrhunderts
(81:05)
Beethoven Orchester Bonn
Dennis Russell Davies, Dirigent
Konzertchor Darmstadt
Wolfgang Seeliger, Einstudierung
(Chor)
Christel Borchers, Alt • Günter
Binge, Bariton • Werner Buchin,
hoher Tenor • Wolf Euba, Sprecher
CD 5
5. Sinfonie "Jetzt und in der Stunde
des Todes"
Drei Fragmente unter Verwendung von
Motiven insbesondere des Finales der
IX. Sinfonie von Anton Bruckner
(61:00)
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Dennis Russell Davies, Dirigent
Capbox (Umverpackung), 5 CDs in
Einzelkartonstecktaschen, inkl.
56-seitigem Booklet (4-sprachig)
www.tyxart.de