Moderne am Main 1919 - 1933 |
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Dabei handelt es sich
um den Katalog zur Ausstellung,
welche im Museum Angewandte Kunst
MAK vom 19. Januar bis 14. April
2019 in Frankfurt lief, also schon
vorüber ist. Dennoch liefert der
Katalog didaktische Ansätze, die im
Umgang mit Frankfurt durchaus
hilfreich sein können. Zuerst stellt
sich die Frage, welche Moderne denn
angesprochen sein soll? Im ersten
Kapitel wird die Überschrift
"Moderne am Main" auf den Begriff
des "Neuen Frankfurt" revidiert.
Ist das als Bruch mit dem Buchtitel
zu verstehen oder warum dieser
Sinneswandel? Der Main ist viel
ausgedehnter, landschaftliches
Erlebnis, als dass er sich allein
auf Frankfurt bezieht. "Neues
Frankfurt" steht viel stärker als
feststehender Begriff für
Stadtentwicklung und die 1920er
Jahre. Gestalterische Verdichtung
auf engstem städtischem Raum welche
auf Initiative mehrerer
einflussreicher Mitarbeiter des
Frankfurter Bauamtes zurückgeht,
darunter Ernst May und Martin
Elsaesser als auch dem früheren
Oberbürgermeister Ludwig Landmann,
aber auch Kunsthistoriker Fritz
Wichert oder die Designerin Lilly
Reich kommen zur Sprache.
Die Behandlung der Moderne in
Frankfurt ist gewiss kein leichtes
Thema. Die baulichen Gegebenheiten,
so wie sie sind, stehen oftmals
gerade im Widerspruch zu jeglicher
Moderne. Um hier einen Ausgleich
zwischen den Lagern der Historie und
der Modernität zu schaffen, gilt es
vordergründig eigene Wege
einzugehen. Insofern ist der
Bauhaus-Gedanke nicht so einfach
übertragbar auf Frankfurter
Verhältnisse. Dynamik und
Aufbruchsstimmung bestimmten
seinerzeit aber auch hier die
Entwicklung.
Oftmals sind die Bedingungen alles
andere als einfach, so sehr ist das
altertümliche Frankfurt in seiner
historischen Verwurzelung verhaftet
geblieben, was bisweilen jegliches
Empfinden überdeckt und mit Moderne
nicht viel im Sinn hat, diese sogar
ablehnt. Deshalb ist der Blick in
dieses Buch so wichtig, das sich zur
Aufgabe gestellt hat, die Moderne
auszupacken und vor den Augen des
Lesers zu entrollen. Auch das "Neue
Frankfurt" kennt verschiedene Phasen
der Entwicklung, ähnlich dem
Bauhausbetrieb oder der Hochschule
für Gestaltung in Ulm. Das sind
Indizien für eine städtische
Bewegung, die sich seinerzeit in
Frankfurt abgespielt haben muss.
Ersten Aufschluss darüber geben
verschiedene Pläne der Siedlungs-
und Verkehrsverdichtung, die in und
um Frankfurt herum in zentrischen
Kreisen angelegt wurden. Dabei kommt
den Stadtplanern die Systematik
während der Planung nicht abhanden.
Der rheinmainische Städtekranz wird
propagiert, einem Gebilde, das in
seiner Ausdehnung etwa dem heutigen
Rhein-Main-Gebiet entspricht. Hierin
ist der Punkt "Moderne am Main"
vielleicht wirklich getroffen
worden.
Neben emblematischen Bauten die
entstanden, war die allgemeine
Wohnungsnot und der Wohnungsbau ein
Antreiber für verstärkte
Initiativen. Dazu zählte auch die
Neugründung der Frankfurter Messe,
die zur Großmesse expandierte. Das
imposante Werkbundhaus vor den Toren
der Messe ist ein Beispiel für den
verstärkten Willen des neuen Bauens.
Das Gebäude existiert längst nicht
mehr und wurde von der Messe durch
größere und höhere Neubauten
ersetzt. Das Haus diente seinerzeit
als funktionaler Anker zwischen
handwerklicher Orientierung,
Gewerbetreibenden und großem
Messebetrieb.
Ein weiteres Kapitel beschäftigt
sich mit der Forschung und welchen
Einfluss die Moderne ausübte. Vor
allem Film, Musik und die Erfindung
des Radios zählen zu den
Bereichen mit Erfindungsreichtum. Schon
1924 wurde der erste Radiotag
ausgerufen. Fritz Wichert und Hans Flesch konzipierten eine
Radiosendung, die sich "Gedanken zur
Zeit" nannte und an die Weimarer
Republik anknüpfte. Nicht zu
vergessen ist das Institut für
Sozialforschung, dessen Existenz die
Grundlage einer neuen
Wissenschaftsgattung ausmachte, den
Sozialwissenschaften. Ohne deren
Einsatz heutzutage große Teile des
Staates nicht funktionieren würden.
Weiteres Anliegen war es Netzwerke
zu schaffen, wobei dies ein Begriff
aus der Jetztzeit ist, der nicht so
richtig in die Weimarer Zeit passt.
Gesellschaften aller Art und deren
Gründung stand im Vordergrund, um
Wirtschaft und Haushalt zu stärken.
Plakate und Aufmachungen folgten
stilistisch dem Trend der Epoche,
der war modern und zeichnete sich
durch geometrische Reduziertheit
aus, wie das an den Bauhaus-Vorbildern abzulesen war.
Schließlich wurde die Frankfurter
Kunstschule, die Städelschule, unter
Fritz Wichert erneuert. Auch hier
geht der Katalog sehr didaktisch
vor, indem fast lehrhaft auf die
Zusammenhänge hingewiesen wird.
Beispiel sind Werbekampagnen für
Mouson-Seife, aber auch Max Beckmann
fehlt nicht in dieser Kategorie.
Werbegrafik und Typografie bis hin
zu kunstgewerblichen Techniken wie
Email, Schmuckdesign, Keramik und
Textilgestaltung kommen vor.
Insofern ist die Geschichte des
Kunstgewerbemuseums in Frankfurt
auch die Geschichte des MAK selbst,
das sich in vielen Facetten in
diesem Ausstellungskatalog spiegelt.
Dann folgt aus meiner Sicht der
Übergang zum nächsten größeren
Schritt: "Großstadt gestalten". Der
Begriff Großstadt ist ebenfalls
moderner Art und dürfte in den
Jahren entstanden sein, in der die
"Moderne am Main" aktuell war.
Anschaulich gezeigt werden
Flächenverteilungspläne und
historische Grünflächenpläne, die
eine Ahnung davon vermitteln, wie
sich die Großstadt immer mehr
ausdehnt. Dazu zählt umfangreiche
Infrastruktur, welche auf
Bedürfnisse der urbanen Gesellschaft
zu antworten weiß.
Ein weiteres Kapitel heißt: "In
Produktion gehen" dieses will die
Wirtschaftlichkeit des Landes
aufzeigen, angepriesen von der
"Frankfurter Küche" bis zur
Elektrizität im Haushalt mit
Telefonanschluss. Nicht zuletzt
werden hier auch die Adlerwerke
erwähnt und das von Walter Gropius
entwickelte Automobil vorgestellt.
Die Kraft der Reklame propagiert
sich selbst. Somit hängt die Idee
von der Großstadt und ihrer
Gesamtheit insbesondere auch von
ihrer Elektrifizierung ab.
Fotografien von Gisèle Freund, Marta
Hoepffner oder Ilse Ring liefern
anschauliche Abwechslung in diesem
Reigen.
Ausblicke auf die Gegenwart sind
kaum zu finden, viel zu
einflussstark ist die
Gestaltungsmoderne 1919 - 1933 in
Frankfurt gewesen, weshalb zuerst
eine Bestandaufnahme notwendig
geworden ist. Denkmodell um Utopien
und Alternativen wenn es im Epilog
darum geht, nicht nur historische
Rehabilitation zu betreiben, sondern
Perspektiven in politischer,
sozialer, gesellschaftlicher und
gestalterischer Hinsicht abzugeben.
Dahinter steht die tagesaktuelle
Auseinandersetzung, wie um die
Vorkriegs- und die
Nachkriegskonstruktion der
Frankfurter Paulskirche als Ort des
Demokratieverständnisses.
Rekonstruktion oder Sanierung des
Gebäudes, was ist zeitgemäßer?
Genauso zählt das Frankfurter
Schauspielhaus zu den städtischen
Debattenorten. Neubau oder
Sanierung, welche Variante ist
effektiver und vor allem
kostengünstiger? Auch hier können
programmatische und gedankliche
Ansätze des vorweg gedachten "Neuen
Frankfurt" bei der
Entscheidungsfindung dienlich sein.
Eine Buchrezension von
Kulturexpress
Bucheinband:
avedition, Stuttgart
Moderne am Main 1919 - 1933
Autoren: Klaus Kemp, Annika Sellmann,
Matthias Wagner K und Grit Weber
Verlag: avedition, Stuttgart
1. Auflage, 2019
kartoniert, 296 Seiten
zahlr. farbige Abb.
ISBN: 978-3899863031
Größe: 16,7 x 2,7 x 24,2 cm
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