Neuveröffentlichung - Herbst 2019

In vollen Klangfarben - Jamina Gerl am Klavier

 

 

 

 

Klassische Musik mit Signalwirkung, so könnte man die neue CD bezeichnen. Es ist das zweite Album der jungen Pianistin. Sie spielt mit erfüllten Gedanken, das gilt von Anfang an. Nicht die leisen sind ihr Credo, sondern die klangvollen Töne haben es ihr angetan. Das war auch schon auf der CD zuvor. Zuhörer werden mitgenommen auf eine Klavierreise. Nachher werden die Melodien sanfter, klingen manchmal auch ein wenig trivial, aber sie tragen durch ihren Klang hinweg und hinfort.
 

Genaugenommen kommen nur Stücke und Kompositionen von Liszt und Schumann vor, die Orgelstücke von Johann Sebastian Bach sind Interpretationen von Franz Liszt in einer Klavierfassung zu Bachs Orgelwerk. Musikalisch ist somit das 19. Jahrhundert ausgewiesen. Während andere Stücke von Liszt auf eine noch frühere Epoche zurückgehen, indem Liszt nach Sonetten von Francesco Petrarca aus dem 14. Jahrhundert komponiert hat. Treppauf Treppab, dazwischen ganz leise fast behutsam erklingende Tonagen. Sonettdichtungen unterliegen einer strengen Reimform, die oftmals ihren besonderen Ausdruck im Detail haben und gezielt auf den Nachklang setzen, auf etwas, was zuvor im Sonett schon angedacht wurde. Hier sind es irdische Lobpreisungen und die Suche aus der Unzufriedenheit heraus, um zu innerem Frieden zu finden.

Mendelssohn gab den Anstoß zur Mitte des 19. Jahrhunderts, um sich mit Bach zu befassen. Dieser Anstoß griff sofort auf Clara und Robert Schumann sowie auf Franz Liszt über, dessen Klaviertranskriptionen Bachscher Orgelwerke am Anfang der Beleg sind. Wie zahlreiche Künstler zog es auch Liszt nach Italien. Dort sah er die Gemälde der Renaissance und lernte die Dichtungen Dante Alighieris und Francesco Petrarcas kennen. Besonders Petrarca hatte es Liszt und Schumann angetan. Letzterer las dessen Gedichte und übersetzte sie, während Liszt sie vertonte. Anfang des 19. Jahrhunderts ist es die Epoche des religiösen Aufbruchs, die Rückbesinnung auf Mittelalter und Renaissance, es ist aber auch der Beginn der Moderne, die uns immer noch bis in die Gegenwart hinein begleitet.

Mit Robert Schumann knüpft die Pianistin in den Klangfarben an die ersten Stücke auf dieser CD an, die mit klangvoller Dramatik durchsetzt sind. Auch seine Stücke nehmen den Zuhörer mit: Allegro vivace, Senza passione, ma expressivo, Scherzo e Intermezzo sowie Allegro und poco maestoso durchlaufen die Stationen.

Am Schluss der Aufnahme steht wieder ein Stück aus dem Italien des 14. Jahrhundert, diesmal interpretiert Liszt nach Dante. Treppauf Treppab bahnt sich höheres an. Ein Raunen zieht über die CD hinweg. Über 17 Minuten dauert das Stück, das wie zum Ausklang nochmals sämtliche Klangfarben bewegt.


Eine Musik-CD Rezension von Kulturexpress
 

CD-Programm:

 

Gesamtspieldauer: 80:52 Minuten


Johann Sebastian Bach (1685–1750)
01. Präludium für Orgel BWV 543 in a-Moll 03:14
02. Fuge für Orgel BWV 543 in a-Moll 05:59
(Fassung für Klavier von Franz Liszt, 1811–1886)

Franz Liszt (1811–1886) | Pilgerjahre — Italien
Nach Sonetten von Francesco Petrarca (1304–1374)
03. Petrarca-Sonett 47: “Benedetto sia 'l giorno” 05:55
(Gepriesen sei der Tag)
04. Petrarca-Sonett 104: “Pace non trovo” 06:11
(Ich finde keinen Frieden)
05. Petrarca-Sonett 123: “Io vidi in terra angelici costumi” 07:03
(Ich sah auf Erden engelsgleichen Glanz)

Robert Schumann (1810–1856)
Sonate op. 11 in fis-Moll
06. Un poco Adagio – Allegro vivace 13:47
07. Senza passione, ma espressivo 03:14
08. Scherzo e Intermezzo 05:40
09. Allegro und poco maestoso 12:31

Franz Liszt (1811–1886) | Pilgerjahre — Italien
10. Nach einer Lesung von Dante: Fantasia quasi Sonata 17:18

 

 

CD Cover: tyx art


 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

    vom 25. September 2019