Autozulieferer
in der Krise – Preis als letzte Waffe |
|
|
|
|
|
|
IAA Frankfurt 2019, Blick in Halle 5.0 bei den
Automobil Zulieferern mit neuester Technologie zur
Elektromobilität
|
Die Flaute der Autoindustrie bringt Zulieferer
ins Schleudern. Maßnahmen zur Kosteneinsparung sind ausgereizt,
Absatzsteigerungen in der Regel nur durch ruinösen
Verdrängungswettbewerb möglich – bleibt der Preis als wichtigste
Stellschraube. Was jetzt die drei wichtigsten Maßnahmen für
Zulieferer sind, erklären Hermann Simon (Unternehmensgründer)
und Andreas Hudelmaier (Autozuliefer-Experte) von der globalen
Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners.
Kurzarbeit bei Schaeffler, Stellenabbau bei Bosch, Gewinnwarnung
und drohende Werksschließungen bei Continental: Der
Produktionsrückgang der Automobilindustrie von fünf Prozent im
ersten Halbjahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr trifft auch die
Zulieferer mit voller Wirkung. „Typische Strategien in einer
solchen Lage sind Kosten reduzieren und Absatzvolumen steigern –
das wird aber nicht ausreichen, um zahllose Zulieferer vor
Schlimmerem zu bewahren“, so Andreas Hudelmaier. Denn einerseits
sind aufgrund der unnachgiebigen Einkaufspolitik der
Autohersteller die Kosten häufig bereits extrem niedrig.
Andererseits handelt es sich in der Zulieferindustrie um
„abgeleitete Nachfrage“. „Pro Auto werden genau zwei
Außenspiegel gebraucht, nicht mehr und nicht weniger“, erklärt
Hermann Simon. „Die Nachfrage nach Außenspiegeln ergibt sich
also im Wesentlichen aus der Zahl der Autobestellungen. Geht
diese Zahl zurück, kann sich der Spiegelhersteller kurzfristig
kaum wehren. Er könnte zwar versuchen, neue Kunden zu gewinnen
bzw. seinen Lieferanteil zu erhöhen. Aber kurzfristig dürften
diese Maßnahmen nicht durchschlagen. Die Beeinflussbarkeit des
Absatzes ist also extrem beschränkt“, so der Wirtschaftsexperte.
Preisgestaltung wichtigster Hebel gegen die Krise
„Damit hat jetzt die in der Industrie am meisten vernachlässigte
Variable der Gewinnfunktion die größte Chance, über das Wohl
vieler Zulieferer zu entscheiden: das Pricing“, diagnostiziert
Hudelmaier. Der Autozuliefer-Experte empfiehlt drei
Sofortmaßnahmen:
Profitabilität im Bestandsgeschäft sichern
„Zu viele Zulieferer glauben, dass alle Verhandlungsmacht beim
Automobilhersteller liegt. So haben 96 Prozent der befragten
Zulieferer in der Global Pricing Study 2017 von Simon-Kucher
angegeben, dass sich der Preisdruck in den letzten beiden Jahren
erhöht hat, der zweithöchste Wert aller 35 befragten Industrien.
Automobilhersteller schaffen es also mit großem Erfolg,
jährliche Preissenkungen durchzusetzen, die über die
Vertragsvereinbarungen hinausgehen. In vielen Fällen können
diesen Forderungen aber reduziert oder gänzlich abgewendet
werden, wenn die richtigen Argumente gefunden und erfolgreich
angewandt werden.
Hinzu kommt: Nach der Nominierung eines Lieferanten gibt es bei
Zulieferprojekten in der Regel noch zahlreiche Änderungen durch
den Automobilhersteller, die Lieferanten systematisch nutzen
können, um die Profitabilität im Bestandsgeschäft deutlich zu
erhöhen.
Zukünftige Profitabilität durch
die richtigen Innovationen sichern
Aus
Produktsicht erfindet sich die Autoindustrie gerade neu; damit
sind Innovationen an der Tagesordnung und ein wichtiger Hebel
für nachhaltigen Erfolg. Leider ist die Erfolgsbilanz von
Zulieferern in dieser Hinsicht eher schlecht. Befragte
Zulieferer gaben an, dass 75 Prozent der Innovationen ihre
Gewinnziele in der Vergangenheit nicht erreicht haben. Ein
Hauptproblem besteht darin, dass (End-)Kundenbedürfnisse nicht
gut genug verstanden werden. Als logische Konsequenz passen dann
Kostenstruktur und Zahlungsbereitschaft nicht zusammen. Für
erfolgreiche Innovationen muss der Kundennutzen während der
Entwicklung klar quantifiziert werden und sowohl Produkt- als
auch Preisgestaltung maßgeblich prägen.
Verhandlungsführung stärken
Es
reicht natürlich nicht, die richtigen Preise zu setzen, sie
müssen auch durchgesetzt werden. Zulieferer tun daher gut daran,
in Krisenzeiten weiter in ihren Vertrieb zu investieren.
Verhandlungsschulungen sind ein wichtiges Mittel, aber auch
Prozesse und Tools müssen optimiert werden. Kluge Anreizsysteme,
die den Vertrieb am Erfolg der Preisverhandlungen beteiligen,
sind das letzte Puzzlestück für einen erfolgreichen
Zulieferervertrieb.
In Kombination mit den anderen Maßnahmen kann so die
Profitabilität von Zulieferunternehmen gesichert und krisenfest
gemacht werden – nicht nur durch Kostensenkungen, sondern auch
durch intelligente Preismaßnahmen.
Foto (c) Kulturexpress,
Meldung: Simon-Kucher & Partners, Strategy & Marketing
Consultants
|