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Ariel Schlesinger, Untitled, 2017/2018,
11 x 5 m, Aluminiumguss Modell der Außenskulptur für den
Lichthof des Jüdischen Museums Foto: Marcus Schneider ©
Jüdisches Museum Frankfurt
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Das
Jüdische Museum Frankfurt und die Gesellschaft seiner Freunde
und Förderer haben im vergangenen Jahr fünf renommierte
Künstlerinnen und Künstler zu einem geschlossenen Wettbewerb
eingeladen. Ziel war die Realisierung eines Kunstwerks von
prägender Gestalt im neuen Lichthof zwischen dem
RothschildPalais und dem Neubau des Jüdischen Museums.
Mittlerweile hat eine international besetzte Jury die
Entscheidung in diesem Wettbewerb getroffen. Der israelische
Künstler Ariel Schlesinger wurde mit der Realisierung seines
Entwurfs für eine aufsehenerregende Skulptur beauftragt. Sein
Kunstwerk „Untitled“ besteht aus zwei ineinander verschränkten
Skulpturen, die ein- und demselben Baum abgenommen und in
Aluminium gegossen wurden. Eines dieser beiden Baumskelette wird
im Boden verankert sein, während das andere seine Wurzeln
kopfüber dem Himmel entgegenstreckt und mit seinen Ästen mit der
Krone des unteren Baums verwoben ist. Die gesamte Skulptur ist
etwa 11 x 5 Meter groß und hat eine matte, sandgestrahlte
Oberflächenstruktur. „Das Jüdische Museum befindet sich in einem
Prozess der grundlegenden Erneuerung und Expansion. Im
Mittelpunkt der Veränderung steht der Dialog. Das Kunstwerk „Untitled“
von Ariel Schlesinger setzt ein Zeichen: für den Dialog zwischen
jüdischer Geschichte und kultureller Gegenwart, aber vor allem
auch mit der Frankfurter Stadtgesellschaft“, sagt
Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig.
„Untitled“
hat einen poetischen Charakter und lässt diverse Deutungen zu.
Der Künstler verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf
das Buch Ezechiel 17, 24, in dem es heißt: „Ich lasse den
grünenden Baum verdorren, den verdorrten Baum lasse ich
erblühen.“ Seine Skulptur verbindet das Motiv der Verwurzelung
mit dem der Entwurzelung. Mit dieser Verbindung spielt „Untitled“
nicht nur auf die biblische, sondern auch auf die moderne
jüdische Geschichte Frankfurts an. Denn die beiden miteinander
verwobenen Bäume lassen sich als eine Verbindung zwischen der
jüdischen Erfahrung der Emigration mit der Erfahrung der
Integration in eine städtische Gesellschaft interpretieren. Dem
entwurzelten Baum, einem Symbol jüdischen Lebens im Exil, wird
ein Getragenwerden vom verwurzelten Leben des anderen Baumes,
dem vergangenen Verlust das Versprechen der Zukunft entgegen
gehalten. Die Skulptur nimmt damit auch Bezug auf die beiden
benachbarten Gebäude und verbindet das historische
Rothschild-Palais aus dem 19. Jahrhundert mit dem Neubau von
staab Architekten aus dem 21. Jahrhundert. „Untitled“ wird durch
die Größe und Position zu einem Markenzeichen des neuen
jüdischen Museums werden und sich den Besuchern während ihres
Museumsrundgangs aus unterschiedlichen Perspektiven darbieten.
Die Skulptur soll Mitte Oktober 2018 der Öffentlichkeit
übergeben werden.
Ariel Schlesinger, 1980 in Jerusalem geboren, hat sich in den
vergangenen Jahren mit seinen skulpturalen Arbeiten und
Rauminterventionen in der internationalen Kunstszene einen Namen
gemacht. Bekannt ist der Künstler für seine minimalen, stets
äußerst präzisen Transformationen von Alltagsdingen, mit denen
er – scheinbar funktionslos gewordenen – Objekten eine neue
Lebendigkeit verleiht. Viele seiner Arbeiten verbinden
gegenständliche Dinge zu auf einander bezogenen Paaren und
unterstreichen die Dynamik dieser Beziehung. Der Künstler greift
dabei häufig auf Objekte oder Formen zurück, die er dem Alltag
entnimmt und mit mehr oder weniger radikalen Eingriffen in etwas
überführt, das vertraut und überraschend anders wirkt. Ariel
Schlesinger lebt und arbeitet in Mexiko-Stadt und Berlin. Er hat
seine Arbeiten in einer Vielzahl von Einzel- und
Gruppenausstellungen in renommierten Museen und Galerien
präsentiert und wird von der Dvir Galerie in Tel Aviv, Gregor
Podnar in Berlin und der italienischen Galerie Massimo Minini
vertreten.
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Schnittzeichnung und Visualisierung des
Standorts der Außenskulptur von Ariel Schlesinger im
Lichthof zwischen Erweiterungsbau und Rothschild-Palais
© staab Architekten Berlin |
Der internationale
Wettbewerb zur Realisierung des Kunstwerks im Lichthof des neuen
Jüdischen Museums wurde von der Gesellschaft der Freunde und
Förderer des Jüdischen Museums e.V. finanziert. Der Jury unter
dem Vorsitz von Andreas von Schoeler, Oberbürgermeister a.D. und
Vorstand der Gesellschaft der Freunde und Förderer, gehörten
neben der Frankfurter Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig auch die
Jerusalemer Kuratorin Dr. Emily Bilski sowie die ehemalige
Direktorin des Museums für Moderne Kunst Frankfurt, Dr. Susanne
Gaensheimer. Von Seiten des Jüdischen Museums nahmen die
Direktorin Dr. Mirjam Wenzel, die Sammlungsleiterin Dr. Eva
Atlan und Erik Riedel, Kurator und Leiter des
LudwigMeidner-Archivs, teil. Dr. Jessica Beebone aus dem
Fachbereich Bildende Kunst des Kulturamts ergänzte die
Fach-Jury. Beratende Jurymitglieder waren Michael Hootz,
Stadtplanungsamt, Per Pedersen, Staab Architekten GmbH, Dr.
Oliver Strank, Ortsbeirat, und Dagmar Stefan der
MuseumsBausteine Frankfurt GmbH.
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Grundriss
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Nach Abschluss des
Wettbewerbs gelang es Andreas von Schoeler gemeinsam mit
Oberbürgermeister Peter Feldmann und Oberbürgermeisterin a.D.
Petra Roth einen renommierten Förderer für die Realisierung der
Skulptur zu gewinnen: Ermöglicht wird der 350.000 Euro teure
Ankauf der Skulptur durch eine Spende aus dem Hause Rothschild –
namentlich der Oberhäupter des französischen Familienzweiges,
Baron David und Baron Eric de Rothschild, des von der Familie
kontrollierten Bankhauses Rothschild & Co sowie des Stuttgarter
Unternehmers Klaus Mangold, der den Rothschilds seit langem eng
verbunden ist, unter anderen als Aufsichtsratsvorsitzender der
deutschen Tochtergesellschaft der Finanzgruppe.
Das gesellschaftliche Engagement der Rothschild-Familie in
Europa und Israel geht weit über die jüdische Community hinaus
und ist traditionell sehr breit gefächert. Es umfasst unter
anderem die Bereiche Medizin, Wohnungsbau und Bildung. Zu
Frankfurt hat das Haus Rothschild eine enge historische
Beziehung: In der damaligen Judengasse legte Mayer Amschel
Rothschild in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den
Grundstein für die später weitverzweigten Aktivitäten der
Familie im Finanzsektor. Heute ist die deutsche
Tochtergesellschaft mit Sitz in Frankfurt ein wichtiger
Bestandteil von Rothschild & Co, einem der weltweit führenden
unabhängigen Finanzberater für Unternehmen und
Unternehmerfamilien.
Zum aktuellen Engagement für das Jüdische Museum erklärte Klaus
Mangold, auch im Namen der Familie und ihres Bankhauses: „Die
historischen Wurzeln der Rothschilds liegen hier in Frankfurt,
und die beiden heutigen Heimstätten des Jüdischen Museums sind
eng mit dem Namen und der Geschichte der Familie verbunden.
Insofern ist es uns eine Ehre und eine Freude, an der
Neugestaltung dieser angesehenen Institution mitzuwirken, die
überdies auch etliche Exponate der Familie beherbergt. Doch wir
verstehen unser Engagement nicht als bloße historische
Reminiszenz. Wir unterstützen damit ausdrücklich das Anliegen
des Museums, jüdisches Leben in Vergangenheit und Gegenwart
erlebbar zu machen. Das ist gerade in Zeiten, in denen
Antisemitismus und Ressentiments gegen alles Fremde wieder
hoffähig zu werden drohen, wichtiger denn je.“ Dr. Ina Hartwig,
Andreas von Schoeler und Dr. Mirjam Wenzel sind der Familie
Rothschild sowie Prof. Mangold zu großem Dank für ihre überaus
großzügige Unterstützung verpflichtet. Deren symbolischen
Charakter würdigt der ehemalige Oberbürgermeister mit den
Worten: „Das Frankfurter Bankhaus M.A. Rothschild und Söhne
wurde 1901 geschlossen und die in der Stadt verbliebenen
Angehörigen der Familie 1933 systematisch entwürdigt und
vertrieben. Dass diese Familie sich nun für das Jüdische Museum
engagiert, ist ein Vertrauensbeweis und eine Ermutigung nicht
nur für das Museum, sondern für die ganze Stadt Frankfurt am
Main.“
www.juedischesmuseum.de