Auf
knappen 150 Seiten bietet ein kleines Buch eine Menge an
Informationen zum Thema Gaswirtschaft. Ganz putzig, zu Anfang wird
eine kleine Gasgeschichte geliefert. Was das sein soll, beantworten
die Herausgeber zunächst gemeinsam. Gas, das unbekannte Wesen lautet
eine Überschrift. Person- oder Mystifizierungen von Gegenständen
sind nicht gerade geeignet um schwerwiegende Sachverhalte plausibel
darzustellen. Das klingt dann wie eine Verlockung, darum kann es bei
Gaswirtschaft wohl nicht wirklich gehen. Es soll nur witzig sein, um
den Leser anzuregen. Das Vorwort wurde übrigens von EU-Kommissar
Günther Oettinger beigesteuert. Erdgas als klimafreundlicher
Energieträger heißt es. Die EU verlange nach gesicherter
Energieversorgung. Binnenmarktpaket ist das Schlagwort dazu. Doch
keine Silbe über die neue Pipeline durch die Ostsee, obwohl deren
Fertigstellung mit der Veröffentlichung des Buches zeitlich einher
geht. Stattdessen Klimaschutzziele und CO2-Verringerung
durch Gas und anderes mehr. Etwas bürokratisch das Vorwort, wäre in
dieser Form im EU-Vertrag genauso nachlesbar gewesen.
Doch nicht
verzagen, eine Menge Infos folgen. Die Herausgeber, allesamt
Mitarbeiter bei der E.ON AG wissen schließlich worüber sie
schreiben. Es handelt sich um die 1. Auflage, was neugierig machen
sollte. Der vorherige Band "Energie in 60 Minuten" befaßte sich 2009
noch mit der Stromwirtschaft. Es ist der Versuch auf peppige Art
Inhalte zu vermitteln. Ein bißchen schade ist die unpolitische
Haltung, aber die Herausgeber sind auch keine Protestler sondern
seriöse Wissenschaftler mit Arbeitsvertrag.
Zu lernen
gibt es allemal etwas, "das kleine Einmaleins der Gaswirtschaft"
erzählt davon: Volumen, Druck und Brennwert. Die wichtigsten
Begriffe im Überblick sind auf einer knappen Viertelseite
abgehandelt. Ein Einmaleins wäre dann vermutlich etwas umfangreicher
ausgefallen.
Hier kommt
endlich die Frage nach der gesucht wurde: "Wie kommt das Gas in die
Pipeline?" Aber wieder geht es nicht durch die Ostsee, sondern die
Ermittlung von Lagerstätten soll beschrieben werden. Zur
kommerziellen Ausnutzung muß eine Lagerstätte noch genauer
untersucht werden, wird hinzugefügt - aha! Tiefbohren, der
Schlüssel und die Lösung aller Fragen rund "80.000 Meilen unter dem
Meer". Soll eine Anspielung auf den Roman von Jules Verne sein.
Recht knapp bemessen sind die Seiten deshalb immer noch. Das
Lesequantum ist gerade richtig für unterwegs auf der Fahrt oder beim
Warten im Wartezimmer.
Es gibt H und
L Gase, das ist der Unterschied, wovon der Methangasgehalt abhängt.
Unbedingt wichtig zu wissen, weil die heimischen Gasbrenner
nur für eine bestimmte Gasbeschaffenheit bestimmt sind. Verträge
zwischen Importeuren und Lieferanten laufen im allgemeinen sehr
lange. Sehr aufschlussreich, aber immer noch kein Wort über die neue
Pipeline durch die Ostsee - oder soll das etwa der Aufhänger des
gesamten Buches sein?
"Europa am
Tropf", das ist eine Erkenntnis und immerhin die Aussage, daß der
überwiegende Teil des Gases mit 32 Prozent aus Russland stammt, wie
eine winzige Schrift auf einem Schaubild veranschaulicht.
Als nächstes
folgt der Beitrag von Gerrit Riemer mit dem Thema: "Von der Pipeline
in die Heizung. Technik des Gastransports" Für die Erzeugung des
notwenigen Drucks sind Verdichterstationen notwendig.
Was passiert
eigentlich bei der Querung von Flüssen und Kanälen? Kluge Frage,
doch was passiert eigentlich, wenn sich die Bevölkerung gegen die
Verlegung der Pipeline auf ihrem Grund und Boden wehrt? Dann gibt es
Konflikte. Wie diese im Fall der Ostsee Pipeline gelöst wurden,
darüber wird kein Wort verloren. Stattdessen wird der Wettbewerb in
den Vordergrund geschoben. "10 Minuten Speicher. Sicher unter der
Erde" und die Universalfrage: Was tun? wie schon die alten Lateiner
fragten, um den Leser didaktisch einzubeziehen.
Endlich auf
Seite 108 von 150 ist die Ostseepipeline dran, der "Lackmustest der
Energieaußenpolitik", wie es heißt. Ein steiniger Weg der
beschritten werden soll. Die Herausgeber bestehend aus einem
Politikwissenschafter mit Dr. Andreas Kießling, ein Rechtsanwalt mit
Thomas Kästner und mit Gerrit Riemer, Volkswirt beschäftigt die
ökonomische Seite viel stärker als die technisch-physikalische,
soviel ist feststellbar. Inwiefern die ausgearbeiteten Inhalte nicht
besser in einer Zeitschrift oder in einem Magazin aufgehoben sind,
als in einem aufgegliedert gedruckten Buch mit kurzer Lebensdauer, darüber läßt
sich streiten. Soviel ist sicher, Belange von tagespolitischer
Bedeutung sind permanent aktualisierungsbedürftig. Reiseführer ist
auch nicht die richtige Bezeichnung worum es geht, besser wäre
Handbuch oder Guide durch die Gaswirtschaft. Abschließend kann jeder froh sein, daß
es immer wieder Leute gibt, die sich mit Wissenswertem beschäftigen
und dies in Buchform herausbringen.
Energie in 60 Minuten
Ein Reiseführer durch die Gaswirtschaft
von Thomas Kästner, Andreas Kießling und Gerrit Riemer
VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 1. Auflage 2011
150 Seiten, broschiert
Größe: 18,8 x 12,8 x 1 cm
Gewicht:
ISBN 978-3531181837
Siehe auch:
Energie in 60
Minuten. Ein Reiseführer durch die Stromwirtschaft (2009) von
Thomas Kästner und Andreas Kießling im VS Verlag für
Sozialwissenschaften |