Ein Reiseführer durch die Gaswirtschaft


Energie in 60 Minuten (2011) ein kleines Handbuch von Thomas Kästner, Andreas Kießling und Gerrit Riemer im VS Verlag für Sozialwissenschaften

Buchumschlag VS Verlag  

Auf knappen 150 Seiten bietet ein kleines Buch eine Menge an Informationen zum Thema Gaswirtschaft. Ganz putzig, zu Anfang wird eine kleine Gasgeschichte geliefert. Was das sein soll, beantworten die Herausgeber zunächst gemeinsam. Gas, das unbekannte Wesen lautet eine Überschrift. Person- oder Mystifizierungen von Gegenständen sind nicht gerade geeignet um schwerwiegende Sachverhalte plausibel darzustellen. Das klingt dann wie eine Verlockung, darum kann es bei Gaswirtschaft wohl nicht wirklich gehen. Es soll nur witzig sein, um den Leser anzuregen. Das Vorwort wurde übrigens von EU-Kommissar Günther Oettinger beigesteuert. Erdgas als klimafreundlicher Energieträger heißt es. Die EU verlange nach gesicherter Energieversorgung. Binnenmarktpaket ist das Schlagwort dazu. Doch keine Silbe über die neue Pipeline durch die Ostsee, obwohl deren Fertigstellung mit der Veröffentlichung des Buches zeitlich einher geht. Stattdessen Klimaschutzziele und CO2-Verringerung durch Gas und anderes mehr. Etwas bürokratisch das Vorwort, wäre in dieser Form im EU-Vertrag genauso nachlesbar gewesen.

Doch nicht verzagen, eine Menge Infos folgen. Die Herausgeber, allesamt Mitarbeiter bei der E.ON AG wissen schließlich worüber sie schreiben. Es handelt sich um die 1. Auflage, was neugierig machen sollte. Der vorherige Band "Energie in 60 Minuten" befaßte sich 2009 noch mit der Stromwirtschaft. Es ist der Versuch auf peppige Art Inhalte zu vermitteln. Ein bißchen schade ist die unpolitische Haltung, aber die Herausgeber sind auch keine Protestler sondern seriöse Wissenschaftler mit Arbeitsvertrag.

Zu lernen gibt es allemal etwas, "das kleine Einmaleins der Gaswirtschaft" erzählt davon: Volumen, Druck und Brennwert. Die wichtigsten Begriffe im Überblick sind auf einer knappen Viertelseite abgehandelt. Ein Einmaleins wäre dann vermutlich etwas umfangreicher ausgefallen.

Hier kommt endlich die Frage nach der gesucht wurde: "Wie kommt das Gas in die Pipeline?" Aber wieder geht es nicht durch die Ostsee, sondern die Ermittlung von Lagerstätten soll beschrieben werden. Zur kommerziellen Ausnutzung muß eine Lagerstätte noch genauer untersucht werden, wird hinzugefügt -  aha! Tiefbohren, der Schlüssel und die Lösung aller Fragen rund "80.000 Meilen unter dem Meer". Soll eine Anspielung auf den Roman von Jules Verne sein. Recht knapp bemessen sind die Seiten deshalb immer noch. Das Lesequantum ist gerade richtig für unterwegs auf der Fahrt oder beim Warten im Wartezimmer.

Es gibt H und L Gase, das ist der Unterschied, wovon der Methangasgehalt abhängt. Unbedingt wichtig zu wissen, weil die heimischen  Gasbrenner nur für eine bestimmte Gasbeschaffenheit bestimmt sind. Verträge zwischen Importeuren und Lieferanten laufen im allgemeinen sehr lange. Sehr aufschlussreich, aber immer noch kein Wort über die neue Pipeline durch die Ostsee - oder soll das etwa der Aufhänger des gesamten Buches sein?

"Europa am Tropf", das ist eine Erkenntnis und immerhin die Aussage, daß der überwiegende Teil des Gases mit 32 Prozent aus Russland stammt, wie eine winzige Schrift auf einem Schaubild veranschaulicht.

Als nächstes folgt der Beitrag von Gerrit Riemer mit dem Thema: "Von der Pipeline in die Heizung. Technik des Gastransports" Für die Erzeugung des notwenigen Drucks sind Verdichterstationen notwendig.

Was passiert eigentlich bei der Querung von Flüssen und Kanälen? Kluge Frage, doch was passiert eigentlich, wenn sich die Bevölkerung gegen die Verlegung der Pipeline auf ihrem Grund und Boden wehrt? Dann gibt es Konflikte. Wie diese im Fall der Ostsee Pipeline gelöst wurden, darüber wird kein Wort verloren. Stattdessen wird der Wettbewerb in den Vordergrund geschoben. "10 Minuten Speicher. Sicher unter der Erde" und die Universalfrage: Was tun? wie schon die alten Lateiner fragten, um den Leser didaktisch einzubeziehen.

Endlich auf Seite 108 von 150 ist die Ostseepipeline dran, der "Lackmustest der Energieaußenpolitik", wie es heißt. Ein steiniger Weg der beschritten werden soll. Die Herausgeber bestehend aus einem Politikwissenschafter mit Dr. Andreas Kießling, ein Rechtsanwalt mit Thomas Kästner und mit Gerrit Riemer, Volkswirt beschäftigt die ökonomische Seite viel stärker als die technisch-physikalische, soviel ist feststellbar. Inwiefern die ausgearbeiteten Inhalte nicht besser in einer Zeitschrift oder in einem Magazin aufgehoben sind, als in einem aufgegliedert gedruckten Buch mit kurzer Lebensdauer, darüber läßt sich streiten. Soviel ist sicher, Belange von tagespolitischer Bedeutung sind permanent aktualisierungsbedürftig. Reiseführer ist auch nicht die richtige Bezeichnung worum es geht, besser wäre Handbuch oder Guide durch die Gaswirtschaft. Abschließend kann jeder froh sein, daß es immer wieder Leute gibt, die sich mit Wissenswertem beschäftigen und dies in Buchform herausbringen.

Energie in 60 Minuten
Ein Reiseführer durch die Gaswirtschaft
von Thomas Kästner, Andreas Kießling und Gerrit Riemer
VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 1. Auflage 2011
150 Seiten, broschiert
Größe: 18,8 x 12,8 x 1 cm
Gewicht:
ISBN  978-3531181837

 

Siehe auch:  Energie in 60 Minuten. Ein Reiseführer durch die Stromwirtschaft (2009) von Thomas Kästner und Andreas Kießling im VS Verlag für Sozialwissenschaften

 

Titelseite

vom 19. November 2011