DAM Architectural Book Award 2023

Atlas des Dazwischenwohnens. Wohnbedürfnisse jenseits der Türschwelle

Der Atlas des Dazwischenwohnens befasst sich mit dem Wohnen vor der Wohnungstür, in und um das Haus herum und auf der anderen Straßenseite, also mit den sogenannten Komplementärräumen, die unsere private Wohnfläche erweitern. Die Bewohnerinnen und Bewohner werden dabei partizipativ in die Wohnforschung mit eingebunden. Mittels fotografischer Streifzüge wird aus ihrer Sicht die Bedeutung des Wohnens ausserhalb der eigenen vier Wände dargelegt. Die Forschungsarbeit versteht sich als Plädoyer dafür, der «Lust des Hinauswohnens» mehr Raum zu geben.

Die gegenwärtige Diskussion um eine Reduktion der Wohnfläche pro Person und die damit verbundene Auslagerung von Tätigkeiten aus der Wohnung in den halböffentlichen und öffentlichen Bereich verleiht diesem Buch große Aktualität. Auch ist das allgemeine Interesse an den Themen Wohnumfeld, Zwischenraum und Quartiersinfrastruktur vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, des Klimawandels und des Phänomens von städtischen Hitzeinseln stark gewachsen. Die sechs in dem Band vorgestellten Fallstudien in der Schweiz und in Deutschland sind ein praxisorientiertes Werkzeug zur Schaffung neuer Komplementärräume für Planerinnen, Bauträgerschaften und Architekten.

 

 

   

Jurybegründung: Der „Atlas des Dazwischenwohnens“ versteht sich als Nachschlagewerk und vermittelt grundlegendes Orientierungswissen. Der Untertitel verrät: Wohnbedürfnisse jenseits der Türschwelle und der eigenen vier Wände stehen hier im Zentrum. Es geht konkret um das Wohnumfeld, den Zwischenraum und die Quartiersinfrastruktur. Es geht um brandaktuelle Themen wie Aneignung, Benutzung, Gebrauch und Veränderung von gegebenen Situationen. Welche Arten von Wohnen gibt es im halböffentlichen und öffentlichen Bereich? Wie findet die Aneignung durch die Bewohner:innen statt? Um diese Fragen zu beantworten, werden zunächst verschiedene Wohnbedürfnisse eruiert und in sowohl aussagekräftige als auch charmante Begriffe zusammengefasst, wie beispielsweise Abenteuer, Tapetenwechsel und Zauber. Anschließend werden Orte des «Dazwischenwohnens» benannt und durch die Bewohner:innen selber dokumentiert. Schließlich wird eine konkrete Orientierungshilfe entwickelt, um die so genannten «Dazwischenorte» selber aufzuspüren, zu beschreiben und analysieren zu können. Im zweiten Teil des handlichen Bandes werden sechs Fallbeispiele mithilfe der zuvor entwickelten Methoden vorgestellt. Spannend ist, dass diverse Akteur:innen einbezogen werden und zu Wort kommen. Die verschiedenen Stimmen und Stimmungen treten im Buch auch visuell ausgewogen in Erscheinung: ganzseitige Fotografien bilden wirklich gelebten Raum ab und stehen optisch im Kontrast zu kleinformatigen Polaroidaufnahmen der Bewohner:innen, deren individuelle Eindrücke auf diese Weise eine eigene Erzählebene bilden. Auch die Zitate von Fachexperti:nnen und Bewohnerinnen heben sich grafisch und farblich ab. Dass die Fallstudien jeweils mit Zitaten betitelt sind, verleiht dem Ganzen zusätzlich eine wohltuende Direktheit. Wichtige Querverweise, wie beispielsweise die wiederkehrende Verwendung der Grundrisstypologien als Symbole oder das konsequente Referenzieren auf die eigens entwickelten Methoden und Begriffe helfen dem Interessierten sinnvoll bei der Orientierung. Die detailreiche, klare und abwechslungsreiche Gestaltung zieht sich konsequent durch die heterogenen Teile des Bandes und ist ästhetisch überzeugend sowie dem Inhalt angemessen. Die Hochschule Luzern dokumentiert mit diesem Band ein hauseigenes Forschungsprojekt auf eine übersichtliche und inspirierende Weise. Die Lektüre macht Lust, die Türen zu öffnen und zu entdecken, erforschen, erobern, begegnen und gestalten. Eine Typologie des «Dazwischenwohnendürfens» wird hier ausgebreitet. Die Publikation ist gedacht als praxisorientiertes Werkzeug und Diskussionshilfe. Sie richtet sich an Planer:innen und Bauträger:innen, an Mieter:innen, die über Wohnqualität diskutieren wollen, die über die Parzellengrenze hinausreicht. Es handelt sich um ein gelungenes Plädoyer für die Wiederentdeckung des Zwischenraums als Gestaltungsraum. (Kathrin Siebert)

 

Atlas des Dazwischenwohnens. Wohnbedürfnisse jenseits der Türschwelle
Angelika Juppien, Richard Zemp
Park Books, Zürich
Herausgeber: Hochschule Luzern, Institut für Architektur, Kompetenzzentrum Typologie und Planung
1. Auflage, 2022
Gestaltung: Elke Schultz / Luzern CH
Broschiert, 148 Seiten
79 farbige und 7 s/w-Abbildungen
Format: 15 x 21 cm
ISBN 978-3-03860-301-6

 

Atlas des Dazwischenwohnens | Park Books (park-books.com)

 

 

   

 

 

   

Kulturexpress ISSN 1862-1996

 vom 21. Oktober 2023