Das Buch mit
Fotos und Texten ist dem Thomas-Mann-Haus in Pacific Palisades
in Los Angeles gewidmet. Francis Neniks Essay liefert eine
detaillierte Beschreibung der Geschichte des Hauses, in dem
Thomas Mann während seiner Exilzeit in den USA von 1942 bis 1952
mit seiner Familie lebte. Nenik stützt sich auf umfangreiche
Archivrecherchen und erzählt nicht nur Episoden aus der Familie,
sondern das Leben stellt auch Figuren vor, die bisher weitgehend
unbekannt waren - die Menschen, die das Haus gebaut und darin
gearbeitet haben. Ihre teilweise sehr bunten Erfahrungen bilden
das Panorama, vor dem sich die Geschichte des Hauses entfaltet.
Die Reihe der Fotos von Sebastian Stumpf bilden
einerseits einen Kontrapunkt, sind aber andererseits abwechslungsreiche Ergänzung zur Erzählung. Im Januar 2017
erhielt er Zugang zu der kürzlich von der deutschen Regierung
erworbenen leer stehenden und wiedereröffneten Immobilie und
nahm sie in einer Reihe von unverwechselbaren Bildern in ihrem
baulichen Zwischenzustand auf. Sie zeigen ein verlassenes
Haus, das sich verwandelt hat und obsolet geworden ist. Es lässt
kaum die Vermutung aufkommen, dass die Familie Mann einst dort
gelebt haben soll.
Am Bindestrich gehen, so bezeichnet Francis Nenik sein
Inhaltsverzeichnis in "Seven Palms", ein Buch über San Remo
Drive 1550 auch Thomas-Mann-Haus genannt. Das erste Kapitel
unternimmt gleich eine Roomtour. Doch nicht bevor ein mysteriöser Hinweis erscheint: wenn Sie Action wollen, dann
lesen sie auf Seite 45 weiter. Nach dem ersten Anfang sind Dienstmädchenzimmer und Küche
beschrieben. Dann wurde ein doppelseitiges Farbfoto auf
Kunstdruck eingeflochten. Das Papier verfügt über einen helleren Ton als nachfolgende Druckseiten sonst. Erkennbar ist
eine Ansicht der Hausfassade, die hinter Bäumen und Sträuchern
versteckt ist. Die Sonne steht tief, so dass sie schon Färbung
hat und ihr Licht sich auf der hellen Fassade entsprechend
widerspiegelt.
Der Waschraum folgt, nicht weniger bedeutend, obwohl dieser von
Thomas Mann unerwähnt geblieben ist. Eine Umschreibung dessen, was
ein Beobachter auf einem Durchgang mitnehmen kann. Erzählt
uns eine Geschichte über sich und das Haus um ein vieles mehr, als dass es nur Bestandaufnahme wäre. Speisekammern tauchen
dann wieder häufiger in den Erzählungen bei Thomas Mann auf. Schließlich
führt der Weg in Richtung der Wohnräume. Das mit der
Speisekammer verbundene Esszimmer ist der erste Wohnraum.
Sein Kennzeichen ist der Eichenholzfußboden. Nur ein Abschnitt
weiter eröffnet sich das Wohnzimmer. Der Aufenthaltsraum der
Familie Mann also. Das entspricht dann auch wieder einer
regulären Aufzählung, was an Räumen vorhanden ist - gefolgt von Farbfotos. Diesmal eine große hochkant gestellte
Palme, die Erhaben und im gleichen Dämmerungslicht wie zuvor
erscheint.
Durchgang, Arbeitszimmer, ein Raum folgt auf den
anderen. Über einen Durchgang zieht sich der Weg bis ins Arbeitszimmer
hinein, dem Hauptort des schriftstellerischen Schaffens.
Damit endet die Reihe der Wohnräume auch schon. Als nächstes ist der Heizraum
Bestandteil der Erwähnungen, etwas ungewöhnlich, da es sich um
einen Technikraum handelt. Warum soll dieser erwähnt werden? Die
Ganzheit zum Verständnis des Hauses benötigt solcherlei
Ausführungen, was selbst im klimatisierten Kalifornien notwendig
erscheint. Auch hierzu folgt eine Erklärung des Autors von "Seven
Palms", jedoch ohne die Sinnfrage zu stellen, die das Haus als
Thomas-Mann-Haus zurückgewinnen soll. Diese Reduzierung auf das
leere Haus wurde in der Einleitung ja bereits als Vorbedingung
beim Lesen des Buches angekündigt. Stattdessen bestimmt eine kritische
Bemerkung den Handlungsablauf, indem es heißt, die Heizung im
Heizungsraum könne ja störanfällig
sein. Doch diese Aussage hilft auch nicht über die Problematik hinweg.
Denn Familie Mann ist nicht
mehr vor Ort, das steht fest. Diese Familie ist Vergangenheit in
San Remo. Auf die zukünftige Nutzung nach einer Renovierung aber
wird in "Seven Palms" keinerlei Bezug genommen.
Insgesamt gestalten sich die
Räumlichkeiten umfangreich, dem Ganzen hängt der Hauch des
Großbürgerlichen an. Ankleideraum, verschiedene Bäder und
Gästezimmer kommen vor. Ein erstes Innenraumfoto in gefärbtem Licht
mit Eichenholzfußboden verstärkt das Suggestive. Ein leerer Raum mit Durchgang ohne
Tür hinaus auf den Flur und zu den anderen
Zimmern ist auf dem Foto zu erkennen. Statt einer technischen
Zeichnung in Form eines Grundrisses, was fehlt, wurde ein
"visuelles Gedicht" eingefügt, welches in Form einer Treppe
daherkommt. Das ist putzig!
Im zweiten Kapitel tauchen sogenannte Namenlose auf. Doch
vielmehr steht eine faustdicke Begegnung mit Friedrich Schiller
dahinter. Die
fiktive Figur hält sich eine Weile, eine Begegnung mit ihr und
Thomas Mann zeichnet sich ab im amerikanischen Exil. Im Kapitel vermischen sich Fiktion mit
Tagebuchaufzeichnungen Thomas Manns. Autor Francis Nenik berichtet über Lesungen und
Vorträge ohne jedoch näher darauf einzugehen.
Ein Foto und noch ein Farbfoto vom Haus dienen auch als Teilung
des Textes und bieten abwechslungsreiche Pointe während der
Erschließung des Gebäudes.
Dann wieder der Versuch Bezug zu nehmen auf die Inneneinrichtung des Hauses, Paul und Marianne Huldschinsky. Paul Huldschinsky
(1889 - 1947) war ein deutsch-jüdischer Architekt und
Bühnenbildner. Nach seiner Inhaftierung im Konzentrationslager
Sachsenhausen 1938 floh er 1939 aus dem nationalsozialistischen
Deutschland nach Kalifornien. Für den Film "Gaslight" erhielt er
einen Oscar in der Kategorie Best Art Direction.
Mit Kapitel 5 wird Thomas Mann auf Paul László aufmerksam. Der
war ein ungarisch-amerikanischer Architekt und Innenarchitekt
und gilt als eine Größe unter den Möbeldesignern,
Innenarchitekten, und Architekten des 20. Jahrhunderts. László
hat sich seinen Ruf als Architekt durch das Entwerfen von
Innenausstattung für Häuser erworben. Dann traf Thomas Mann mit
Julius Ralph Davidson zusammen. Der wiederum war
Architekt aus Deutschland, der ab 1923 in den USA tätig war. Er
gilt als Erbauer des Hauses in Pacific Palisades. An anderer
Stelle klingelte der Architekt Richard Neutra bei den Leuten, um
sich Klarsicht zu verschaffen.
Im Kapitel "Bilder von Kalifornien" folgt endlich die
Grundsteinlegung. Es gibt also ein Vorher und ein Nachher, um
den zeitlichen Rahmen abzustecken, der hier besprochen werden
soll. "Seven Palms" erreicht auf diesem Wege den Hauptteil seines
Inhalts. Die Dynamik des Exils entfaltet sich. Erzählerisch
verlieren sich die Momente, einer nach dem anderen. Immer wieder
ist auch die Rede von Katja Mann als Ehefrau des
Schriftstellers.
Gegen Schluss eine Anmerkung über das Wetter, wie sich das Klima
verändert. Über das Wetter von damals wird berichtet und
Schlüsse daraus gezogen. Nicht unbedingt um damit Bezug auf die
Gegenwart zu nehmen, sondern als ironische Untermalung will die
Andeutung Wirkung finden. "Seven Palms" endet 1951 mit
der Überfahrt Thomas
Manns nach Europa. Das Grundstück in San Remo wurde
schon bald veräußert, wie aus den Grundbuchakten von L.A. zu
recherchieren war.
Eine Buchrezension von Kulturexpress
Seven
Palms
Autor: Francis Nenik
Fotograf: Sebastian Stumpf
Spector Books
1. Auflage, Leipzig 2018
gebunden, 320 Seiten, 40 Abb.
Größe: 18,1 x 23,1 cm
ISBN-13: 9783959051804
auch in englischer Sprache erhältlich
Siehe auch:
Das Weiße Haus
des Exils (2018) ein Buch von Frido Mann erschienen bei
S.Fischer
Siehe auch:
Zur Eröffnung des
Thomas Mann Hauses im kalifornischen Pacific Palisades
Siehe auch:
Berthold
Leibinger Stiftung fördert Realisierung Thomas Mann House
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