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Haus auf Stelzen mit Hängebrücke |
Nicht nur zwischen Staaten, sondern auch unter
Nachbarn haben Grenzen eine ganz besondere Bedeutung. Am
Gartenzaun, an der Mauer und generell an der Grundstücksgrenze
kommt es besonders häufig zu Streit. Die Probleme reichen von
der Sichtbehinderung über vermeintliche unschöne
Grenzbefestigungen bis zu geplanten baulichen Veränderungen. Der
Infodienst Recht und Steuern der LBS hat für seine Extra-Ausgabe
einige Urteile deutscher Gerichte gesammelt, die sich mit dieser
Thematik befassen - vom Amtsgericht bis hin zum
Bundesgerichtshof.
Wer als
Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht an einer Gartenfläche
besitzt, dem sind gewisse Freiheiten bei der Gestaltung dieser
Fläche eingeräumt. Bei einem sollte er allerdings vorsichtig
sein: Wenn er eigenmächtig einen Lamellenzaun errichtet, geht er
möglicherweise einen Schritt zu weit. Denn dabei handelt es sich
nach Ansicht des Amtsgerichts Bottrop (Aktenzeichen 20 C 65/12)
um eine bauliche Veränderung, die trotz des Sondernutzungsrechts
der Zustimmung der anderen Eigentümer bedarf. Liegt diese nicht
vor, muss der Zaun wieder abgebaut werden.
Fenster
im Erdgeschoss der Grenzwand eines Gebäudes sind unzulässig. Das
gilt auch dann, wenn es sich um ein fast 200 Jahre altes Objekt
handelt, das grundlegend umgebaut werden soll. Die zuständige
Kreisverwaltung hatte zwar unter Hinweis auf Bestandsschutz eine
Genehmigung erteilt, doch ein Nachbar war gegen diese
Entscheidung vor das Verwaltungsgericht Neustadt (Aktenzeichen 4
K 329/12.NW) gezogen. Die Richter stellten fest: Die geplanten
Veränderungen an der Bausubstanz (etliche neu gemauerte Wände)
seien so gravierend, dass das Projekt einem Ersatzbau gleich
komme.
Ein
Grundstückseigentümer aus Rheinland-Pfalz befand, dass das
Bauvorhaben seines Nachbarn entschieden zu nahe an die
gemeinsame Grundstücksgrenze heranrücke. Er legte auf dem Wege
des Eilantrages Widerspruch gegen die im vereinfachten
Genehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung ein, weil er sich
in seinen Rechten verletzt sah. Schon für den Aushub der
Baugrube müsse sein eigenes Grundstück über Gebühr in Anspruch
genommen werden. Das Verwaltungsgericht Mainz (Aktenzeichen 3 L
1338/17.MZ) lehnte dies ab. Man könne angesichts der Höhe und
des Bauvolumens nicht von Rücksichtslosigkeit sprechen. Die
Behörde müsse nur prüfen, ob die Grenzen des öffentlichen
Baurechts verletzt seien oder nicht. Dem Nachbarn bleibe nach
der Ablehnung seines Antrages noch die Möglichkeit, vor einem
ordentlichen Gericht - und nicht vor dem Verwaltungsgericht -
privatrechtliche Ansprüche geltend zu machen, zum Beispiel wegen
der Inanspruchnahme des eigenen Grundstücks bei der
Bauausführung.
Wer ein
Gebäude direkt an die Grundstücksgrenze baut, der sollte dabei
nicht zu knapp kalkulieren. So müssen auch noch die von der
Energiesparverordnung vorgeschriebene Wärmedämmung und der
Verputz einkalkuliert werden. Nachbarn in Berlin hatten genau
deswegen erhebliche rechtliche Probleme miteinander. Der
Bundesgerichtshof (Aktenzeichen V ZR 196/16) wies in einem
Urteil darauf hin, dass es bei Neubauten im Gegensatz zu
Bestandsobjekten keine Duldungspflicht von Nachbarn in Sachen
Wärmedämmung gebe. Die Beteiligten hatten sich im konkreten Fall
über die Wärmedämmung geeinigt, obwohl sie die Grenze
überschritt. Als dann auch noch Putz und Anstrich aufgebracht
werden sollten, verweigerten die Nachbarn ihre Zustimmung und
wurden vom BGH darin bestätigt.
Auf
großen Widerspruch stoßen im Alltag immer wieder Pflanzen, die
ganz dicht an die Grundstückgrenze heranragen. Doch wenn diese
Pflanzen auf öffentlichem Grund wachsen, sind die Chancen auf
Abhilfe gar nicht so groß. Immobilieneigentümer aus
Niedersachsen forderten den Rückschnitt bzw. die Beseitigung von
mehreren 20 Jahre alten Linden, weil Laub, Blütenstaub und
Honigtau hohen Reinigungsaufwand erforderten und für Allergien
verantwortlich seien. Das Verwaltungsgericht Hannover
(Aktenzeichen 7 A 5059/11) entschied nicht im Sinne der Kläger.
Die im Straßenraum befindlichen Bäume seien zu erhalten, das
Gemeinwohl überwiege klar.
Ein
Grundstückseigentümer ist nicht verpflichtet, eine Hecke bereits
im Winter so zu beschneiden, dass diese im Sommer während der
Wachstumsperiode nicht die zulässige Höhe überschreiten kann.
Genau das hatte ein Nachbar gefordert, denn gemäß dem
Naturschutzgesetz sei es zwischen Anfang März und Ende September
nicht erlaubt, einen größeren Zuschnitt vorzunehmen. Gerade weil
das so sei, müsse die Hecke eben im Laufe des Winters
vorsorglich beschnitten werden. Das Landgericht Freiburg
(Aktenzeichen 3 S 171/16) hielt eine solche Maßnahme bereits im
Winter für nicht zumutbar, denn es sei ja gar nicht klar, wie
das Wachstum überhaupt ausfalle. Deswegen sei der begehrte
Zuschnitt gar nicht vollstreckbar.
Es ist
unbestritten, dass es gewisse Grenzabstandsregelungen für
Anpflanzungen gibt, die jeweils im Landesrecht näher geregelt
werden. Aber wie ist es eigentlich bei Grundstücksflächen, die
Wohnungseigentümern innerhalb einer größeren Anlage zur
Sondernutzung zugewiesen wurden? Gelten auch dort diese
Grenzabstandsregelungen? Der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen V
ZR 276/06) stimmte dem zu. Ein Wohnungseigentümer könne direkt
gegen den anderen juristisch vorgehen, wenn seiner Meinung nach
die Grenzabstände nicht eingehalten werden. Die Einschaltung der
Wohnungseigentümergemeinschaft sei nicht erforderlich.
Ebenfalls um einen Streit zwischen Wohnungseigentümern um die
grenznahe Bepflanzung ging es in einem Landgerichtsverfahren.
Die Juristen mussten die Frage klären, ob unter WEG-Mitgliedern
und Inhabern von Sondernutzungsrechten ein ansonsten
obligatorisches Streitschlichtungsverfahren vorgeschaltet werden
muss. Das ist in manchen Landesschlichtungsgesetzen
vorgeschrieben, wenn ein "normaler" Grundstücksnachbar gegen den
anderen vorgeht. Eine Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt
(Aktenzeichen 2-13 S 102/17) entschied, das
Schlichtungsverfahren müsse hier nicht zwingend erfolgen.
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