Architektonisches Konzept

Erstes Holz-Hybrid-Hochhaus Deutschlands in Heilbronn

Meldung: Stadtsiedlung Heilbronn GmbH

 

 

Ansicht SKAIO EG Gewerbeeinheit

Das Gebäude SKAIO ist als Hybridkonstruktion geplant worden. Die Wände und Decken aus Holz übernehmen den überwiegenden Teil der Konstruktion, der Erschließungskern und das Sockelgeschoss sind aus Stahlbeton gefertigt. Damit entstand in Heilbronn nicht nur das höchste Haus in Holzbauweise Deutschlands mit 34m Höhe, sondern auch das erste Holz-Hochhaus.

 

SKAIO enthält neben Gewerbe-, Gemeinschafts- und Nebenräumen im Erdgeschoss 60 Mietwohnungseinheiten. Vier davon sind Wohngemeinschaften der Aufbaugilde und der Offenen Hilfe vorbehalten. 25 Wohnungen sind öffentlich geförderte Einheiten.

Das Erdgeschoss bietet Raum für die Bedürfnisse des Wohnens: Fahrradstellplätze sind in großer Zahl und vor allem sicher im Gebäude verfügbar. Ein Gemeinschaftswaschraum, ausgestattet mit Waschmaschinen und einer vollwertigen Küche zum gemeinschaftlichen Kochen dient als Treff-punkt für die Bewohner. In der Tiefgarage befinden sich 45 Stellplätze.

 

 

 

 

Die im Standard offen und hell gestalteten 1- bis 2-Zimmer-Wohnungen werden über einen Er-schließungskern mit Aufzügen und Sicherheitstreppenhaus barrierefrei erreicht, sind zwischen 40 und 90m² groß und können Dank des Gebäudekonzeptes zusammengeschaltet werden. Nahezu alle Wohnungen verfügen über eine Loggia, alle Wohnungen haben öffenbare, bodentiefe Fenster. Die Wohnungen sind mit Fußbodenheizung und Einbauküche ausgestattet.

 

Eine große Wohngemeinschaft mit acht Zimmern für sechs Bewohner im sechsten Obergeschoss hat direkten Zutritt auf eine Dachterrasse auf dem westlichen Teil des Gebäudes.

 

Das Dach von SKAIO ist teilweise als extensives Gründach geplant. Als weitere Attraktionen sind für die Bewohner zwei möblierte gemeinschaftliche Dachterrassen inklusive bewirtbaren Gemüsegärten vorgesehen. Den Bewohnern von SKAIO präsentiert sich in über 30m Höhe ein spektakulärer Ausblick über die Stadt Heilbronn und den Neckar.

 

Das Materialkonzept der Architekten sieht im Gebäudeinneren eine Kombination der Materialien Holz, Sichtbeton und Linoleum vor. Die Außenwände, sowie die Geschossdecken zeigen raumseitig mit Holzoberflächen das Wesen des Hauses.
 

Das Gesamtkonzept spiegelt auf ehrliche Weise die Konstruktionsanteile Beton und Holz wider. Über dem verglasten Sockelbereich mit sichtbarem Erschließungskern aus Beton, setzen sich die Obergeschosse mit einer hochwertigen Aluminiumlochfassade ab. Auf den zweiten Blick lassen die Holz-Unterseiten der Loggien auch von außen erkennen, dass SKAIO ein Holzgebäude ist.

 

Das Thema Wohngesundheit wird bei der Stadtsiedlung Heilbronn GmbH besonders beachtet. So werden bei den Neubauten ausschließlich Baustoffe mit geprüfter Zusammensetzung verwendet. Die Überwachung betrifft alle Ausbau-Baustoffe wie z. B. Kleber, Silikone und Wandfarben. Die Qualität der Raumluft wird nach der Fertigstellung gemessen und von einem Prüflabor untersucht. Durch die weitreichenden Untersuchungen ist sichergestellt, dass die Raumluft gesundheitlich un-bedenklich ist.

Konstruktion allgemein
 

Die tragenden Bauteile des geplanten Gebäudes werden im Untergeschoss, im Erdgeschoss sowie im 1. Obergeschoss aus Ortbeton hergestellt. In den weiteren Obergeschossen (2. bis 9. OG) besteht die Tragstruktur aus einer Holz-Stahl-Hybridkonstruktion nach dem Skelettbauprinzip.

 

Die Decken bestehen aus LENO-Brettsperrholz, die Stützen aus Brettschichtholz. Die gesamten Horizontallasten der Aussteifung werden von dem Stahlbetonkern, der auch als not-wendiger Fluchtweg dient, abgetragen. Die sichtbar eingebauten, 240 mm starken, LENO-Brettsperrholzdecken spannen von Innen (dem Stahlbetonkern) in Richtung der Außenwände. Auf-grund der großen Öffnungen in den Außenwänden und auch um Setzungen vorzubeugen, liegen die Decken dort auf Stahlunterzügen auf. Diese wiederum tragen Ihre Vertikallast über blockverleimtes Brettschichtholz, das ebenfalls später sichtbar bleibt, in die Gründung ab.

Für die nicht tragenden Außenwände wird LENO-Brettsperrholz gewählt, das außenseitig noch eine Dämmung und eine Fermacellplatte erhält. Dieser Aufbau wird gemeinsam mit den sog. Kastenfenstern (hier gemeint Fenster mit integriertem Sonnenschutz) bereits im Werk vormontiert. Wie auch bei allen anderen Bauteilen wird durch die weitestgehende werkseitige Vormontage Bauzeit vor Ort gespart und höchste Qualität gesichert.

Das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss sind gegenüber den weiteren Obergeschossen an der Südseite um 6,70 m und an der Ostseite um 1,75 m zurückversetzt, so dass hier eine Überbauung der Geh- und Radwege entsteht. Die Überbauung wird durch an der Gebäudeaußenkante angeordnete Stahl-Beton-Verbundstützen getragen.

Die nichttragenden Außenwände werden aus Brettsperrholz mit einer äußeren Dämmebene nach dem Holztafelbauprinzip sowie einer hinterlüfteten Außenwandbekleidung aus Aluminiumelemen-ten ausgeführt.

Innovationspotenzial: Entwurf und Konstruktion
 

Die konsequente Anwendung der Holzbauweise verlangt von Beginn an buchstäblich konstruktives Gestalten: Der materialgerechte Entwurf schützt die Konstruktion bei gleichzeitiger Inszenierung. Von außen betrachtet tritt die Architektur beispielsweise durch sichtbar schlanke Deckenaufbauten in Erscheinung. Darüber hinaus sorgt die vorgehängte Aluminiumfassade mit ihrer materialimmanenten Leichtigkeit für Schutz vor klimatischen Einflüssen. Die größtenteils trockene Konstruktion fördert präzises Handwerk: Präfabrikation erlaubt das Anfertigen der Verbindungselemente (z.B. Dornauflager der Wandelemente) unter kontrollierten Arbeitsbedingungen. Dadurch werden Kon-struktionen und Montageabläufe ermöglicht, die auf konventionellen Baustellen in dieser Art nicht möglich wären.

Bauteile aus Fichtenholz mit PEFC-Zertifikat


Ein großer Vorteil der Holzbauweise ist die vergleichsweise kurze Bauzeit; die Holzbauteile werden weitgehend vorgefertigt und vor Ort lediglich montiert. „Wir bauen ein Stockwerk pro Woche“, sagt Markus Brandl, Projektleiter bei Züblin Timber. Die Stützen der beiden Neubauten bestehen aus Brettschichtholz – ganz ohne Beton kommt die neuartige Hybrid-Konstruktion aber nicht aus. So-ckelgeschoss und Treppenhaus bestehen jeweils aus Stahlbeton und werden zuerst errichtet. Für die Holzwände und -decken wird ausschließlich Fichtenholz – überwiegend aus deutschen Wäldern und durchweg versehen mit FSC-Zertifikat, dem Siegel für nachhaltige Forstwirtschaft, verwendet.

Brandschutz


Der Brandschutz ist das anspruchsvollste Thema und eine besondere Herausforderung aufgrund der Gebäudehöhe. Im Falle eines Brandes darf kein Rauch ins Treppenhaus dringen. Dafür wird mit spe-ziellen Ventilatoren ein Überdruck erzeugt, der das Treppenhaus rauchfrei hält. Zum Konzept gehört eine Hochdruck-Feinnebellöschanlage, die Wassernebel produziert, der die Flammen sofort erstickt. Diese Technik kommt aus dem U-Boot-Bau. Im Untergeschoss und Erdgeschoss werden alle tragenden und aussteifenden Bauteile aus feuerbeständigem Stahlbeton hergestellt. Alle tragenden Elemente, wie Wände, Stützen und Decken aus Holz entsprechen der Feuerwiderstandsklasse F 90.

Beitrag zur Energiewende und zur CO2-Minderung
 

SKAIO trägt durch die Verfolgung des cradle-to-cradle-Prinzips zur Energiewende bei. Größtmögliche Wiederverwertbarkeit der Elemente und Materialien sind von der ersten Stunde an erklärte Projektziele. Die Details werden so geplant, dass der spätere Austausch einzelner Elemente ebenso möglich ist wie der Rückbau und die Wiederverwendung. Die Bauteilaufbauten sind gänzlich trocken und jedes Material ist sortenrein trennbar. Als Bäder kommen vorgefertigte, selbsttragende Sani-tärraumeinheiten zum Einsatz. Der Holzbau trägt systematisch zur Minderung von CO2 bei. Wäh-rend der gesamten Nutzungsdauer der Gebäude (bzw. bei Wiederverwendung der Elemente noch darüber hinaus) wird das CO2 der Atmosphäre entzogen und eingelagert.

Modellcharakter
 

Die Stadtausstellung Neckarbogen zeichnet sich als innovatives Projekt sowohl mit Blick auf die Entwicklung als auch auf Architektur und Städtebau aus. Bauherren verschiedener Couleur realisieren mit verschiedenen Architekten und Firmen eine Vielzahl innovativer Projekte. Dies auf einer ehemaligen Brachfläche in urbanem und attraktivem Kontext. Die architektonischen Innovationen im Wohnungsbau bleiben im Allgemeinen weit hinter dem Bedarf zurück. SKAIO steht in seiner Eigenschaft als urbaner Holzbau Modell für künftige Vorhaben vergleichbarer Aufgabenstellung. Diese Herausforderung mit der Stadtsiedlung zu meistern, dafür tritt das Team der erfahrensten Holzbaufachexperten aus Architektur (Prof. Tom Kaden und Markus Lager), Brandschutz (Dr. Dirk Kruse / Dehne und Kruse) und Statik (Prof. Dr. Stefan Winter / BauArt) gemeinsam an.

Bauherr
 

Die Stadtsiedlung Heilbronn GmbH verfügt mit einem Wohnungsbestand von über 3.700 Wohnein-heiten und ihrer 160-jährigen Geschichte über langjährige Erfahrungen in der Errichtung und der Bewirtschaftung von Wohngebäuden. 2014 hat die Stadtsiedlung Heilbronn GmbH die Entsprechenserklärung des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) unterzeichnet und sich damit auch zukünftig einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung verpflichtet. In diesem Zusammenhang ist die Stadtsiedlung Heilbronn GmbH daran interessiert, nachhaltige Baukonzepte zu realisieren und weiter zu entwickeln. Neben innovativen Energiekonzepten und der Umsetzung der Holz-Hybridbauweise werden bei der Entwicklung und Modernisierung von Wohngebäuden regelmäßig weitere Aspekte des nachhaltigen Bauens, wie z.B. Innenraumhygiene oder das cradle-to-cradle-Prinzip berücksichtigt
 

Neben den Erfahrungen im Wohnungsbau verfügt die Stadtsiedlung Heilbronn GmbH ebenfalls über weitreichende Erfahrungen im Gewerbebereich. Auch hier werden neue Wege beschritten. So wurde das von der EU und dem Land Baden-Württemberg geförderte Wissenschafts- und Technologiezentrum WTZ III mit dem DGNB-Gold-Zertifikat ausgezeichnet.

Architekt
 

Für die Planung des Projekts SKAIO wurde das Architekturbüro Kaden+Lager gewählt, das seit Jahren auf den urbanen Holzbau spezialisiert ist und bereits mit verschiedenen Bauherren Wohnungsbauten in Holz- oder Holz-Hybrid-Konstruktionen geplant hat. So wurde, damals noch unter dem Namen Kaden-Klingbeil Architekten, 2008 das erste siebengeschossige Wohnhaus in Holzbauweise errichtet. Daraufhin folgten weitere Objekte mit Vorreiter-Charakter in Gebäudeklasse 5. Das Hochhaus in Heilbronn stellt den nächsten Schritt einer Entwicklung dar, die europaweit durch einige wenige Büros, unter anderem Kaden+Lager, begleitet wird. Seit 2013 sind Kaden+Lager neben privaten Bauherren auch vermehrt für städtische Wohnungsbaugesellschaften tätig. Der Holzbau motiviert diese mit wirtschaftlicher wie ökologischer Nachhaltigkeit.
 

Neben den Kern-Tätigkeiten des Entwerfens und Planens bis zur Ausführungsreife ist das Büro Ka-den +Lager stets an Forschungs- und Lehrprojekten beteiligt sowie auf internationalen Fachkongressen zum Thema Holzbau vertreten. Geschäftsführer Tom Kaden führt zudem eine Professur im Institut für Architektur und Holzbau an der Universität Graz.

Generalunternehmer und Baupartner:
 

Die Ed. Züblin AG mit Sitz in Stuttgart beschäftigt rund 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zählt mit einer jährlichen Leistung von über 3 Mrd. € zu den führenden deutschen Bauunternehmen. Seit der Firmengründung im Jahr 1898 realisiert ZÜBLIN erfolgreich anspruchsvolle Bauprojekte im In- und Ausland und ist heute im deutschen Hoch- und Ingenieurbau die Nummer eins. Das Leistungsspektrum des Unternehmens umfasst alle baurelevanten Aufgaben – vom Ingenieur-, Brücken- oder Tunnelbau über den komplexen Schlüsselfertigbau bis hin zur Baulogistik, dem Holzingenieurbau und dem Bereich Public Private Partnership.

 

Projektbeschreibung:

Bauherr:

Stadtsiedlung Heilbronn GmbH
Urbanstraße 10
74072 Heilbronn
www.stadtsiedlung.de

www.leben-am-neckar.de

Ort
Paula-Fuchs-Allee 2,4
74072 Heilbronn
BUGA Heilbronn 2019, Gelände der Stadtausstellung

Typ:
Mehrgeschossiger Wohnungsbau in Holzbauweise, mit 34m höchstes Haus Deutschlands in Holzhybridbauweise

Status:
Werkplanung/Ausführung

Baujahr:
2018-2019

Wohnfläche:
3.300 m²

Gewerbefläche:
137 m²

BGF oberirdisch:
5.685 m²

Projektpartner/-innen
Architekt: KADEN+LAGER,Berlin
 

Tragwerksplanung und Bauphysik:

BauArt GmbH&Co KG, Lauterbach
 

Brandschutz:

Dehne-Kruse Brandschutzingenieure, Giffhorn
 

Gebäudetechnik:

IFB-Ingenieure, Bad Teinach
 

Generalunternehmer und Baupartner:

ZÜBLIN Merk Timber Aichach GmbH

Visualisierung:
www.thethird.de , jsb Stuttgart

Architektur:

Kaden + Lager Architekten GmbH
 

Team:

Univ. Prof. Tom Kaden, Markus Lager
 

LP1-3:

Lisa Seibert, Simon Beckmann, Michael Gaßmann, Philip Stalbohm
 

LP4-8:

Jutta Kliesch, Eva Bontzol, Sebastian Dammeyer, Lena Fischer, Michael Gaßmann,
Ilse Jendro

 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 20. Oktober 2018