Angeregt vom Engagement des Musée Unterlinden,
das dem späten Werk des Künstlers die Ausstellung "Corpus
Baselitz" (10. Juni – 4. November 2018) seine Aufmerksamkeit
widmet und beeindruckt von der positiven Rezeption der Schau,
wird Georg Baselitz’ großformatiges Ölgemälde "Di nuovo arrivato"
(180 x 300 cm) aus dem Jahr 2015 dem Museum in Colmar als
Schenkung überlassen.
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Frédérique Goerig-Hergott, Chefkonservatorin am Musée
Unterlinden und Kuratorin der Ausstellung "Corpus Baselitz",
erklärt zur Vorgeschichte dieser außergewöhnlichen Schenkung:
„Georg Baselitz hat dem Musée Unterlinden bei Realisierung
der Ausstellung und des Begleitkatalogs
absolutes Vertrauen entgegengebracht. Der Künstler hat uns
darüber hinaus während der Vorbereitungen in sein Atelier und zu
einem längeren Interview eingeladen und er war während der
Pressekonferenz sowie der Vernissage mit seiner Familie, mit
Freunden, Kunstsammlern und Galeristen anwesend. Während des
Vernissage-Diners im Kreuzgang des Museums befragte er mich zum
rechtlichen Status der in den französischen Museen aufbewahrten
Kunstwerke. Dabei wies ich ihn auf die Unveräußerlichkeit von
Kunstwerken im Eigentum des französischen Staates hin und
erklärte ihm, dass im Falle einer Schenkung das Kunstwerk in das
Inventar des Museums aufgenommen würde und unter keinen
Umständen veräußert werden dürfte. Des Weiteren versicherte ich
ihm, dass sein Werk zusammen mit den Exponaten der von ihm
geschätzten Künstler (Dubuffet, Picasso…) in der Sammlung
moderner Kunst präsentiert werden würde, parallel zur ehemaligen
Kapelle mit dem Isenheimer Altar: „Sie wären hier für alle
Zeiten in direkter Nähe zu Grünewald vertreten!“ Diese ebenso
offene wie gewagte Antwort schien ihn zu amüsieren und er nickte
zustimmend.“
Monochrome Tafel in dunklen, grau und schwarzen
Farbtönen
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Georg Baselitz, großformatiges
Ölgemälde "Di nuovo arrivato", 180 x 300 cm, 2015, Musée
Unterlinden, Colmar |
Seit der Eröffnung im Juni 2018 hat Baselitz das Museum zwei Mal
besucht, um seine Ausstellung zu sehen, zu genießen und sich
über deren Verlauf zu informieren. Bei seinem letzten Besuch
erklärte er gegenüber Frédérique Goerig-Hergott: „Das Museum
Unterlinden hat großen Mut bewiesen mit der Entscheidung, in
einer Ausstellung lediglich meine späten Bilder aus den
vergangenen Jahren zu präsentieren. Und diese dem Isenheimer
Altar gegenüberzustellen. So etwas sieht man normalerweise nur
in Kunstmetropolen wie London oder Paris. Für diesen Mut und die
wunderbare Zusammenarbeit möchte ich mich mit meinem Geschenk an
das Museum bedanken.“
Am Ende der Ausstellung "Corpus Baselitz", in der es derzeit zu
sehen ist, wird "Di nuovo arrivato" in die Sammlungen des Musée
Unterlinden übergehen. Das Kunstwerk wird künftig im Ackerhof zu
sehen sein, dem vom Architekturbüro Herzog & de Meuron
errichteten Neubau, der die Gestalt der einstigen Klosterkapelle
mit dem Isenheimer Altar aufgreift. Dort befindet es sich in
unmittelbarer Nähe zu zwei großen Meistern des 20. Jahrhunderts,
Picasso und Dubuffet, die Baselitz wesentlich beeinflusst haben.
Das Gemälde "Di nuovo arrivato" zu Deutsch: Noch
einmal
"Di nuovo arrivato" ist ein emblematisches und gleichzeitig das
erste Werk einer neuen Reihe von überaus intimen und
kompromisslosen Selbstporträts, die Baselitz Anfang 2015 schuf.
In dieser neuen Wandlung, in der er Format und Bildausschnitt
veränderte, entstanden zwischen April und Juni 2015 insgesamt 6
monochrome Bilder auf schwarzem Grund. Als Motiv ist einzig der
vom Alter gezeichnete, vom Rumpf abgeschnittene, auf seine
Fleischlichkeit reduzierte Körper des Künstlers zu erkennen. Das
Querformat und das Motiv der im leeren Raum schwebenden Beine
vermitteln ein beruhigendes Gefühl, das diese einsame Arbeit von
Baselitz charakterisiert. Form, Farbpalette und das Sujet des
verunstalteten Körpers bilden ein zeitgenössisches Echo auf die
berühmten Gemälde und Predellen alter und moderner deutscher
Meister (Grünewald in Colmar, Holbein in Basel, Dix in Dresden).
Der Gegensatz aus dem abstrakten – leeren und schwarzen – Raum
und der großzügig mit kraftvoller Geste aufgetragenen
Farbmaterie verleiht dem Bild eine Raffinesse, die mit dem Sujet
kontrastiert und die sakrale Dimension unterstreicht. Der Titel
Di nuovo arrivato widerspricht dem scheinbar tragischen
Charakter des Sujets; es kündet von der Rückkehr des Künstlers
auf die Bühne der Kunst. Die Affirmation von Baselitz’
Wiedergeburt in dem Gemälde hatte entscheidenden Anteil daran,
dass dieses Werk in die Sammlungen des Musée Unterlinden
eingehen wird.
Anlässlich seines 80. Geburtstags hat das Musée Unterlinden
Georg Baselitz eine große Ausstellung gewidmet, in der erstmals ein
Korpus aus rund 70 Werken zu sehen ist – Malereien, Zeichnungen
und Skulpturen, die der Künstler in den vergangenen vier
Jahren geschaffen hat und in denen er seinen eigenen Körper und
seinen Platz in der Kunstgeschichte hinterfragt.
Unter dem Titel "Corpus Baselitz" werden diese meisterhaften Werke
im Erweiterungsbau des Musée Unterlinden präsentiert, der 2015
vom Architekturbüro Herzog & de Meuron in Colmar errichtet
wurde. Dasselbe Architekturbüro zeichnete vor zehn Jahren auch
für den Neubau von Baselitz’ Haus und Atelier in Oberbayern
verantwortlich. Thema, Form, Monumentalität
sowie Material und Farbigkeit von Baselitz’ Werken bilden ein
zeitgenössisches Echo auf Grünewalds Tafeln des Isenheimer
Altars, dem zentralen Meisterwerk des Musée Unterlinden. Als
Introspektion, die einer regelrechten Entblößung gleichkommt,
präsentiert sich sein jüngstes Œuvre gleichzeitig als Neubeginn,
Wiedergeburt und Rückkehr zu den Anfängen.
Die Hängung im Museum