Buchrezension

Stadtbrache als "terrain vague" (1. Aufl. 2017)

eine Publikation aus dem transcript Verlag

Bucheinband: transcript

 

 

 

Brachen sind selten geworden im Vergleich zu früheren Zeiten, besonders was Stadträume angeht. Doch es gibt sie überall. Der Bedarf nach bebaubaren Grundstücken ist enorm groß, so dass keine Lücke ausgelassen wird, um diese mit Gebäuden zu füllen. Somit sind Brachen nicht mehr und nicht weniger ein Relikt vergangener Zeiten. Avanciert zu einem Hoffnungs- und Möglichkeitsraum und verknüpft mit der Neubewertung in Architekturtheorie und Literatur. Das Buch von Jacqueline Maria Broich und Daniel Ritter "Die Stadtbrache als 'terrain vague'. Geschichte und Theorie eines unbestimmten Zwischenraums in Literatur, Kino und Architektur" sucht die Ursprünge der Brache in der Romantik, einer Epoche des 19. Jahrhunderts in der Ausflüge auf antike Ruinenfelder zum eigenwilligen Selbstverständnis der Zeitgenossen gehörte. Das was davon hängen geblieben ist, soll die Erlebniswelt Brache in der Gegenwart zum Ausdruck bringen. Dabei soll es auch um die verlorene Freiheit gehen, die der urbane Raum durch Bebauung mit sich genommen hat.

 

Die Autoren beziehen sich bei der Namensgebung des "terrain vague" dann aber auf eine Fotografie von Man Ray aus dem Jahre 1929. Erkennen an, dass Brachflächen parallel zur künstlerischen Verarbeitung auch in Ökologie und Geographie der 1980er Jahre Eingang gefunden haben. Später sind Landschaftsarchitektur und Stadtplanung hinzugekommen. In jüngster Vergangenheit kamen noch die interdisziplinär wirkenden Kulturwissenschaften dazu. Letztere prägten den Begriff der Zwischenräume anstelle von Brache. Die Publikation aus dem transcript Verlag geht methodisch vor, um eine Theorie zu entwickeln. Den Autoren geht es im Einzelnen darum, die mediale Wirkung als ein bestimmendes Merkmal in das Gesamtbild "terrain vague" zu integrieren. Die künstlerische Aussage soll dazu verwendet und eingesetzt werden, um herauszufinden, welchen Eindruck die Künste hinterlassen haben und wie sie damit gegebenenfalls auf andere Disziplinen Einfluss nehmen. Unterschieden wird zwischen Phänomen des "terrain vague" und Begriff des "terrain vague". Wobei diese Unterscheidung auf Dauer nicht aufrecht erhalten werden kann, sondern vermischt wird. Die daraus resultierende Theorie besteht in Form eines systemischen Modells weiter.

 

Mit Kapitel 1 werden zunächst die lexikalische Wortbedeutung und die historischen Zusammenhänge geklärt. Kapitel 2 widmet sich recht ausführlich den Etappen einer Literatur- und Mediengeschichte des "terrain vague". Kapitel 3 sucht die Diskussion eines urbanistischen Diskurses seit den 1970er Jahren, einer Zeit in der viele interessante und neue Wissenschaften aufkamen und zugleich in den großen Institutionen Fuß gefasst haben. Im Zentrum des Diskurses stehen verschiedene Disziplinen, wie Stadtgeschichte, Stadtplanung und Stadtsoziologie. Die Autoren teilen mit, dass das Ganze, in Hinblick auf die ontologischen Ebenen, die Form einer Matrix annimmt. Bezeichnet werden die Physik, Ökonomie, Politik, Soziologie, Ethnologie, Ökologie, Phänomenologie und Ästhetik. Allen Ebenen wird das Verständnis nach einer etymologisch hergeleiteten Sinnkategorie des "terrain vague" zugewiesen.

 

Ein Nachtrag nimmt Bezug auf das sogenannte Niemandsland, was nach Wolfram Nitsch sogar jenseits der Brache besteht. Er zitiert Georges Perecs "Espèces d'espaces", zu Deutsch: "Träume von Räumen", worin eine seltsame Zone zitiert wird, in der man auch nach dem Grenzübertritt noch landen kann. Weitere Besonderheit aus dem transcript Verlag sind hier die farbigen Abbildungen, die den gesamten Band nicht übermäßig oft aber in einer Auswahl durchziehen, wobei die Qualität der Bilder nicht hochwertig ist. Zur Bildauswahl wurden Filmstills ausgesucht, meist aus französischen Filmen wie Jacques Tatis "Mon Oncle" von 1958, aber auch ein Filmfoto aus Wim Wenders "Der Himmel über Berlin" (1987) gehört dazu. 

 

Eine Buchrezension von Kulturexpress

Zur Leseprobe...

 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 06. Oktober 2018