|
|
|
|
Brachen sind selten geworden im Vergleich zu
früheren Zeiten, besonders was Stadträume angeht. Doch es gibt
sie überall. Der Bedarf nach bebaubaren Grundstücken ist enorm
groß, so dass keine Lücke ausgelassen wird, um diese mit
Gebäuden zu füllen. Somit sind Brachen nicht mehr und nicht
weniger ein Relikt vergangener Zeiten. Avanciert zu einem
Hoffnungs- und Möglichkeitsraum und verknüpft mit der
Neubewertung in Architekturtheorie und Literatur. Das Buch von
Jacqueline Maria Broich und Daniel Ritter "Die
Stadtbrache als 'terrain vague'. Geschichte und Theorie eines
unbestimmten Zwischenraums in Literatur, Kino und Architektur"
sucht die Ursprünge der Brache in der Romantik, einer Epoche
des 19. Jahrhunderts in der Ausflüge auf antike Ruinenfelder zum
eigenwilligen Selbstverständnis der Zeitgenossen gehörte. Das
was davon hängen geblieben ist, soll die Erlebniswelt Brache in
der Gegenwart zum Ausdruck bringen. Dabei soll es auch um die
verlorene Freiheit gehen, die der urbane Raum durch Bebauung mit
sich genommen hat.
Die Autoren beziehen sich bei der Namensgebung des "terrain
vague" dann aber auf eine Fotografie von Man Ray aus
dem Jahre 1929. Erkennen an, dass Brachflächen parallel zur
künstlerischen Verarbeitung auch in Ökologie und Geographie der
1980er Jahre Eingang gefunden haben. Später sind
Landschaftsarchitektur und Stadtplanung hinzugekommen. In
jüngster Vergangenheit kamen noch die interdisziplinär wirkenden
Kulturwissenschaften dazu. Letztere prägten den Begriff der
Zwischenräume anstelle von Brache. Die Publikation aus dem
transcript Verlag geht methodisch vor, um eine Theorie zu
entwickeln. Den Autoren geht es im Einzelnen darum, die mediale
Wirkung als ein bestimmendes Merkmal in das Gesamtbild
"terrain vague" zu integrieren. Die künstlerische Aussage
soll dazu verwendet und eingesetzt werden, um herauszufinden,
welchen Eindruck die Künste hinterlassen haben und wie sie damit
gegebenenfalls auf andere Disziplinen Einfluss nehmen.
Unterschieden wird zwischen Phänomen des "terrain
vague" und Begriff des "terrain vague". Wobei
diese Unterscheidung auf Dauer nicht aufrecht erhalten werden
kann, sondern vermischt wird. Die daraus resultierende Theorie
besteht in Form eines systemischen Modells weiter.
Mit Kapitel 1 werden zunächst die lexikalische
Wortbedeutung und die historischen Zusammenhänge geklärt.
Kapitel 2 widmet sich recht ausführlich den Etappen einer
Literatur- und Mediengeschichte des "terrain vague".
Kapitel 3 sucht die Diskussion eines urbanistischen
Diskurses seit den 1970er Jahren, einer Zeit in der viele
interessante und neue Wissenschaften aufkamen und zugleich in
den großen Institutionen Fuß gefasst haben. Im Zentrum des
Diskurses stehen verschiedene Disziplinen, wie Stadtgeschichte,
Stadtplanung und Stadtsoziologie. Die Autoren teilen mit, dass
das Ganze, in Hinblick auf die ontologischen Ebenen, die Form
einer Matrix annimmt. Bezeichnet werden die Physik, Ökonomie,
Politik, Soziologie, Ethnologie, Ökologie, Phänomenologie und
Ästhetik. Allen Ebenen wird das Verständnis nach einer
etymologisch hergeleiteten Sinnkategorie des "terrain vague"
zugewiesen.
Ein Nachtrag nimmt Bezug auf das sogenannte Niemandsland, was
nach Wolfram Nitsch sogar jenseits der Brache besteht. Er
zitiert Georges Perecs "Espèces d'espaces", zu
Deutsch: "Träume von Räumen", worin eine seltsame Zone zitiert
wird, in der man auch nach dem Grenzübertritt noch landen kann.
Weitere Besonderheit aus dem transcript Verlag sind hier die
farbigen Abbildungen, die den gesamten Band nicht übermäßig oft
aber in einer Auswahl durchziehen, wobei die Qualität der Bilder
nicht hochwertig ist. Zur Bildauswahl wurden Filmstills
ausgesucht, meist aus französischen Filmen wie Jacques Tatis
"Mon Oncle" von 1958, aber auch ein Filmfoto aus Wim Wenders
"Der Himmel über Berlin" (1987) gehört dazu.
Eine Buchrezension von Kulturexpress
Zur Leseprobe...