Lucian Freud Zeichnungen Frank Auerbach - Gesichter im Städel

 

 

Lucian Freud
Pluto, 1988
Radierung und Kaltnadel, vom Künstler mit Wasserfarbe getönt,

322 × 604 mm (Platte)
Städel Museum, Frankfurt am Main. Erworben 2018 mit Mitteln der Heinz und Gisela Friederichs Stiftung und des
Städelschen Kunstinstituts.
The Lucian Freud Archive / Bridgeman Images

 

Die Zeichnungen von  Lucian Freud stehen meiner Meinung nach in dieser Ausstellung im Vordergrund. Die handwerklich und künstlerische Ausarbeitung ist hervorragender gelungen. Menschliche Aussagekraft und intime Körperlichkeit spricht aus Radierungen und Blättern des Künstlers.

 

Sie stellen eine eigenständige Kunstform dar, wobei unterschiedliche Typen und Charaktere ins Innere der Menschlichkeit blicken lassen. Dazu zählen diverse Aktstudien, die im Querformat an einer Seitenwand im graphischen Kabinett des Städelmuseums aufgehängt wurden. Lucian Freud verfügt über eine klassische Ausbildung zum Zeichner. Die Sichtbarkeit der Konturen, die außerordentliche Plastizität seiner Zeichnungen sticht hervor. Eine Art Naturalismus spricht aus den Gesichtern, die so lebensecht wirken wie nur möglich. Nicht im photographischen Sinne perfektioniert, sondern in die Lebenswirklichkeit des Einzelnen blickend. Sie sind nicht ausgedacht oder konstruiert, sie verdeutlichen vielmehr erlebtes, realistisches. Offenbahren Erfahrungen des Menschen. Wo ein Körper ist, da ist auch sein Schatten. Nicht zu wenig, umrandet Konturen und zeichnet damit die Person in seiner Gesamtheit nach, um aus dem Alltag des Individuums notwendige Informationen an den Betrachter zu übermitteln.

 

 

Lucian Freud
Head of Bruce Bernard, 1985
Radierung, 295 × 300 mm (Platte)
Privatbesitz, Köln
Foto: Städel Museum
© The Lucian Freud Archive / Bridgeman Images

 

 

Die Ausstellung stellt zwei Künstler nebeneinander: Frank Auerbach und  Lucian Freud. Beide waren befreundet. Zeichneten sich gegenseitig ab und portraitierten das Angesicht unwiederholbar und einzigartig. Auerbachs Zeichnungen sind abstrakter, weisen Elemente des amorphen auf. Körper scheinen auseinander zu fallen, werden durch die Kombination einzelner Linien wieder zusammengetragen. Dadurch entsteht eine Art der Verfremdung in den Portraits. Durch das Liniengitter entsteht Struktur. 

Eine Ausstellungsrezension von Kulturexpress


Frank Auerbach (*1931) und Lucian Freud (1922–2011) zählen zu den bedeutendsten figurativen Künstlern der englischen Nachkriegskunst. Vom 16. Mai bis 12. August 2018 versammelt die Graphische Sammlung des Städel Museums erstmals Hauptwerke der beiden Künstler in einer gemeinsamen Ausstellung. „Frank Auerbach und Lucian Freud. Gesichter“ zeigt insgesamt vierzig Zeichnungen und Druckgrafiken, insbesondere Bildnisse, die zu den kompromisslosesten und innovativsten der zeitgenössischen Kunst gehören.
 

Anlass der Sonderausstellung sind mehrere exzeptionelle Neuerwerbungen für das Städel Museum, darunter der Ankauf eines gezeichneten Selbstbildnisses (Self-Portrait, 2017) von Auerbach durch den Städelschen Museums-Verein e. V. mit Mitteln der Jürgen R. und Eva-Maria Mann Stiftung sowie der Radierung Pluto (1988) von Freud mit Mitteln der Heinz und Gisela Friederichs Stiftung (s.u.).
 

 

 

Lucian Freud
Girl Sitting, 1987
Radierung, 530 × 705 mm (Platte)
Marlborough Fine Art, London
Foto: Francis Ware und Luke Walker, Marlborough Fine Art
© The Lucian Freud Archive / Bridgeman Images

 

Über nahezu vier Jahrzehnte, bis zum Tod von Lucian Freud, waren die Künstler eng befreundet. Sie verband nicht nur die Wertschätzung für die Kunst des je anderen, sondern auch das Schicksal, in Berlin als Söhne jüdischer Familien geboren worden zu sein. Noch im Kindesalter mussten sie aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach England flüchten beziehungsweise emigrieren. Ihre Werke sind Ausdruck eines sehr persönlichen Sehens und Erlebens und entstanden trotz großer formaler und stilistischer Unterschiede nach überraschend gleichen Strategien: Über Wochen, manchmal Jahre hinweg beobachteten und porträtierten Auerbach und Freud beharrlich dieselben Menschen aus ihrer jeweils näheren Umgebung. Wiederholung und Beschränkung sind ihnen Mittel der Konzentration auf der Suche nach Erkenntnis: über das Gegenüber, über sich selbst und über die Welt.

 

 

Frank Auerbach
Ruth, 2006
Radierung und Aquatinta,

402 × 298 mm (Platte)
Privatsammlung, Köln
Foto: Kulturexpress


 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 09. Juni 2018