Die Festnahme des abgesetzten Ministerpräsidenten
von Katalonien, Carles Puigdemont, am Sonntag in Deutschland hat
den langen Konflikt um die Unabhängigkeitsbestrebungen in diesem
Landesteil Spaniens wieder auf Hochtemperatur gebracht. Doch die
Finanzmärkte zeigten sich am Montag wenig beeindruckt: Der
Schwergewichtsindex der Madrider Börse Ibex 35 blieb ebenso
konstant wie die spanischen Bonds. Am Freitag erst hatte
Standard Poor's das Rating für spanische Anleihen angehoben. Von
der Nervosität im Herbst rund um das illegale Referendum, die
Unabhängigkeitserklärung durch die Separatisten und den Eingriff
der Zentralregierung ist heute nicht viel zu spüren. Spaniens
Konjunktur ist unverändert robust und Katalonien funktioniert
unter der Zwangsverwaltung bislang auch.
Doch wäre es völlig falsch, sich in Anbetracht der jüngsten
Entwicklung entspannt zurückzulehnen. Die Konfrontation zwischen
dem Zentralstaat und den Separatisten, die in etwa die Hälfte
der Katalanen hinter sich wissen, droht wieder zu eskalieren,
wie die Ausschreitungen bei den Protesten gegen die Festnahme
Puigdemonts zeigen.
Mal abgesehen von dem übereiferten Vorgehen der spanischen
Justiz - um es einmal vorsichtig auszudrücken - ist eine
politische Annäherung zur Entspannung der Lage nicht in Sicht.
Der Konflikt hat zunächst wirtschaftliche Auswirkungen auf
Katalonien, wo sich das Interesse vor allem ausländischer
Investoren deutlich abgekühlt hat. Doch die Krise kann auch den
Rest des Landes in Mitleidenschaft ziehen, denn sie lähmt seit
Monaten die Politik.
Dringend notwendige Reformen, wie etwa des Rentensystems oder
der Regionalfinanzierung, bleiben liegen, weil Ministerpräsident
Mariano Rajoy nur einer Minderheitsregierung vorsteht. So können
die Konservativen derzeit den bereits verspäteten Haushalt für
2018 nicht im Parlament durchbringen, da ihnen die fünf
Abgeordneten der gemäßigten baskischen Nationalisten der PNV
wegen des Umgangs mit der Katalonien-Krise die Unterstützung
verweigern. Allein die Stimmen der liberalen Ciudadanos reichen
nicht aus.
Zwischen diesen beiden natürlichen Bündnispartnern ist zudem ein
Wettstreit darum entbrannt, wer von beiden gegenüber den
Separatisten den Härteren gibt, weil beide damit bei den Wählern
rechts der Mitte punkten. Das heizt die Lage in Katalonien
zusätzlich an und macht die Verständigung über
Wirtschaftsreformen nicht leichter. Leider stehen kurzsichtige
parteipolitische Interessen derzeit über dem Wohl der Spanier,
einschließlich der Katalanen.
Kommentar zu Katalonien von Thilo Schäfer, Deutsche
Börsenzeitung