Dauer der Ausstellung bis 08. April 2018

I am here to learn - Zur maschinellen Interpretation der Welt

Foto (c) Kulturexpress

 

 

 

Die thematisch geordnete Gruppenausstellung will neue Einsichten in lernende Algorithmen und künstliche Intelligenz bringen. Der Frankfurter Kunstverein präsentiert deshalb eine Reihe internationaler Künstler in seinen Räumen. Schwerpunkt der Ausstellung wurde dabei auf die Wahrnehmung und die Interpretation als menschliche Qualität gestellt, was sozusagen über ein Lernverfahren auf Maschinen übertragen wurde.

 

Überraschende künstlerische Einsichten die nicht nur den Kunstinteressierten ansprechen. Im ersten Stock des Frankfurter Kunstverein im Steinernen Haus am Römerberg stehen kleine Tische im Treppenhaus aufgebaut, die mit einer Zeichenvorrichtung ausgerüstet sind, um nach Modell zu zeichnen. Das Ergebnis lässt sich sehen! Es wird durchaus eine künstlerische Intentionen bei der Umsetzung spürbar. Ausdruck und Wirklichkeitstreue der zeichnerischen Wiedergabe sind gegeben. Welcher Algorithmus diese Fähigkeiten ermöglicht, wäre herauszufinden. Das weckt neue Gedanken und Ideen. Im Übrigen können sich Besucher vor Ort portraitieren lassen. Entstandene Zeichnungen werden augestellt und sind Bestandteil des Kunstwerks. Das ästhetische Erlebnis wird möglich. Fehlte nur noch, dass mit dem Zeichenarm eine bestimmte Handschrift oder der Duktus eines Künstlers nachgeahmt werden.

 

 

Auf dem Foto Patrick Tresset und Jerry Galle

 

 

Patrick Tressets interaktive Rauminstallation Human Study #1, 3RNP besteht aus drei Zeichenrobotern. Besucher können Modell sitzen und werden von den Maschinen visuell erfasst und portraitiert. Jeder der drei Roboter zeichnet in einem eigenen Stil und führt den Stift auf unterschiedliche Weise. Neben einem Zeichenarm verfügen die Roboter über eine bewegliche Kamera. Mit dieser betrachten sie abwechselnd das Modell und die entstehende Zeichnung. Tresset geht es nicht darum, durch die Roboter menschliche Zeichenstile zu imitieren, er untersucht vielmehr die Unterschiede zwischen einer menschlichen und einer maschinellen Ausführung. Tresset bezeichnet die Fähigkeiten seiner Maschinen als „nicht intelligent“, es entstehe lediglich der Eindruck, die Roboter würden mit einer eigenen Intention agieren. Sie zeigen menschenähnliches Verhalten, welches jedoch rein auf der Programmierung verschränkter Handlungsvorgänge basiert.

 

 

Modell vor Zeichenarm und Kameraobjektiv

Wie beim Menschen ist die Aktion der Maschine grundlegend an ihre Körperlichkeit, ihr Wahrnehmungssystem, ihr Erinnerungsvermögen und ihre motorischen Eigenheiten gebunden. Die 'Körperlichkeit' (Embodiment) bestimmt im Wesentlichen Handlungen und somit auch den zeichnerischen Ausdruck. Tresset manipuliert die maschinellen Bewegungen seiner Roboter nicht künstlich, sondern belässt sie als solche, sodass sich diese charakteristisch in die Zeichnung einschreiben und ihre maschinelle Produktion erkennbar bleibt. Das Werk erhebt unter anderem die Frage nach der Autorenschaft im digitalen Zeitalter, in welchem lernende Systeme bereits die Fähigkeit zur Herstellung kultureller Gegenstände erlangt haben. Tresset versucht in seinen Zeichnungen, das Menschliche mithilfe von automatisierten Zeichengeräten in Linien zu fassen. Diese verfügen weder über ein Verständnis ihrer Tätigkeit, noch über einen Kunstbegriff und nehmen ihre Zeichnungen nicht explizit als Kunstwerke wahr. Somit geht Tresset in seiner Arbeit der Frage nach, welchen Anspruch ein Werk erfüllen muss, um als Kunst zu gelten und ob Kunst allein von einem menschlichen Autor geschaffen werden kann.

 

Der in London lebende, französische Künstler Patrick Tresset (*1967) erforscht in seinen Installationen die menschliche Wahrnehmung von technologischen Geräten. Die Arbeiten des Künstlers wurden weltweit in renommierten Institutionen gezeigt, darunter das Centre Pompidou, Paris (FR), das Museum of Modern and Contemporary Art, Seoul (KR), die Prada Foundation, Mailand (IT) und die Ars Electronica, Linz (AT).

 

 

Rechenmodul um Zeichenarm und Kameraobjektiv zu steuern

 

 

 

 

Kritik verträgt das Zeicheninstrument allerdings nicht, da es nicht ansprechbar ist. Beschwerden des Modells kann es auch nicht entgegennehmen. Eine Umkehrung der Innen- und Außenwelt in Form von Emotionen können nicht übertragen werden. Die künstlerische Herausforderung bleibt auf eine funktionale Umsetzung beschränkt. Wobei Strichführung, Schraffur, Elan, Formvermögen und Auslassungen allem Anschein nach gelungen sind. 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 20. Februar 2018