Paris ist nicht nur eine internationale
Metropole mit zwölf Millionen Einwohnern, sondern dient auch als
städtebauliches und architektonisches Versuchsfeld. Nicht alle
der oftmals spektakulären Bauten schafften es ins internationale
Rampenlicht. Der Architekturführer Paris lädt nun mit mehr als
250 Bauten, die seit 1898 zwischen Zentrum und Banlieue
entstanden sind, zur Neubewertung von Bauwerken ein, die
bisweilen in Vergessenheit geraten sind – zu Unrecht, wie Autor
Jean-Philippe Hugron zeigt.
Abseits
von ausgetretenen Pfaden führt der Paris-Kenner Hugron seine
Leser kenntnisreich an bekannte und überraschende Orte der
französischen Hauptstadt und in die bislang von vielen
Architektur-Publikationen unberücksichtigte Banlieu. So wandelt
er zum Beispiel auf den Spuren von Ricardo Bofill in
Noisy-le-Grand und Dom Bellot in Vanves, oder er nähert sich den
modernen und brutalistischen Ensembles des ersten Umgehungsrings
der französischen Hauptstadt. Er bringt den Lesern den
Enthusiasmus der Trente Glorieuses und ihrer vertikalen
Verrücktheiten nahe, sowie die ambitionierten Grands Travaux der
Ära Mitterands. Oder er begibt sich auf Spurensuche nach den
ersten Projekten der einzigen französischen Pritzker-Preisträger,
Christian de Portzamparc und Jean Nouvel.
Der
Band ist chronologisch gegliedert und erzählt vor dem
Hintergrund der politischen Ereignisse sowie den theoretischen
und ästhetischen Debatten die Pariser Architekturgeschichte: Vom
Aufkommen des Art nouveau über die klassische Strenge des Art
déco, über die Hinwendung zur Moderne der Zwischen- und
Nachkriegszeit, der die Postmoderne und ein Auf- und Ab des
Hochhausbaus und der Monumentalarchitektur folgen, bis hin in
die heutige Zeit. Dabei verfolgt der Band das Ziel, vielen
bisher wenig veröffentlichten Projekten Aufmerksamkeit zukommen
zu lassen – und dies quer durch die neue Metropolregion des
Grand Paris. Dies ist umso wichtiger, wenn man die massive
Urbanisierung der vergangenen hundert Jahre in Paris verstehen
will: Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gewann die Banlieu durch
Industrialisierung, wirtschaftlichen Aufschwung und Landflucht
an Bedeutung, und heute entstehen im Schatten des weitgehend
gentrifizierten Paris neue Viertel und neue kulturelle Zentren.
Architekturführer Baku
Baku, die Hauptstadt Aserbaidschans, liegt auf der Halbinsel
Abşeron am Kaspischen Meer an der Peripherie von drei früheren
Weltreichen. Russland, Persien und das Osmanische Reich haben in
der in Europa immer noch wenig bekannten und doch sehr
europäisch anmutenden Zwei-Millionen-Metropole ihre baulichen
Spuren hinterlassen.
Im
Architekturführer Baku dokumentiert Heike Maria Johenning mehr
als 100 Bauten und Projekte aus Bakus Jahrtausende alter
Geschichte in chronologischer Reihenfolge – eindrucksvolle
islamische Architekturdenkmäler der UNESCO-geschützten Altstadt,
prunkvolle Jugendstilvillen aus der Ölboom-Ära,
konstruktivistische Gebäude aus den 1930er Jahren und
nationalromantische Prachtbauten der späteren Sowjetzeit, aber
auch futuristische Moscheen und aufsehenerregende
Zukunftsprojekte wie etwa ein Entwurf für den höchsten Turm der
Welt. Den Begründern der „Bakuer Moderne“ und der Stelzenstadt
im Meer sind Extra-Kapitel gewidmet. So zeigt sich das „Paris
des Ostens“, wie Baku wegen seiner Mondänität gerne bezeichnet
wird, als ein Kaleidoskop verschiedenster Architekturstile. Seit
der Erlangung der Unabhängigkeit im Jahr 1991 sind von
internationalen Star-Architekten entworfene ikonische Solitäre
aus Stahl und Glas in einem atemberaubenden Tempo aus dem Boden
gewachsen, die der Welt eine offene und moderne Nation
präsentieren sollen. Könnte man Städte assoziativ mischen,
ergäbe sich wohl ein Mix aus Marrakesch, Paris und Moskau mit
einem Hauch Dubai, ein bunter orientalischer Teppich, dessen
Opulenz bis heute aus dem Geschäft mit dem Öl erwächst. Das
schnelle Wachstum führt jedoch auch dazu, dass historische
Bausubstanz verloren geht. So ist dieser Architekturführer nicht
nur für Reisende vor Ort, sondern auch für Insider als
Dokumentation der Baugeschichte einer Stadt geschrieben, die
mehr und mehr in den Fokus der Architektenwelt rückt.
In die Nachbarländer der Region am Kaspischen Meer führen die
ebenfalls bei DOM publishers erhältlichen Architekturführer
Yerevan (englisch) und Iran. Ein Band zu Tiflis – Georgien ist
2018 Ehrengast der Frankfurter Buchmesse – ist in Planung. Die
Slawistin und Reisebuch-Autorin mit den Schwerpunkten
Architektur und Kunstgeschichte in Ost-europa und Russland Heike
Maria Johenning hat bei DOM publishers bereits die
Architekturführer Kiew (zusammen mit Peter Knoch) und Sankt
Petersburg veröffentlicht.
Architectural Guide Yerevan
Yerevan ist als “Pink City“ bekannt. Diese Bezeichnung verdankt
die Hauptstadt Armeniens dem stadtbildprägenden heimischen
Gestein, dem von rötlich und weiß bis orange und schwarz
schimmernden Tuff. Pablo Neruda, der Yerevan für eine der
schönsten Städte der Welt hielt, fühlte sich sogar zum
poetischen Vergleich mit einer Rose verleitet. Eine harmonische
Stadt? Im Prinzip ja, doch steht diese visuelle Harmonie in
krassem Kontrast zu den Konflikten, die Yerevan auszuhalten hat.
Naturkatastrophen und auch der Völkermord von 1915 haben sich
tief in die Identität und damit auch in die Architektur
Armeniens eingebrannt.
Der
Architekturtheoretiker Tigran Harutyunyan folgt mit dem
Architectural Guide Yerevan der Geschichte der Stadt in zehn
Touren und anhand von Straßenzügen, die für die bauliche
Entwicklung entscheidend waren. Yerevan ist eine der ältesten
Städte der Welt und bildet zusammen mit dem in Sichtweite
gelegenen biblischen Berg Ararat einen bedeutenden Ort der
armenischen Kultur– auch wenn der Ararat heute zum türkischen
Staatsgebiet gehört und die heutige Stadtgestalt auf die
prägenden Zwanzigerjahre und den Masterplan des Architekten
Alexander Tamanyan von 1924 zurückgeht. Dieser erste
Architekturführer zu Yerevan konzentriert sich nach einer
Einführung in die Baugeschichte auf die Zeit seit der kurzen
Unabhängigkeit von 1917-1921 und vor allem die darauffolgende
Zugehörigkeit zur Sowjetunion bis zu deren Zusammenbruch. In
erzählerischer Form werden der armenische Konstruktivismus, der
Nationalstil und die Sowjetmoderne sowie die Rolle der
armenischen Diaspora thematisiert. Ein zusätzlicher Ausflug
führt die Leser nach Spitak, das 1988 durch ein Erdbeben
zerstört wurde und als die letzte Idealstadt der Sowjetunion an
anderer Stelle wiederaufgebaut werden sollte. Somit schließt
dieser Architekturführer auch mit der Frage nach dem Wesen und
Charakter der modernen armenischen Stadt ab.
Ebenfalls bei DOM publishers erschienen ist die Monografie
Contemporary Villas in Armenia. Dieser Band präsentiert zehn
private Wohnhäuser des armenischen Architekten Garegin Yeghoyan,
der sich auf den International Style beruft und mit dem
heimische Gestein Tuff arbeitet. Ein weiterer Architekturführer
führt nach Tbilisi, der Hauptstadt des Nachbarlandes Georgien.
Über den Aufbau sowjetischer Idealstädte nach ihrer Zerstörung
durch Katastrophen können Leser im Architectural Guide Slavutych
und in Seismic Modernism. Architecture and Housing in Soviet
Tashkent mehr erfahren.
Architecture
in Asmara
Colonial Origin and Postcolonial Experiences
Mit Asmara wurde im Sommer 2017 erstmalig eine Stätte in Eritrea
in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Eritrea war bis 1941
italienische Kolonie, und das nahezu vollständig erhaltene
urbane Ensemble der Hauptstadt wurde in dieser Zeit geprägt. Es
ist ein außergewöhnliches Beispiel für modernistische
Stadtplanung im afrikanischen Kontext. Europäische Architekten,
die ihre Projekte in den Hauptstädten Europas nicht realisieren
konnten, setzten sie in Eritrea um. Viele modernistische Bauten
der Kolonialzeit sind legendär, wie etwa eine Tankstelle in Form
eines startenden Flugzeugs.
,
Erst
in den frühen Neunzigerjahren wurde die moderne Architektur
Asmaras und ihre Qualität von Außenstehenden wiederentdeckt. In
der Publikation Architecture in Asmara. Colonial Origin and
Postcolonial Experiences untersuchen und analysieren die Autoren
die koloniale Stadt und zeigen die Geschichte nicht nur der
physischen und sichtbaren urbanen Realität auf, sondern auch die
einer zweiten, unsichtbaren Stadt, wie sie nur in der
Vorstellung existiert. Die koloniale Stadt wird so eine
wundersame Zusammenstellung von Städten, die jede für sich die
anderen wie in einem Kaleidoskop reflektiert. Das unterstreichen
fünf eindrucksvolle, thematische Fotoessays zu den Menschen und
den Orten, an denen sie sich aufhalten. Das Buch geht einen
Schritt weiter im Versuch, Asmara in im Zusammenhang der
zeitgenössischen Theorie zu lesen. Wissenschaftler aus
verschiedenen Disziplinen – Architekten und Stadtforscher,
Historiker und Philosophen, Anthropologen und Soziologen –
zeigen auf, wie die koloniale und postkoloniale Kritik als
Plattform für neue, verschiedene Lesarten von Asmara gedient
hat. Das Spektrum reicht von der Entstehung des italienischen
Imperialismus in Afrika bis zur Rezeption der faschistischen
Stadtplanung, von Untersuchungen der Infrastruktur und der
Mobilität bis zur Geschichte der Migration, die für die Stadt
eine große Rolle spielt. Dazu dienen unter anderem Analysen
historischer Fotografien oder Gespräche mit den Einwohnern. Das
Buch untersucht auch die heutigen Umstände und Realitäten in
Asmara, um die fortdauernden Auswirkungen des kolonialistischen
Erbes auf die Stadtbewohner herauszuarbeiten.
Sozgorod und die Planung sozialistischer Städte
Herausgegeben von Dimitrij Chmelnizki
Im Jahr 1930 legte Nikolaj Alexandrowitsch Miljutin (1889–1942)
mit der Publikation Sozgorod (Die sozialistische Stadt) die
architektonische Vision für eine marxistisch geprägte Stadt- und
Lebensgestaltung vor. Die Orientierung an westlichen Ideen,
besonders aber seine Forderungen nach dezentralisierten
Metropolen machten ihn in der noch jungen Sowjetunion zum
unfreiwilligen Staatsfeind. Schon ein Jahr nach Erscheinen wurde
das Buch zur verbotenen Lektüre. Heute existieren weltweit nur
noch wenige Originale der legendären russischsprachigen
Erstausgabe.
Der
Band Sozgorod und die Planung sozialistischer Städte beinhaltet
den Nachdruck der Publikation mit einem Kommentar von Dmitrij
Chmelnizki. Die aus dem russischen Originaltext übersetzte
deutsche Fassung bringt das Vermächtnis Miljutins nach fast
neunzig Jahren wieder einer breiten Öffentlichkeit nahe. Der
kritische und aufschlussreiche Kommentar Chmelnizkis befasst
sich mit Leben und Werk Miljutins vor dem Hintergrund der
stalinistischen Politik. Er behandelt auch die internationale
Rezeption des Städtebaukonzepts, das den modernen Städtebau
weltweit nachhaltig beeinflusst hat. Denn während Miljutins
Städtebautheorie mit den Prinzipien der stalinistischen
Architektur , die nach 1932 in der UdSSR galten, nicht vereinbar
war, gelangten Anfang der Dreißigerjahre einige Exemplare über
die sowjetischen Grenzen hinaus und verhalfen Miljutins Thesen
in späteren Jahren zu weltweiter Aufmerksamkeit. So zählt
Sozgorod heute zu den wenigen städtebautheoretischen Schriften
der Sowjetunion, die auch international bekannt geworden sind.
In „Sozgorod. Probleme des Planens sozialistischer Städte.
Grundlegende Prinzipien bei der Planung und beim Bau von
Siedlungen in der UdSSR“, so der Originaltitel, finden sich
wegweisende Gedanken zu Architektur und Städtebau. Unter
Berufung auf Mojsej Ginsburg und Le Corbusier erläutert Miljutin
das Sozialprogramm, das der sowjetischen Idee der
sozialistischen Städte zugrunde liegt – eine Art verbindliche
städtebauliche Anordnung, die sich in der Realität ungewollt als
Gegenentwurf zu Stalins Plänen offenbarten. Es war der
vergebliche Versuch, die Visionen der sowjetischen Architekten
und Stadtplaner in den gewaltigen Industrialisierungsprozess des
Landes zu integrieren. Sozgorod ist eines der letzten der im
Geiste des Konstruktivismus verfassten sowjetischen Bücher und
ein wichtiger Beitrag innerhalb der bis heute wenig erforschten
Diskussion über den Bau sozialistischer Arbeitersiedlungen, die
Ende der Zwanzigerjahre im Kontext von Stalins Generalplan
Architectural Guide Caracas
Über
Caracas weiß man in Europa recht wenig – abgesehen von den
politischen Konflikten, Protesten und gewalttätigen Unruhen, von
denen die Hauptstadt Venezuelas derzeit heimgesucht wird. Der
Graben zwischen arm und reich sitzt tief in der Gesellschaft und
ist dort so alltäglich wie die von der Moderne hinterlassenen,
grandiosen Gebäude aus einer Zeit, in der das Ölgeschäft noch
boomte. Obwohl Venezuela über die größten Ölreserven der Welt
verfügt, leben heute mehr als 75 Prozent der Bevölkerung unter
der Armutsgrenze.
Dies
spiegelt sich in Caracas, die vor allem eine Stadt der Kontraste
ist. Der Architectural Guide Caracas veranschaulicht die
Komplexität der 1567 gegründeten, lateinamerikanischen Stadt.
Bestimmt durch die Ávila Gebirgskette und die Küstenlinie
treffen verschiedene Maßstäbe, Geografien, Architekturstile
sowie natürliche und urbane Landschaften aufeinander – und
dennoch oder gerade deshalb bildet Caracas eine zusammenhängende
Identität. Dieser Titel umreißt die Geschichte der Stadt von
etwa 1600 bis heute. Die Autoren stellen gut 140 Bauten und
Stadträume in zehn Stadtgebieten von Caracas, einschließlich der
Küsten- und Gebirgsregion vor. Der Schwerpunkt liegt dabei auf
den Fünfziger- und Sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts, die
ungewöhnliche lokale Interpretationen der Moderne hervorgebracht
haben. Zu ihrer Zeit erregten diese Bauten viel Aufmerksamkeit
in Architektenkreisen – auch aufgrund einer viel beachteten
Ausstellung im Museum of Modern Art in New York, die die
lateinamerikanische Architektur seit 1945 erfasste. Doch
allmählich beginnt dieses Erbe zu verblassen, sodass man Caracas
bereits als modernen Klassiker bezeichnen könnte. Der „Ciudad
Universitaria de Caracas“, die von Carlos Raúl Villanueva von
1940 bis 1960 entworfen wurde, ist ein eigenes Kapitel gewidmet.
Darüber hinaus werden einige aktuelle Bauten vorgestellt, ebenso
wie die von Architekten und Stadtplanungsexperten, etwa von
Federico Vegas und María Isabel Peña, vorgeschlagenen Konzepte
mit Blick auf künftige Initiativen, die die Stadt verändern und
verbessern können.
Nach den bereits veröffentlichten Bänden zu Mexico City (E),
Havanna, Chile (E) und Brasilien (E) erweitert DOM publishers
die Reihe der Architekturführer um eine weitere
lateinamerikanische Region. In Planung ist derzeit auch ein
Architekturführer zu Lima.
www.dom-publishers.com/collections