Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert neues Koselleck-Projekt
an der Goethe-Uni: Prof. Thomas Ede Zimmermann sucht neue
Methoden der Analyse von Sätzen. Mit Beginn des Jahres 2018 geht
das Projekt an den Start. Das Vorhaben unter der Leitung des
Linguisten Prof. Thomas Ede Zimmermann befasst sich mit dem „Propositionalismus
in der linguistischen Semantik“. Mit dieser Förderlinie
unterstützt die DFG Wissenschaftler mit kühnen Ideen und Mut zum
Risiko.
Wie versteht der Mensch sprachliche Inhalte? Dass sich der Sinn
nicht allein aus einzelnen Wörtern ergibt, dürfte allgemein
bewusst sein. Die formale Semantik befasst sich mit der Frage,
welche Rolle die Grammatik bei der Vermittlung von Bedeutung
spielt. Prof. Thomas Ede Zimmermann und sein Team haben sich zum
Ziel gesetzt, die theoretischen Grundlagen hierfür zu klären,
indem sie sich kritisch mit der so genannten
propositionalistischen Hypothese befassen. Diese geht davon aus,
dass jede Bezugnahme auf sprachliche Inhalte letztendlich auf
der grammatischen Einbettung von Sätzen basiert. Liberalere
intensionalistische Ansätze jedoch bauen darauf auf, dass
Informationsinhalte prinzipiell beliebigen Arten von Ausdrücken
zukommen. „Wir erwarten, dass sich die propositionalistische
Hypothese – je nach Präzisierung – entweder als aus formalen
Gründen trivial oder als empirisch inadäquat erweisen wird“, so
Zimmermann. Letztlich wolle man auch Alternativen zum
Propositionalismus finden. Ob dies gelingen wird, sei offen. Für
das Projekt stehen bis Ende 2022 insgesamt 1,25 Millionen Euro
zur Verfügung.
Eine wichtige Rolle spielt bei dem Projekt der Unterschied
zwischen extensionalen und intensionalen grammatischen
Konstruktionen. Extensionale Konstruktionen zeichnen sich
dadurch aus, dass man in ihnen bezugsgleiche Namen und
Beschreibungen füreinander ersetzen kann, ohne dass sich am
Wahrheitsgehalt der Gesamtaussage etwas ändert. Relativsätze,
die eine ebenfalls von Zimmermann geleiteten Forschergruppe seit
Jahren eingehend untersucht, sind ein Beispiel für solche
extensionale Konstruktionen. So kann der Satz ‚Der Betrüger, der
aus Wiesbaden stammt, ist flüchtig’ nicht falsch werden, wenn
man den Ortsnamen durch die Beschreibung ‚[aus] der Hauptstadt
Hessens’ ersetzt. Bindet man Objektsätze an sogenannte
Einstellungsverben wie ‚wissen’ und ‚meinen’ an, ist dies eine
intensionale Konstruktion: Im Satz ‚Fritz weiß, dass der
Betrüger aus Wiesbaden stammt’ ist die Ersetzung des Ortsnamens
nicht unbedingt legitim; denn Fritz könnte ja falsche
Vorstellungen von der Hauptstadt Hessens haben (oder gar keine).
Diese Unterscheidung zwischen extensionalen und intensionalen
Konstruktionen ist Zimmermann zufolge zentral: Während sich
erstere mit einfachen mengentheoretischen Mitteln erfassen
lassen, erfordern letztere die Einbeziehung ungleich komplexerer
Operationen der Informationsverarbeitung.
Typischerweise sind an intensionalen Konstruktionen (ganze oder
auch unvollständige) Sätze beteiligt – wie im Fall der oben
erwähnten Objektsatz-Anbindung. Einer einflussreichen Tradition
zufolge ist dies kein Zufall: Nach propositionalistischen
Analysen ist Intensionalität stets eine Folge von
Satzeinbettung, auf die sich scheinbare Gegenbeispiele durch
geeignete Paraphrasen zurückführen lassen. In der formalen
Semantik werden solche Konstruktionen oft als eine verdeckte
Satzeinbettung behandelt. Das Frankfurter
Propositionalismus-Projekt ist nun der allgemeinen Frage
gewidmet, inwieweit sich die propositionalistische Strategie auf
beliebige intensionale Konstruktionen beliebiger Sprachen
anwenden lässt.
Dabei geht es nicht nur um die Auffindung und Analyse
potenzieller Gegenbeispiele. Das für Koselleck-Projekte
charakteristische Risiko lauere vor allem in der Theoriebildung,
so Zimmermann. Denn bisherige Versuche in dieser Richtung haben
gezeigt, dass sich durch den Einsatz algebraischer
Kodierungstechniken scheinbare Gegenbeispiele in aller Regel so
umformulieren lassen, dass dem Propositionalismus zumindest dem
Buchstaben nach Genüge getan wäre. Um dem auf den Grund zu
gehen, bedarf es interdisziplinärer Expertise aus Linguistik,
Logik und Sprachphilosophie, die der Projektleiter und seine
(zunächst) vier Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und einer Reihe
von internationalen Kooperationspartnern einbringen werden.