Zwei Neuerwerbungen ins Romantikmuseum

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Johan Christian Clausen Dahl, Der Vesuv, gesehen vom Posillipo, Ölskizze, 7 x 11,3 cm, 1847

Zwei neue Romantiker im Freien Deutschen Hochstift wurden am 08. November im Goethemuseum in Frankfurt am Main vorgestellt, dort befindet sich die Gemäldegalerie, die dort noch bis zur Eröffnung des Romantik-Museums, das sich gerade im Bau befindet, ihren Platz hat. Im Romantik-Museum soll ein Zeitraum von der Französischen Revolution, soll im Flur des neuen Museums stattfinden, bis in das Jahr 1859, dem Todesjahr von Bettine von Arnim und zugleich Gründungsjahr des Freien Deutschen Hochstifts präsentiert werden. Erworben wurde eine kleine Ölskizze, Größe 7 x 11,3 cm, des Norwegers Johan Christian Clausen Dahl aus dem Jahre 1847. Abgebildet ist der Vesuv, mit Rauchsäule den Himmel verdunkelnd. Das andere ist ein literaturhistorisch wertvolles Briefgedicht von Novalis, vom 18. Mai 1789, geschrieben an den Sturm und Drang Dichter Gottfried August Bürger.

 

Die Direktorin des Freien Deutschen Hochstifts, Prof. Dr. Anne Bohnenkamp, betonte die Bedeutung der beiden neu hinzugekommenen Stücke, die exemplarisch auf die thematisch wie künstlerische große Spannbreite der im Hochstift verwahrten Romantiksammlung verweisen. Sie zeigte sich erfreut und dankbar, dass sich auch in diesem Fall renommierte Stiftungen bereitgefunden haben, die Sammlungserweiterung möglich zu machen. Der kommissarische Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, Prof. Dr. Frank Druffner, die Geschäftsführerin der Hessischen Kulturstiftung, Eva Claudia Scholtz, Herr von Lersner und Frau Brandis (Cronstetten-Stiftung) bestätigten das Interesse ihrer Stiftungen an der Förderung wichtiger Sammlungsergänzungen, nicht zuletzt im Hinblick auf das entstehende Deutsche Romantik-Museum.

 

 

Den Ankauf der Ölskizze für das Museum und zur Sammlungsergänzung hatte Dr. Mareike Hennig, Leiterin Goethe-Haus, Goethe-Museum und Kunstsammlungen, getätigt. Im Hintergrund Dr. Konrad Heumann, Leiter der Handschriften-Abteilung

 

Die Ölskizze des norwegischen Romantikers Johan Christian Clausen Dahl aus dem Jahr 1847 erweitert den Bestand zur romantischen Landschaftsmalerei um ein ganz besonderes Werk. Im kleinen Format zeigt Dahl ein typisches Motiv italienreisender Künstler im 19. Jahrhundert: den Blick vom Posillipo über die Bucht von Neapel auf den rauchenden Vesuv. Für die kleine, doch sehr hochwertige Gemäldesammlung des Freien Deutschen Hochstifts und des Frankfurter Goethe-Museums stellt Dahls Vesuv in mehrfacher Hinsicht eine ideale Ergänzung dar. Mit Werken von Caspar David Friedrich und Carl Gustav Carus liegt der Schwerpunkt hier vor allem auf der Dresdner Landschaftsmalerei. Eine Ölskizze Carl Blechens, die sich bisher optisch nicht leicht in diesen Kontext einfügte, vermag durch die neu hinzugekommene Ölskizze Dahls nun eine augenscheinliche Brücke von Friedrich zu Blechen zu schlagen.„Die Ölskizze von Dahl“. So Dr. Hennig, schließe nicht nur eine offene Lücke; sie eröffne auch neue Wege in die europäische Romantik – Das Bild wurde von Dahl für seine Freundin und Gönnerin Wilhelmine von der Decken als Geschenk angefertigt. Besonders an seiner Vesuvansicht ist, dass es keine Kopie nach einem bereits bestehenden Gemälde, sondern eine eigene freie, kleine Komposition ist. Vor der Auktion befand sich das Bild lange in Privatbesitz eines norddeutschen Sammlers, davor gehörte es zur Sammlung Georg Schäfer in Schweinfurt. Erworben wurde es mit Mitteln der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Hessischen Kulturstiftung und der Kulturstiftung der Länder.

 

 

Das Briefgedicht von Friedrich von Hardenberg an Gottfried August Bürger vom 18. Mai 1789 wirft ein bemerkenswertes Schlaglicht auf die literarische Orientierung des 17jährigen Schülers, der wenige Jahre später mit seinem Pseudonym ‚Novalis‘ zu einem der Begründer der literarischen Romantik wurde. Bevor Hardenberg 1790 nach Jena ging und dort mit Schiller, Tieck, Schelling und den Brüdern Schlegel verkehrte, lebte er bei seinen Eltern in Weißenfels an der Saale (Herzogtum Sachsen-Weißenfels). Dort kam ihm im Mai 1789 zu Ohren, dass im nahegelegenen Langendorf Gottfried August Bürger zu Gast war. Bürger war 25 Jahre älter als Hardenberg und als Autor der Schauerballade ‚Lenore‘ (Erstdruck 1778) einer der Hauptvertreter des Sturm und Drang. Hardenberg umwarb ihn mit schwärmerischen Gedichten. Das erste dieser Gedichte, ein Faltbrief mit Anschrift und Siegel, konnte nun aus dem Handel erworben werden (ein zweites besitzt das Hochstift bereits seit 1956). In pathetischen Versen benennt Hardenberg hier seine Vorbilder, die ihn zum Dichter gemacht haben: Horaz, Wieland und eben Bürger, den „Volksdichter“, der Leser in allen Schichten hatte. Zwei Jahre später allerdings schlug sich Hardenberg auf die Seite Schillers, der ebenfalls als Parteigänger Bürgers begonnen hatte, diesem aber 1791 in einer berüchtigten Rezension mangelnde sittliche Reife nachsagte, die ihm zum wahren Künstlertum fehle. So überwand auch Hardenberg seine Sturm- und Drangphase. Der Ankauf wurde ermöglicht durch die Kulturstiftung der Länder, die Cronstett-Hynspergische Evangelische Stiftung, die Rudolf-August Oetker-Stiftung, die Hessische Kulturstiftung und die FAZIT-Stiftung.

 

Abschrift des Gedichtbriefes:

 

Friedrich von Hardenberg (Novalis} an Gottfried August Bürger, Weißenfels,  18. Mai 1789

{FDH Hs-31196}

 

An den Herrn Professor Bürger.

 

Ein Brief ward mir, von jener Hand geschrieben,
Die einst Lenoren schrieb und mit Horneren rang,
Und sauren Ehrenkranz um Deine Stirne schlang,

Die frey und deutsch stets unbewölkt geblieben,

Der Hand, die zu dem tiefgefühltesten Gesang,

Den alle Enkel Manas lieben,
Die reingestimmte Leyer zwang.
Ich freute mich, da keimte mir im Busen
Dis Lied, denn die Gefühle wurden Musen,
Die Freude gab den Ton, und jede Nerve klang,
Bis es aus der schon oft geübten Feder sank.
Doch rechne nicht darob mich zu den Dichterlingen,
Die stantepe sechshundert Reime singen,
Und denen Freund Horaz noch einen Jambus lehrt,
Der, Wieland, Freund und Du, verzeih den trauten Namen,
Ihr streutet mir ins Herz den holden Dichtersamen
Der, wenn ihn Unkraut nicht verzehrt,
Vielleicht dereinst mit reifer Frucht beschwert
Mit einem Kränzchen mehr die unsterblichen Locken euch schmücket;
Gedencke nur im Jahre einmal mein
Das ist mein Wunsch zulezt, der mich entzücket,
Denn zu der seltnen Kunst des Lebens froh zu seyn
Selbst wenn der Neid die giftgen Zähne wetzet,
Und zwischen Klippen, wo der gröste Haufen bebt,
Die Kunst die Flakkus über alles schätzet
Und über sie nicht Gold, nicht Fürstenliebe setzet,
Hat ja die Parze Dir auch Güte eingewebt.
Sie sehen meine Unbescheidenheit, daß ich
es wage, Sie sogar mit schlechten Reimen
zu belästgen, doch schieben Sie die Schuld
auf meinen Enthusiasmus, der gewiß so
groß ist als die Hochachtung mit der ich
verharre
                                 Dero

 

Weißenfels                                       gehorsamer Diener

am 18ten May                               Friedrich von Hardenberg

1789.

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 14. November 2017