Frankfurter Schirn bis 21. Januar 2018

Diorama - Die Erfindung einer Illusion

Foto (c) Kulturexpress

 

 

   

Die Ausstellung in der Schirn beschäftigt sich mit einer ausgefallenen Kunstgattung. Dunkle Räume durchwandert der Besucher immer ereignisreiche Szenen im Blick. Ein Sammelsurium an Kuriositäten bietet sich so. Darunter sind viele Tiere, die in Pose harren und in einem Schema Jäger zu Gejagtem in Umsetzung gebracht wurden. Fletschende Raubtierzähne beißen sich ins Fleisch des Opfers, um so im Würgegriff zu enden. Solche Szenerien gehören häufig zum Inventar von Jagdhäusern. Geweihe oder ausgestopfte Tiere enden häufig als Jagdtrophäe, die dann demonstrativ zur Schau gestellt wurden. Diese Kunst legt dem Betrachter somit plastisch Nahe, was Sinn und Zweck einer Jagd ist.

 

 

Derartige Darstellungen passten in die Kuriositätenkabinette der vergangenen Jahrhunderte. Auch gewaltfreie Szenen kommen vor. Zuerst waren es vor allem religiöse Szenen, die ein Bild ihrer Anschauung vermitteln wollten. Dabei spielen Darstellungen der katholischen Kirche mit ihrer reichen Bilderwelt eine besondere Rolle. 

 

Die moderne Kunst hat das Diorama in seiner mehrdimensionalen Ausprägung längst für sich entdeckt. Die Unterscheidung zwischen altem und neuem Exponat ist dabei gar nicht so entscheidend. Vielmehr ist der Überraschungseffekt von Bedeutung, die Art und Weise wie der Besucher den Raum betritt, welche Blicke zuerst und in welchem Winkel auf das Objekt treffen und was dort an Besonderheiten zu erwarten ist. Es gibt Dioramen in geschlossenen Kästen, die wie durch ein Schaufenster betrachtet werden. Es gibt sie aber auch als Interieur mit bühnenähnlichen Aufbauten vor leinwandgroßer Kulisse postiert. Wieder andere sind wahre Kabinettstücke, die den Betrachter ins Staunen versetzen. Ein vielfältiges Angebot das aus künstlerischer Sicht unbedingt ausbaufähig ist. Die dritte Dimension erlaubt ganze Skulpturen zu integrieren. Die Möglichkeit zur Gesellschaftskritik besteht, zum Beispiel wenn es darum geht Müllberge auf Deponien als Diorama darzustellen oder eine Behausung in den Slums mit all ihrer Enge und Bedürftigkeit nachzubauen. Wobei der Aspekt der Konservierung doch sehr im Vordergrund steht, denn es geht stets um eine realistische Nachbildung aus der Wirklichkeit. Die Möglichkeit zur Veränderung liefert das Diorama zunächst nicht, außer wenn diese als Modellansicht gesehen wird, die zur Veränderung beitragen will.

 

Zurück zu Ausstellung in der Schirn, die gewiss nicht harmlos ist, sondern auf subtiler Ebene mit unterschwelligen Ängsten und Begierden agiert, die im vorbeiziehenden Besucher ganz heimlich schlummern. Eine Überlagerung aus Kunstverständnis und Neugier ergibt sich beim Betrachten. Die Übersteigerung ist ähnlich wie in Grusel- oder Wachsfigurenkabinetten oder abgelegenen Winkeln der naturkundlichen Museen. Besonders entrückt ist die Darstellung einer nackten Puppe mit gespreizten Beinen, die auf einem Bettlager liegt und sowohl durch zwei Gucklöcher in einer Holzbretterwand betrachtet werden kann, als auch im Vorübergehen an der Installation zur Schau steht. 

 

Eine Ausstellungsrezension von Kulturexpress

 

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Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 18. Oktober 2017