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Kuratiert haben die Ausstellung Felix Krämer, der ab Oktober die Stelle als Generaldirektor am Museum Kunstpalast in Düsseldorf antreten wird, und Ko-Kurator Daniel Zamani (Städel Museum). „Nach der Ausstellung ‚Monet und die Geburt des Impressionismus‘ (2015) widmet sich das Städel Museum erneut einem spannenden Kapitel der französischen Kunstgeschichte, der über 40 Jahre andauernden Freundschaft zwischen Henri Matisse und Pierre Bonnard“, erläutert Felix Krämer. „Die Ausstellung ermöglicht es, den kreativen Dialog der beiden Ausnahmekünstler nachzuvollziehen. Es ist lange her, dass so viele Hauptwerke dieser bedeutenden Maler in Deutschland zu sehen waren.“
INTERVIEWFRAGEN:
Warum zeigt das Städel Museum gerade jetzt eine Ausstellung
zu Matisse und Bonnard?
Felix Krämer: Impulse zu unseren Sonderausstellungen
gehen immer direkt aus unserer ständigen Sammlung hervor, wobei
die französische Moderne einen unserer traditionellen
Schwerpunkte bildet. Mit Matisse' Blumen und Keramik (1913) und
Bonnards Liegender Akt auf weißblau kariertem Grund (um 1909)
verfügen wir über bedeutende Werke der beiden Maler. ln
Anbetracht ihrer 40-jährigen Künstlerfreundschaft lag der
Gedanke nahe, das Schaffen der zwei Kollegen erstmals intensiv
in einem Dialog zu beleuchten. Am 3. Oktober 2017 steht zudem
der 150. Geburtstag von Bonnard an - ein perfekter Zeitpunkt
also, um ihn gemeinsam mit seinem engsten Künstlerfreund zu
feiern.
Wie genau hat sich die Rezeption von Bonnard denn in den
letzten Jahren verändert?
Felix Krämer: Lange Zeit war Bonnard als ein spätes
Schlusslicht des Impressionismus verkannt, als ein komplett aus
der Zeit gefallener Maler des Glücks. Erst in den letzten Jahren
hat man begonnen, sich auch verstärkt mit den Brüchen,
Spannungen und lnkongruenzen in seinem Werk auseinanderzusetzen
- mit der dunklen Seite Bonnards. ln vielen seiner spannendsten
Gemälde schwingt ein Unterton mit, eine gewisse Metaphorik der
Beunruhigung. ln unserer Ausstellung zeigt sich das bei seiner
obsessiven Auseinandersetzung mit seiner Frau Marthe: Immer
wieder inszenierte er sie als ein rätselhaftes und letztlich
unergründliches Wesen, dem trotz seiner Sinnlichkeit auch
unheimliche Züge innewohnen. Auch hierin liegt ein bedeutender
Unterschied zu Matisse, dessen Odalisken-Bilder von einer
schwelgerisch-verträumten Atmosphäre geprägt sind - Kammerspiele
voll glühender Farbigkeit, die denkbar weit von den
melancholischen Badebildern Bonnards entfernt sind.
Woher kam die Idee, die beiden Künstlerfreunde Matisse und
Bonnard in einer Ausstellung zusammenzubringen?
Felix Krämer: Matisse und Bonnard sind zwei der
wichtigsten Maler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die
Künstlerfreundschaft ist aber nur wenigen präsent. Ihre Arbeiten
sind über 40 Jahre hinweg in einem engen Austausch entstanden.
Interessant ist, dass die beiden nach dem Krieg komplett
unterschiedlichen Lagern zugeordnet wurden: Matisse wird in den
Museen ins 20., Bonnard meist als „verspäteter Impressionist“
ins 19. Jahrhundert gesteckt – dabei liegen zwischen ihnen nur
zwei Lebensjahre. Unser kunsthistorisches Anliegen ist es
einerseits, Bonnard aus seiner Schublade rauszuholen. Er hat
genauso viel für die Kunstgeschichte der letzten 70 Jahre
beigetragen wie Matisse. Darüber hinaus wollen wir mit der
Ausstellung aber auch zeigen, dass die Werke beider Künstler
voneinander profitieren, wenn man sie gemeinsam betrachtet. Man
sieht sie anders und man sieht in beiden mehr.
Außerhalb Frankreichs ist Matisse wohl mehr Menschen ein
Begriff als Bonnard. Wieso ist Matisse international so populär?
Und Bonnard nicht weniger spannend?
Felix Krämer: Warum Matisse beliebt ist, mag damit
zusammenhängen, dass seine Bilder leichter zu verstehen sind.
Sie wollen dich im ersten Moment gefangen nehmen. Das ist nicht
Bonnards Ziel. Es gibt kaum einen Künstler, den ich persönlich
so spannend finde wie ihn. Seine Bilder bleiben in der Schwebe,
sie sehen jedes Mal anders aus. Der Kunsthistoriker Jean Claire
hat einmal gesagt, das Betrachten eines Bonnard-Gemäldes sei wie
das „erste Sehen“, als würde man ohne Vorerfahrung die Welt
betrachten. Ich finde, das trifft es sehr gut. Bei Bonnard hat
jeder Gegenstand die gleiche Bedeutung, alles wird mit derselben
Hingabe festgehalten. Aber er braucht einen Betrachter, der
Geduld hat, der gerne schaut und sein eigenes Sehen reflektiert.
Das Interesse an Bonnard ist in den letzten Jahren übrigens sehr
gestiegen, vielleicht liegt das an der Schnelllebigkeit der
Bilder. Ich denke, er kommt einem Bedürfnis nach Innehalten sehr
entgegen.
Dennoch waren Matisse und Bonnard offenbar völlig
gegensätzliche Künstlertypen. Was unterscheidet sie genau
voneinander?
Felix Krämer: Matisse war ein „Künstleralphatier“, die
Fortsetzung eines Malerfürsten im 20. Jahrhundert. Er
präsentierte sich wahnsinnig selbstbewusst in einem
entsprechenden Umfeld. Bonnard war das Gegenteil: zart,
schlaksig. Auf Fotos sitzt er in der Ecke und will eigentlich
gar nicht gesehen werden. Das spiegelt sich auch in der Kunst
wieder. Bilder von Matisse sind Setzungen, sie sind klar und
dringen sofort ins Gedächtnis ein. Bonnard zaudert. Er sagt
etwas, zieht es aber sofort wieder zurück, hält eine Form fest,
und korrigiert sie wieder.
Worüber haben sich Matisse und Bonnard künstlerisch
ausgetauscht?
Felix Krämer: Wir waren ja nicht dabei. Das Problem ist,
dass wir nur Briefe haben, die sie sich primär dann schreiben,
wenn sie sich nicht sehen. In den Zeiten, in denen sie sich
regelmäßig treffen, gibt es vor allem die Kunst. Genau hier
setzt die Ausstellung an: Wir wollen Matisse und Bonnard beim
Austausch, das heißt vor allem beim Malen über die Schulter
schauen. Die Werke sollen zueinander sprechen.
Felix, für dich ist es nach über neun Jahren die letzte
Ausstellung als Sammlungsleiter der Moderne hier am Städel.
Welche Bedeutung hat Bonnard – Matisse in der Reihe deiner
Ausstellungen?
Felix Krämer: Am Anfang war es mir gar nicht so klar,
aber tatsächlich ist das meine erste Ausstellung, die ohne
„Stachel“ funktioniert. Bei allen anderen Ausstellungen habe ich
immer auch nach Reibungspunkten gesucht, selbst unsere
Monet-Ausstellung hatte einen dramatischen politischen
Hintergrund. Bei Matisse – Bonnard geht es wirklich „nur“ um den
freundschaftlichen Dialog, das ist als Sammlungsleiter schon ein
schöner Abschluss. Zudem ist mir Bonnard als Künstler sehr
wichtig. Ich kann schon sagen, dass die Ausstellung ein
richtiges Herzensprojekt für mich ist.
Die Fragen stellte Sarah Omar, sie arbeitet in der
Onlinekommunikation. Die Ausstellung „Matisse – Bonnard. ‚Es
lebe die Malerei‘“ läuft bis zum 14. Januar 2018 im Städel
Museum.