Sönke
Iwersen, Leiter des Handelsblatt Investigativ-Teams, wird
mit dem renommierten Kurt Tucholsky-Preis für literarische
Publizistik 2017 ausgezeichnet. Er erhält die Ehrung für seine
am 7. September 2016 veröffentlichte Reportage "Edward Snowden -
Schutzengel ganz unten". Darin beschreibt Iwersen die zuvor
unbekannte Geschichte des Fluchtwegs von Edward Snowden aus
Hongkong - und die Geschichte der Helfer, die sein Leben
retteten.
Der
ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Snowden lüftete am 9. Juni
2013 das größte Geheimnis des US-Sicherheitsapparates.
Ausgerechnet diejenigen, die die Bevölkerung vor Angriffen von
außen schützen sollten, überwachten ohne Rechtsgrundlage ihre
eigenen Bürger sowie Millionen von Einwohnern verbündeter
Staaten. Mit seiner Enthüllung löste Snowden ein weltweites
politisches Beben aus.
Dann
verschwand Snowden. Zwei Wochen lang suchten der
US-Geheimdienst, die Polizei in Hongkong und zahllose
Journalisten nach dem Whistle-Blower. Keiner fand ihn. Erst am
23. Juni 2013 sah die Welt Snowden wieder - am Flughafen von
Hongkong. Der Amerikaner verschwand durchs Gate, in seiner Hand
ein Ticket nach Moskau. Dort versteckt sich Snowden seitdem vor
den US-Behörden.
Für die
Handelsblatt-Reportage begab sich Sönke Iwersen auf Spurensuche
in Hongkong. Er deckte auf, wie dem Ex-Geheimdienstmitarbeiter
seine Flucht aus der chinesischen Metropole gelang und wo er
sich in dieser Zeit versteckt hielt: bei Asylbewerbern aus Sri
Lanka und den Philippinen, die eins mit ihm gemeinsam hatten -
auch sie waren Flüchtlinge. Sie ließen Snowden in ihren Betten
schlafen, gaben ihm zu essen und erledigten Botengänge für ihn.
Für das
Handelsblatt schilderte Snowden 2016 erstmals die dramatischen
Details seiner Zeit im Untergrund und seine Dankbarkeit für
seine Helfer. "Meine Geschichte könnte sehr viel trauriger sein,
wenn es diese Menschen nicht gegeben hätte", sagte Snowden.
"Alles, was ich über Mut und Tapferkeit zu wissen glaubte, war
nichts gegen das, was ich in Hongkong erlebte."
Nach
Auffassung der Jury "verbindet das Dossier 'Schutzengel - ganz
unten' von Sönke Iwersen investigative Recherche mit der
Empathie der literarischen Reportage. Iwersen bereiste einen
Ort, der in der global thematisierten Snowden-Affäre erstaunlich
unbesehen blieb: Er besuchte die Wohnsilos von Hongkong, in
denen der Whistleblower Edward Snowden im Juni 2013 für zwei
Wochen Unterschlupf fand. Sprachlich prägnant und dramaturgisch
pointiert gibt Iwersen den vier Asylsuchenden, die Snowden trotz
eigener prekärer Lage Schutz boten, einen Namen und eine
Herkunft. Und er gibt ihnen Würde, indem er in wechselnder
Perspektive darlegt, was sie in die so genannte illegale
Migration trieb."
Weiter
heißt es in der Begründung der Jury: "Iwersens im Handelsblatt
veröffentlichte Reportage steht beispielhaft dafür, wie auch
eine Wirtschaftszeitung die dunkelsten Nischen der
Globalisierung ausleuchten kann. Der Blick hinter die Fassaden
Hongkongs verknüpft unser Zeitalter weltweiter Aus- und
Einwanderung mit einer unbekannten Episode der Snowden-Affäre.
Diese Verquickung im Zeitalter weltweiter Überwachung ist
engagiert, originell, aufklärerisch - und deshalb preiswürdige
Publizistik in bester Tradition Kurt Tucholskys."
Der Preis
wird von der Berliner Tucholsky-Gesellschaft verliehen und
zeichnet politisch engagierte und sprachlich prägnante Werke der
literarischen Publizistik aus, die sich im Sinne des
Namensgebers kreativ und kritisch mit zeitgeschichtlichen
Entwicklungen und Vorgängen auseinandersetzen. Zu den früheren
Preisträgern zählen u.a. der inhaftierte Journalist Deniz Yücel
(2011), der Schriftsteller Erich Kuby (2005), der Journalist
Heribert Prantl (1996) und der Liedermacher Konstantin Wecker
(1995). Die Preisverleihung 2017 findet am 22. Oktober in Berlin
statt.
Sönke Iwersen schreibt seit 2006 für das Handelsblatt und leitet seit 2012 das Ressort Investigative Recherche. Für seine Arbeit wurde er bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Friedrich-Vogel-Preis für Wirtschaftsjournalismus (2010), dem Deutschen Journalistenpreis (2011), dem Georg von Holtzbrinck Preis für Wirtschaftspublizistik (2011), dem Henri-Nannen-Preis (2013) sowie 2012 und 2015 mit dem Wächterpreis der Tagespresse. Zudem wurde er 2011 zum Wirtschaftsjournalisten des Jahres gekürt.
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