Begleitend zur zehnten künstlerischen Verhüllung
des Ringturms im Sommer 2017, für die der serbische Künstler
Mihael Milunović gewonnen werden konnte, widmet sich der Wiener
Städtische Versicherungsverein im Rahmen seiner Reihe
„Architektur im Ringturm“ dem architektonischen Wirken von
Aleksej Brkić (1922–1999). Brkić zählt zu den bedeutendsten
Architekten im Belgrad der Nachkriegszeit und gilt als wichtiger
Wegbereiter der serbischen Moderne. Die Schau
präsentiert zahlreiche Bauten des Belgrader Architekten, die
heute zu den Eckpfeilern der Architektur Serbiens in der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts zählen.
Zeitgleich mit der Ausstellung sind im Ausstellungszentrum auch
Werke von Mihael Milunović zu sehen und auch das Schaffen von
Robert Hammerstiel, der im serbischen Vršac geboren wurde und
2007 für die Ringturmverhüllung verantwortlich zeichnete, wird
beleuchtet.
Aleksej Brkić – Architekt in Belgrad 12. Juni 2017 bis 8.
September 2017
Kuratoren: Adolph Stiller, Bojan Kovačević (Präsident der
Akademie der Architektur Serbiens) Ausstellungsort:
Ausstellungszentrum im Ringturm Schottenring 30, 1010 Wien
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag: 9:00 bis 18:00 Uhr, freier
Eintritt (an Feiertagen geschlossen)
Aleksej Brkić (1922–1999) ist die zentrale Persönlichkeit
der Neo-Avantgarde in der serbischen Architektur der 1960er und
1970er Jahre. Vergleichbar mit ihm ist Bogdan Bogdanović, wobei
sich Bogdanović der Theorien der Stadt und der
Gedächtnisskulptur widmete. Für die heutigen Architekten
unterscheiden sich Brkić’ und Bogdanović, der die letzten zehn
Jahre seines Lebens in Wien verbrachte, etwa in ihrem
Provokationspotenzial: Aleksej Brkić nimmt durch die
Authentizität seiner Einstellung und seines Ausdrucks einen
besonderen Platz ein und ist eindeutig der wichtigste Rückhalt
für die autochthone Gestaltungskraft der Architektur der Moderne
in Serbien.
Eine logische, mitunter Gesetzen der Mathematik folgende,
funktionalistische Komposition, Proportion und Plastizität
kennzeichnen die Architektur Brkićʼ, die auch im internationalen
Vergleich höchsten Ansprüchen standhält.
Sein hoher Anspruch mag für die relativ geringe Zahl von
realisierten Werken verantwortlich sein. Zwei davon stehen unter
Denkmalschutz und zählen gemeinsam mit seinen anderen Bauten zu
den Eckpfeilern der Architektur Serbiens in der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts. Brkić arbeitete stets allein, dokumentiert
ist lediglich seine Nähe zu Bogdan Bogdanović in früheren
Jahrzehnten und später zu Aleksandar Keković. Zudem zeichneten
ihn Präzision, Beflissenheit und enorme Arbeitsdisziplin gepaart
mit viel Energie aus. Darüber hinaus pflegte er einen überaus
üppigen Umgang mit Farben.
Zeit seines Lebens war es Brkić auch ein großes Anliegen, in den
internationalen Kulturkontext eingebunden zu sein. Viele Ikonen
der klassischen Moderne ebenso wie zahlreiche historisch
bedeutsame Bauten hat er vor Ort begutachtet. Vor allem in
jüngeren Jahren zog es ihn an das östliche Mittelmeer und damit
an alle wesentlichen Punkte der Baukunst alter Zivilisation, der
Antike, des byzantinischen und osmanischen Mittelalters.
Allerdings wollte er seine Vorbilder unter keinen Umständen
formal kopieren, im Gegenteil: Er hinterfragte sogar die
Berechtigung der klassischen Moderne und ging auf Distanz zu
deren Auswüchsen oder gar doktrinärer Agitation. Mithilfe einer
eigens entwickelten, reflektierten, ganz persönlichen
Entwurfstheorie hat er sich durch kritisches Hinterfragen der
Resultate der Moderne, aber ebenso durch eine individuelle
kritische Haltung gegenüber allzu offensichtlich modischen
Zeitströmungen in jede Bauaufgabe vertieft.
Schon früh beschäftigte sich Brkić zudem mit Architekturtheorie,
die er später auch an der Technischen Universität Belgrad
unterrichten sollte – gleich mehrere Publikationen sind Zeugnis
seiner theoretischen Beschäftigung mit der Architektur der
Öffentlichkeit. Er selbst studierte – mit Unterbrechungen – in
den Jahren von 1940 bis 1948 Architektur an der Technischen
Universität Belgrad. Während seiner Studiumszeit lernte er
Bogdan Bogdanović und Mihajlo Mitrović kennen, mit denen
zusammen er später das Dreigestirn der architektonischen
Nachkriegsmoderne in Belgrad darstellen sollte.
Zu seinen wichtigsten Professoren zählt Milan Zloković, eine der
Vaterfiguren der Moderne in der Hauptstadt des neuen,
südslawischen Staates nach dem Ersten Weltkrieg. Von Anfang an
hat die international-moderne sogenannte
„Stahl-Glas-Architektur“ – Ergebnis der heroischen
Erneuerungsphase der Zwischenkriegszeit – den jungen Brkić
beeindruckt.
Nicht zuletzt darf sein multikultureller Hintergrund nicht außer
Acht gelassen werden, der mit Sicherheit auch die
architektonische Persönlichkeit Aleksej Brkić maßgeblich geprägt
hat. Aleksej Brkić wurde 1922 in Kikinda, im Nordosten Serbiens,
geboren – in eine Familie, deren Ahnen aus verschiedensten
Nationen und Regionen stammten. Der Sohn eines Offiziers und
einer Deutschlehrerin genoss eine klassisch-polyglotte Bildung,
inklusive Klavierunterricht. Neben seiner Muttersprache Serbisch
sprach Brkić seit seiner Jugend gut Englisch und Deutsch, auch
Russisch und Latein waren ihm vertraut.
Architektonische Highlights von Aleksej Brkić
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Belgrader Gymnasium
Einer Ansiedlung kleiner Einzelbauten gleich hat Aleksej Brkić
dieses Belgrader Gymnasium in den Kontext der Einfamilienhäuser
einer relativ spät der Hauptstadt eingemeindeten, dörflichen
Struktur gesetzt.
Eine klare Anlage, durch gerade Stiegenläufe verbundene,
versetzte Niveaus, ein erinnerbarer innerer „Stadtplan“ durch
geradlinige, gut belichtete und farblich gestaltete Gänge
erschlossen, zeichnen diese Schule als hervorragenden
Bildungsbau aus.
Die Terrazzoböden der Eingangshalle und der Gänge sind durch
ihre farbliche Gestaltung, Unterteilung oder durch
Natursteineinlagen in abstrakten Mustern nobilitiert, deren
spezifische Geometrien die Perspektiven verstärken und entfernt
an Kelim-Teppiche erinnern. Zum Hof hin, der als Sportfläche
genutzt wird, orientiert sich eine wohlproportionierte
Fensterfassade, die wie alle Sprossenteilungen der Fenster an
diesem Bau eine eigenwillige, gezielte Positionierung sowie die
Abwechslung zwischen Fixteil und beweglichen Elementen ablesbar
macht. Die Hauswartwohnung wird durch einen abgesetzten und in
seinen Details spielerischer gehaltenen Bauteil abgegrenzt.
Hotel Jezero
Das heutige Hotel Jezero („Jezero“ – zu Deutsch „Wasser“) wurde
ursprünglich als Unterkunft für Ingenieure genutzt, die bei den
an nahen Stauseen errichteten Wasserkraftwerken tätig waren.
Brkić sah für jede Funktion einen definierten Baukörper vor, was
der Gesamtanlage die Charakteristik einer kleinen, dörflichen
Ansiedlung verleiht und sie maßstäblich gut in die Umgebung
einpasst. Verstärkt wird dies durch die konventionellen,
geneigten Dächer.
In diese Richtung geht auch die Bauausführung mittels lokaler
Materialien: In der Betonung verschiedener Partien durch
Natursteinmauern bzw. naturbelassene Holzwände liegt das
Spezifische dieses einzigen außerhalb Belgrads realisierten
Werkes des Architekten.
Büro- und Geschäftshaus „Hempro“
Auf einer durch die Bombardements in den Jahren 1944 bis 1945
frei gewordenen schmalen Innenstadtparzelle im vornehmen
Terazije-Viertel konnte Brkić seinen ersten Bau verwirklichen,
der von der Intensität der architektonischen Bearbeitung her
gleichzeitig sein Hauptwerk darstellt.
Besonderes Augenmerk hat der Architekt dabei auf die – auf den
ersten Blick – nüchtern zurückhaltende Fassade gelegt. Dem auf
Stützen, hinter denen die eigentliche Geschäftsfassade liegt,
ruhenden Erdgeschoß folgen mehrere, sich nach außen abbildende
Regelgeschoße auf klarem, funktionalistischem Grundriss.
Asymmetrisch in der durch bewusst sichtbare Sprossen in konziser
Geometrie gegliederten Glasfassade, die komplett nach Brkić’
Proportionsregeln entworfen ist, springt ein breiterer,
steinverkleideter Rahmen samt Balkon hervor, dem einerseits wie
jedem anderen Teil des Ganzen eine wichtige Kompositionsfunktion
zukommt, der aber auch die von Brkić in vielen Beispielen der
klassischen Moderne geschätzte Plastizität durch die dieserart
entstehenden, versetzten Ebenen verstärkt.
Katalog: Architektur im Ringturm XLVII: Aleksej Brkić –
Architekt in Belgrad Adolph Stiller (Hrsg.), rund 180 Seiten,
mit Beiträgen von Bogdan Bogdanović & Bojan Kovačević