Ausstellungsdauer 12. Juni bis 8. September 2017

Aleksej Brkić – Architekt in Belgrad

Meldung: Architektur im Ringturm, Wien

 
 

   

Begleitend zur zehnten künstlerischen Verhüllung des Ringturms im Sommer 2017, für die der serbische Künstler Mihael Milunović gewonnen werden konnte, widmet sich der Wiener Städtische Versicherungsverein im Rahmen seiner Reihe „Architektur im Ringturm“ dem architektonischen Wirken von Aleksej Brkić (1922–1999). Brkić zählt zu den bedeutendsten Architekten im Belgrad der Nachkriegszeit und gilt als wichtiger Wegbereiter der serbischen Moderne. Die Schau präsentiert zahlreiche Bauten des Belgrader Architekten, die heute zu den Eckpfeilern der Architektur Serbiens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählen.

Zeitgleich mit der Ausstellung sind im Ausstellungszentrum auch Werke von Mihael Milunović zu sehen und auch das Schaffen von Robert Hammerstiel, der im serbischen Vršac geboren wurde und 2007 für die Ringturmverhüllung verantwortlich zeichnete, wird beleuchtet.
 

Aleksej Brkić – Architekt in Belgrad 12. Juni 2017 bis 8. September 2017
Kuratoren: Adolph Stiller, Bojan Kovačević (Präsident der Akademie der Architektur Serbiens) Ausstellungsort: Ausstellungszentrum im Ringturm Schottenring 30, 1010 Wien
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag: 9:00 bis 18:00 Uhr, freier Eintritt (an Feiertagen geschlossen)

Aleksej Brkić (1922–1999) ist die zentrale Persönlichkeit der Neo-Avantgarde in der serbischen Architektur der 1960er und 1970er Jahre. Vergleichbar mit ihm ist Bogdan Bogdanović, wobei sich Bogdanović der Theorien der Stadt und der Gedächtnisskulptur widmete. Für die heutigen Architekten unterscheiden sich Brkić’ und Bogdanović, der die letzten zehn Jahre seines Lebens in Wien verbrachte, etwa in ihrem Provokationspotenzial: Aleksej Brkić nimmt durch die Authentizität seiner Einstellung und seines Ausdrucks einen besonderen Platz ein und ist eindeutig der wichtigste Rückhalt für die autochthone Gestaltungskraft der Architektur der Moderne in Serbien.

Eine logische, mitunter Gesetzen der Mathematik folgende, funktionalistische Komposition, Proportion und Plastizität kennzeichnen die Architektur Brkićʼ, die auch im internationalen Vergleich höchsten Ansprüchen standhält.

Sein hoher Anspruch mag für die relativ geringe Zahl von realisierten Werken verantwortlich sein. Zwei davon stehen unter Denkmalschutz und zählen gemeinsam mit seinen anderen Bauten zu den Eckpfeilern der Architektur Serbiens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Brkić arbeitete stets allein, dokumentiert ist lediglich seine Nähe zu Bogdan Bogdanović in früheren Jahrzehnten und später zu Aleksandar Keković. Zudem zeichneten ihn Präzision, Beflissenheit und enorme Arbeitsdisziplin gepaart mit viel Energie aus. Darüber hinaus pflegte er einen überaus üppigen Umgang mit Farben.

Zeit seines Lebens war es Brkić auch ein großes Anliegen, in den internationalen Kulturkontext eingebunden zu sein. Viele Ikonen der klassischen Moderne ebenso wie zahlreiche historisch bedeutsame Bauten hat er vor Ort begutachtet. Vor allem in jüngeren Jahren zog es ihn an das östliche Mittelmeer und damit an alle wesentlichen Punkte der Baukunst alter Zivilisation, der Antike, des byzantinischen und osmanischen Mittelalters.

Allerdings wollte er seine Vorbilder unter keinen Umständen formal kopieren, im Gegenteil: Er hinterfragte sogar die Berechtigung der klassischen Moderne und ging auf Distanz zu deren Auswüchsen oder gar doktrinärer Agitation. Mithilfe einer eigens entwickelten, reflektierten, ganz persönlichen Entwurfstheorie hat er sich durch kritisches Hinterfragen der Resultate der Moderne, aber ebenso durch eine individuelle kritische Haltung gegenüber allzu offensichtlich modischen Zeitströmungen in jede Bauaufgabe vertieft.

Schon früh beschäftigte sich Brkić zudem mit Architekturtheorie, die er später auch an der Technischen Universität Belgrad unterrichten sollte – gleich mehrere Publikationen sind Zeugnis seiner theoretischen Beschäftigung mit der Architektur der Öffentlichkeit. Er selbst studierte – mit Unterbrechungen – in den Jahren von 1940 bis 1948 Architektur an der Technischen Universität Belgrad. Während seiner Studiumszeit lernte er Bogdan Bogdanović und Mihajlo Mitrović kennen, mit denen zusammen er später das Dreigestirn der architektonischen Nachkriegsmoderne in Belgrad darstellen sollte.

Zu seinen wichtigsten Professoren zählt Milan Zloković, eine der Vaterfiguren der Moderne in der Hauptstadt des neuen, südslawischen Staates nach dem Ersten Weltkrieg. Von Anfang an hat die international-moderne sogenannte „Stahl-Glas-Architektur“ – Ergebnis der heroischen Erneuerungsphase der Zwischenkriegszeit – den jungen Brkić beeindruckt.

Nicht zuletzt darf sein multikultureller Hintergrund nicht außer Acht gelassen werden, der mit Sicherheit auch die architektonische Persönlichkeit Aleksej Brkić maßgeblich geprägt hat. Aleksej Brkić wurde 1922 in Kikinda, im Nordosten Serbiens, geboren – in eine Familie, deren Ahnen aus verschiedensten Nationen und Regionen stammten. Der Sohn eines Offiziers und einer Deutschlehrerin genoss eine klassisch-polyglotte Bildung, inklusive Klavierunterricht. Neben seiner Muttersprache Serbisch sprach Brkić seit seiner Jugend gut Englisch und Deutsch, auch Russisch und Latein waren ihm vertraut.


Architektonische Highlights von Aleksej Brkić

 

 

   

Belgrader Gymnasium
Einer Ansiedlung kleiner Einzelbauten gleich hat Aleksej Brkić dieses Belgrader Gymnasium in den Kontext der Einfamilienhäuser einer relativ spät der Hauptstadt eingemeindeten, dörflichen Struktur gesetzt.

Eine klare Anlage, durch gerade Stiegenläufe verbundene, versetzte Niveaus, ein erinnerbarer innerer „Stadtplan“ durch geradlinige, gut belichtete und farblich gestaltete Gänge erschlossen, zeichnen diese Schule als hervorragenden Bildungsbau aus.

Die Terrazzoböden der Eingangshalle und der Gänge sind durch ihre farbliche Gestaltung, Unterteilung oder durch Natursteineinlagen in abstrakten Mustern nobilitiert, deren spezifische Geometrien die Perspektiven verstärken und entfernt an Kelim-Teppiche erinnern. Zum Hof hin, der als Sportfläche genutzt wird, orientiert sich eine wohlproportionierte Fensterfassade, die wie alle Sprossenteilungen der Fenster an diesem Bau eine eigenwillige, gezielte Positionierung sowie die Abwechslung zwischen Fixteil und beweglichen Elementen ablesbar macht. Die Hauswartwohnung wird durch einen abgesetzten und in seinen Details spielerischer gehaltenen Bauteil abgegrenzt.

Hotel Jezero
Das heutige Hotel Jezero („Jezero“ – zu Deutsch „Wasser“) wurde ursprünglich als Unterkunft für Ingenieure genutzt, die bei den an nahen Stauseen errichteten Wasserkraftwerken tätig waren.

Brkić sah für jede Funktion einen definierten Baukörper vor, was der Gesamtanlage die Charakteristik einer kleinen, dörflichen Ansiedlung verleiht und sie maßstäblich gut in die Umgebung einpasst. Verstärkt wird dies durch die konventionellen, geneigten Dächer.

In diese Richtung geht auch die Bauausführung mittels lokaler Materialien: In der Betonung verschiedener Partien durch Natursteinmauern bzw. naturbelassene Holzwände liegt das Spezifische dieses einzigen außerhalb Belgrads realisierten Werkes des Architekten.

Büro- und Geschäftshaus „Hempro“
Auf einer durch die Bombardements in den Jahren 1944 bis 1945 frei gewordenen schmalen Innenstadtparzelle im vornehmen Terazije-Viertel konnte Brkić seinen ersten Bau verwirklichen, der von der Intensität der architektonischen Bearbeitung her gleichzeitig sein Hauptwerk darstellt.

Besonderes Augenmerk hat der Architekt dabei auf die – auf den ersten Blick – nüchtern zurückhaltende Fassade gelegt. Dem auf Stützen, hinter denen die eigentliche Geschäftsfassade liegt, ruhenden Erdgeschoß folgen mehrere, sich nach außen abbildende Regelgeschoße auf klarem, funktionalistischem Grundriss.

Asymmetrisch in der durch bewusst sichtbare Sprossen in konziser Geometrie gegliederten Glasfassade, die komplett nach Brkić’ Proportionsregeln entworfen ist, springt ein breiterer, steinverkleideter Rahmen samt Balkon hervor, dem einerseits wie jedem anderen Teil des Ganzen eine wichtige Kompositionsfunktion zukommt, der aber auch die von Brkić in vielen Beispielen der klassischen Moderne geschätzte Plastizität durch die dieserart entstehenden, versetzten Ebenen verstärkt.

Katalog: Architektur im Ringturm XLVII: Aleksej Brkić – Architekt in Belgrad Adolph Stiller (Hrsg.), rund 180 Seiten, mit Beiträgen von Bogdan Bogdanović & Bojan Kovačević
 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 17. Juli 2017