11. bis 15. Oktober 2017

Experimentierraum der Vielstimmigkeit - Frankfurter Buchmesse im Oktober

Meldung: buchcontact, Freiburg, Berlin

 
 

 

Ehrengast Frankfurter Buchmesse am 20. Juni 2017 im MAK

Gastland Frankreich steht im Zentrum der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Auf einer Fläche von 2.500 Quadratmetern entsteht im Forum, Ebene 1, ein dreidimensionales Gesamtkunstwerk, an dem die große Vielfalt der frankophonen Literatur erfahrbar wird.

 

„Der Pavillon ist konzipiert als Raum für Ausstellungen, Diskussionsrunden und Begegnungen mit Autoren. Er ist eine Bibliothek, welche die Vielfalt der französischsprachigen Literatur beherbergt. Gleichzeitig verleiht ihm ein Tragwerk aus Holzleisten die Anmutung eines Baugerüsts, das den Prozess des Entstehens und des Werdens symbolisiert. Schließlich soll der Pavillon aber auch Orientierung bieten. Im Zeichen der Gastfreundschaft und des Austauschs wird die Ehrengastpräsentation der lebendigen und grenzenlosen französischsprachigen Literatur eine Bühne bereiten“, sagte Ruedi Baur, der Künstlerische Leiter des Ehrengastauftritts. Im Pavillon werden mehrere Ausstellungen präsentiert, darunter eine Auswahl belgisch-französischer Graphic Novels und eine Darstellung der über 200-jährigen französischen Verlagsgeschichte. Nicht zuletzt wird die Literatur der französischsprachigen Schweiz großen Raum der Präsentation einnehmen.

 

Zu den Schweizer GegenwartsautorInnen gehören unter anderem Roland Buti, Joseph Incardona, Pascale Kramer, Frédéric Pajak und Noëlle Revaz, die im Rahmen des Gastalndbeitrags der Frankfurter Buchmesse auftreten werden. Mit der Vielfalt ihrer literarischen Produktion repräsentieren sie die französischsprachige Literatur ihrer Heimatregion.

 

Im Pavillon lässt sich anhand einer Nachbildung der berühmten Gutenberg-Presse die Geschichte des Buchdrucks erforschen. Die Gestaltung der Ehrengastpräsentation entsteht nach einem Entwurf der Hochschuldozenten Denis Coueignoux und Éric Jourdan in Zusammenarbeit mit den Studierenden der Hochschule für Kunst und Design Saint-Etienne und mit Unterstützung der Stadt Saint-Etienne.

 

Besucher sind eingeladen, selbst die erste Seite eines Buches ihrer Wahl zu drucken und dieses Unikat mit nach Hause zu nehmen. Das Projekt steht In Zusammenhang mit dem Musée du Papier de Bâle (Schweizerisches Museum für Papier, Schrift und Druck Basel), Pro Helvetia, Fédération des Églises protestantes de Suisse, ASDEL, Kurator ist Gabriel de Montmolin.

Ehrengastprogramm in Frankfurt
Kulturfreunde können im Oktober in der gesamten Stadt Frankfurt französischsprachige Autoren und Künstler entdecken. Am Sonntag, 8. Oktober 2017, finden sich Schriftsteller, Historiker und Philosophen zur Veranstaltung „Je vous écris d’Europe“ ein, bei der erörtert wird, was man über Europa schreibt, denkt, erinnert und vergisst. Im Schauspiel Frankfurt werden unter anderem Michel Houellebecq und Yasmina Reza auftreten. Weitere Lesungen und Diskussionen mit französischen Intellektuellen finden in der Romanfabrik, im Literaturhaus Frankfurt und in der Goethe-Universität statt.
 

 

Drei Fragen an Ruedi Baur, Leiter Design


Welche Leitlinien liegen dem Konzept des Ehrengast-Pavillons zugrunde?
 

Der Ursprung dieses Pavillons geht zurück auf einen an der Hochschule für Kunst und Design Saint- Etienne organisierten Wettbewerb, den eine Gruppe von Studierenden für sich entschieden hatte. Hier entstand das Prinzip eines Pavillons, der Bibliothek, Baugerüst und Beschilderung zugleich ist und an einem Ort die große Vielfalt der frankophonen Schaffensarbeit widerspiegelt.

In einem zweiten Schritt wurden diese Eigenschaften von Éric Jourdan und Denis Coueignoux, zwei Dozenten der Hochschule, die den Pavillon gestaltet hatten, verfeinert. Ein Tragwerk aus Holzleisten wurde zum roten Faden für die gesamten Bauelemente. Trennwände zwischen den verschiedenen Themenbereichen, Informationsständer, Tisch und Bühnenhintergrund werden zu Bestandteilen einer gewaltigen Themenbibliothek, die den großen Reichtum des frankophonen Verlagswesens widerspiegelt. Die gemütliche Atmosphäre, die von diesen Trägern ausgeht, wird zu einer sehr präsenten Beschilderung in Kontrast gesetzt, die vielmehr Teil eines Stadtzentrums als eines mit Filz ausgelegten Raums ist. Die starke Präsenz des Digitalen, die ständigen zahlreichen Aktivitäten im Pavillon, die dem jungen Publikum gewidmeten Themen, kommen dagegen wie eine Art gesellige FabLab-Werkstatt auf uns zu. Der Ehrengast-Pavillon wird durch ein paar Erweiterungen bereichert werden, welche die Ideen des Ehrengast-Pavillons auf der Messe, aber auch in der Stadt aufgreifen: das französische Brauhaus und die Buchhandlung in der Nähe des Ehrengast-Pavillons, selbstverständlich die große, den französischen VerlegerInnen gewidmete Fläche sowie die Veranstaltungsorte für Aktivitäten nach der Buchmesse. Dieses Gesamtwerk wird gleichzeitig, genau wie die Kommunikation, ein großer Experimentierraum für die sprachliche Beziehung zwischen dem Französischen, dem Deutschen und anderen Sprachen sein. In diesem Sinne fördert der Ausdruck die Freude und den Reichtum des Aufeinandertreffens von Unterschieden, wie diese symbolische Gastfreundschaft, die eine Sprache schaffen kann.
 

Wie haben Sie die verschiedenen Raumbereiche des Ehrengast-Pavillons konzipiert? In welcher Hinsicht entsprechen diese den Bedürfnissen eines Ereignisses wie der Frankfurter Buchmesse?

 

In diesem sehr geschäftigen kommerziellen Kontext der Frankfurter Buchmesse übernimmt der Ehrengast-Pavillon die Rolle eines Kulturraums für eine Stadt. Es geht darum, das kurzfristige Interesse hinter sich zu lassen, um sich allgemeineren Fragen zu widmen. Es schien daher von entscheidender Bedeutung, eine Ausstellung und nicht bloß einen Stand zu gestalten, kulturelle Treffen zu arrangieren und nicht nur Werbung zu betreiben. Durch die Aufteilung der Raumbereiche haben mehr als 100 AutorInnen die Möglichkeit, sich in einem sehr angenehmen Rahmen auszutauschen und gleichzeitig Ausstellungen zu präsentieren, die so vielfältig sind wie die Geschichte des französischen Verlagswesens, die Kinder- und Jugendbücher oder auch die frankophone Comic-Kultur: Der Nachbau der Gutenberg-Presse, mit der Texte der AutorInnen gedruckt werden, Orte zur Vorstellung von digitalen Erfahrungen in Zusammenhang mit Literatur, ein Medienbereich, in dem in Echtzeit Bild- und Sprachaufnahmen erstellt und im Pavillon auf der Buchmesse, aber auch über die sozialen Netzwerke, verbreitet werden, nicht zu vergessen die Bars sowie Bereiche zum Zuhören und Lesen. Der Ehrengast- Pavillon soll diese Unterschiede auffangen, um sie hervorzuheben und allgemein verständlich zu machen. Gleichzeitig gibt sich der Ehrengast-Pavillon vor allem als vielsprachige Werkstatt, in der es nicht nur ums Übersetzen, sondern vor allem auch darum geht, mit den Sprachen zu spielen und auf diese Art und Weise in diesem Raum-Zeit-Kontinuum den Reichtum der französischen Sprache, ihrer mannigfaltigen Ausdrucksformen und ihrer zeitgenössischen AutorInnen hervorzuheben.

In welcher Hinsicht unterscheidet sich das Konzept dieses Pavillons von Ihren früheren Arbeiten?
 

Ich hatte das Glück, in den vergangenen Jahrzehnten prestigeträchtige Projekte in Deutschland umsetzen zu dürfen: die Beschilderung für den Flughafen Köln, das Schulmuseum Ulm und das Denkmal für die Deserteure des Zweiten Weltkrieges, ebenfalls in Köln. Bei diesem Projekt ist es interessant die französische Kultur hervorzuheben und sie mit der so besonderen Empfindsamkeit dieser Stadt Frankfurt zu verbinden. Was die Situation aber vor allem besonders macht, ist die Rolle, die mir zugewiesen wurde, nämlich den visuellen Ausdruck von äußerst unterschiedlichen AkteurInnen zu koordinieren. Wir werden Erfolg gehabt haben, wenn aus dem großen Ganzen eine schöne Melodie hervorgeht.
 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 10. Juli 2017