Narkosemittel bewirken, dass manche Hirnareale
weniger Informationen produzieren.
Bisher gingen Forscher davon aus, dass Narkosemittel die
Signalübertragung zwischen verschiedenen Hirnarealen
unterbrechen und man deshalb bewusstlos wird.
Neurowissenschaftler der Goethe-Universität sowie des Göttinger
Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation fanden
jetzt heraus, dass bestimmte Areale unter Narkose weniger
Informationen produzieren. Die oft gemessene Reduktion von
Informationstransfer unter Narkose könnte eine Folge dieser
reduzierten Informationsproduktion sein und nicht – wie bisher
vermutet – eine Folge gestörter Signalübertragung.
Wenn in einer Stadt kaum noch Telefongespräche geführt werden,
kann es sein, dass mehrere Telekommunikationssysteme
zusammengebrochen sind - oder es ist Nacht und die meisten Leute
schlafen. In einem narkotisierten Gehirn ist es ähnlich: findet
auffallend wenig Informationsübertragung zwischen verschiedenen
Gehirnarealen statt, ist entweder die Signalübertragung in den
Nervenfasern gehemmt, oder bestimmte Gehirnareale sind weniger
aktiv bei der Erzeugung von Informationen.
Die zweite Hypothese haben Patricia Wollstadt, ihre Kollegen vom
Brain Imaging Center an der Goethe-Universität und die
Wissenschaftler des MPI für Dynamik und Selbstorganisation nun
untersucht. Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe von „PLOS
Computational Biology“ mitteilen, untersuchten sie im Gehirn von
Frettchen „Quellareale“ des Gehirns, aus denen unter Narkose
weniger Informationen übermittelt wurden als im Wachzustand. Sie
fanden, dass dort die Informationsproduktion unter Narkose
stärker beeinträchtigt war als in den „Zielarealen“, in die
Information übertragen wird. Dies deutet darauf hin, dass die in
der Quelle verfügbare Information den Informationstransfer
bestimmt und nicht eine gestörte Signalübertragung. Wäre
letzteres der Fall, würde man eine stärkere Reduktion in
Zielarealen erwarten, da hier weniger Information „ankommt“..
„Diese alternative Erklärung ist über die Anästhesieforschung
hinaus relevant“, so Patricia Wollstadt, „da grundsätzlich jede
Untersuchung von neuronalem Informationstransfer berücksichtigen
sollte, wie viel Informationen lokal verfügbar und damit auch
übertragbar sind“.
Publikation: Patricia Wollstadt, Kristin K. Sellers,
Lucas Rudelt, Viola
Priesemann, Axel Hutt, Flavio Fröhlich, Michael Wibral:
Breakdown of local information processing may underlie
isofflurane anesthesia effects, in PLOS Computational Biology,
journals.plos.org/ploscompbiol/article