Meldung:
Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf |
Auf dem Foto Prof. Susanne Hahn |
Die
Düsseldorfer Philosophin Susanne Hahn wird mit dem Deutschen
Preis für Philosophie und Sozialethik der Max Uwe Redler
Stiftung ausgezeichnet. Der Preis ist mit 100.000 Euro dotiert
und wird für ein deutschsprachiges Werk aus dem Bereich der
Philosophie und Sozialethik vergeben. Die Preisverleihung findet
am 26. Januar an der Universität Hamburg statt. Die Laudatio
hält der ehemalige Staatsminister für Kultur, der Philosoph
Prof. Julian Nida-Rümelin (Ludwig-Maximilians-Universität
München).
Rektorin Prof. Dr. Anja Steinbeck gratulierte der
Preisträgerin´: "Mit ihrer Arbeit zur Rationalität bereichert
sie das Forschungsprofil der Philosophischen Fakultät um ein
wichtiges Thema. Sie leistet auf diesem Gebiet beeindruckende
wissenschaftliche Arbeit, die in diesen Zeiten dringend nötig
ist.“
Dekan Prof. Dr. Ulrich Rosar ergänzte: „Die gesellschaftliche
Verständigung über gemeinsame Normen stellt dieser Tage eine
große Herausforderung dar. Frau Prof. Hahn leistet hierzu durch
ihre brillante sprachanalytische Forschung über die
unterschiedlichen Rationalitätsvorstellungen, die menschlichem
Handeln zugrunde liegen können, einen Beitrag mit
außerordentlichem aufklärerischem Wert. Ihre Erkenntnisse bilden
eine Schnittstelle, in der sich die sozial-, sprach- und
kulturwissenschaftlichen Forschungsbereiche der Philosophischen
Fakultät der HHU treffen.
Nach Überzeugung der Jury hat Susanne Hahn mit ihrer
Habilitationsschrift „Rationalität. Eine Kartierung“ die „wohl
gründlichste und präziseste Abhandlung zum Thema in der
deutschsprachigen Philosophie der vergangenen Jahrzehnte
vorgelegt.“
Ausgangspunkt Rationalitätsdebatte
In der Arbeit beschäftigt sich die Autorin mit den Fragen: „Was
ist Rationalität?“ bzw. „Was heißt es, rational zu handeln?“.
Sie bringt die verfahrene Debatte in Gang, indem sie die Fragen
und Antworten nach dem rationalen Handeln in eine weitere
Perspektive stellt: Warum ist es überhaupt wichtig, von
rationalem und irrationalem Handeln zu sprechen? Was sind die
Unterscheidungsinteressen und Zielsetzungen, bezüglich derer die
Rede von (ir)rationalem Handeln eine zentrale Rolle erhält? Nach
Susanne Hahn sind dies vor allem zwei Konstellationen: Mit Hilfe
des Konzepts rationalen Handelns sollen zum einen Handlungen
erklärt und zum anderen Handlungen empfohlen werden. Die
propagierten Rationalitätsauffassungen können jedoch dieses
doppelte Anliegen nur in Ausnahmefällen erfüllen. Während es für
die Erklärung von Handlungen möglich ist, auch irrige
Auffassungen des Handelnden mit einzubeziehen, ist für die
Empfehlung von Handlungen der Bezug auf einen gesicherten
Kenntnisstand unerlässlich. Um den Zielen der Handlungserklärung
und -empfehlung gerecht zu werden, ist es erforderlich, nicht
nur unterschiedliche Spielarten rationalen (und irrationalen)
Vollzugs zu unterscheiden, sondern auch andere Arten des
Handelns, wie gewohnheitsmäßiges und spontanes Handeln ins Spiel
zu bringen.
Folgen für Handlungsbeschreibung und
Handlungserklärungen
Anhand dieser Kategorien lassen sich z.B. gehaltvolle Aussagen
darüber formulieren, welchen Anteil das so-und-so-rationale
Handeln oder aber auch das spontane Handeln am Vollzug insgesamt
hat. Man kann zudem einzelne Personen danach unterscheiden, ob
sie eher einzelfallrational-opportunistisch agieren oder
regelorientiert. Man kann Situationstypen identifizieren, in
denen Menschen z.B. eher spontan oder eher so-und-so-rational
agieren. Diese Zusammenhänge sind folgenreich für die
Handlungsbeschreibungen und -erklärungen des Historikers oder
des Soziologen.
Folgen für die Etablierung von Normen: Beispiel
Wirtschaftsethik
Wenn Unternehmensleitungen in Verhaltenskodizes Regeln für ihre
Mitarbeiter etablieren wollen, spielt es eine entscheidende
Rolle, ob man unterstellt, dass Menschen ausschließlich
einzelfall-orientiert opportunistisch handeln oder ob sie sich
auch an Regeln binden können und wollen. Bei der ersten
Unterstellung, muss die Unternehmensleitung deutlich machen,
dass jeder Regelbruch Sanktionen nach sich zieht und dafür
sorgen, dass Regelbrüche (meistens) entdeckt werden. Geht man
davon aus, dass Akteure sich an Regeln binden können, weil sie
diese für richtig halten, muss man bei diesen Mitarbeitern mit
Gründen für die Regeln werben. In Bezug auf die
Unternehmensstrategie ist die Kategorie des regel-rationalen
Handelns von Bedeutung: Unternehmen können sich an Regeln
binden, sie können – über ihre Akteure – regel-rational handeln,
um langfristige Ziele zu realisieren oder um anderen
Marktteilnehmern Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit zu
signalisieren.
Herausforderungen: Entstehung und Rechtfertigung
von Normen
Die Beschäftigung mit rationalem Handeln führt Susanne Hahn
derzeit vor allem zu Fragen, die Normen betreffen: Wie entstehen
Normen in Gemeinschaften? Welche Unterschiede gibt es zwischen
informell eingespielten moralischen Normen und gesetzten
rechtlichen Normen? Wie lassen sich Normen rechtfertigen? In
Bezug auf eine konkrete Entwicklung: Welche Herausforderung
stellt die Digitalisierung mit ihrer Tendenz zum punktuellen und
nicht langfristig stabilen bürgerschaftlichem Engagement für
Gesellschaften liberal-demokratischer Staaten dar?
Was bedeutet das Preisgeld in Höhe von 100.000 Euro, von dem die
eine Hälfte zur freien Verfügung steht und die andere Hälfte für
die Publikation und Verbreitung des Werks genutzt werden soll,
für die Preisträgerin? „Für mich bedeutet der Preis Anerkennung
und Freiheit – Anerkennung für eine strikt methodische Art,
Philosophie zu betreiben, und (mehr) Freiheit bei der
Lebensgestaltung und der wissenschaftlichen Arbeit. Bezogen auf
das Fach sendet der Preis das Signal, dass Philosophieren eben
auch das "große Format", das Buch, erfordert und dass auch die
deutschsprachige Philosophie Aufmerksamkeit auf sich zieht.“
Die Preisträgerin
Susanne Hahn wurde 1964 in Mülheim an der Ruhr geboren. Nach dem
Studium der Neueren Geschichte, Philosophie und Germanistik an
den Universitäten Duisburg und Essen erfolgte 1998 an der
Universität Essen die Promotion. Mit einem
Lise-Meitner-Stipendium des Landes NRW gefördert, habilitierte
sie sich 2007 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und
übernahm Lehrstuhlvertretungen an verschiedenen Universitäten.
Von 2011 bis 2016 arbeitete sie an ihrem durch die DFG
geförderten Projekt „Ein Rahmen für die Wirtschaftsethik –
Methodische Grundlagen und Regeln“. Seit 2016 ist sie
außerplanmäßige Professorin an der Heinrich-Heine-Universität. –
Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich Normativität,
Rationalität und Wirtschaftsethik.
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