Obwohl
die Stromerzeugung aus Offshore-Windkraftanlagen großes
Potenzial hat, bleibt der Ausbau bisher hinter allen Prognosen
zurück. Hauptgrund dafür sind die hohen Kosten für Bau und
Betrieb von Windparks unter den speziellen Bedingungen auf See:
Pro erzeugter Megawattstunde liegen sie bisher zwei- bis dreimal
so hoch wie bei Anlagen an Land. Kritiker bezweifeln daher
grundsätzlich, dass diese Art der Stromerzeugung
wettbewerbsfähig werden kann.
Doch jetzt dürfte ein
Wendepunkt erreicht sein: Das Ergebnis der Ausschreibung für den
neuen Offshore-Windpark "Borssele" in den Niederlanden beweist,
dass die Kosten erheblich gesenkt werden können. Mit
Gesamtkosten von 87 Euro pro Megawattstunde (MWh) erzeugter
Strommenge hat Borssele den Abstand zu Onshore-Windparks
halbiert und liegt heute schon deutlich unter den 115 Euro pro
MWh, die sich die Branche erst für 2020 als Ziel gesetzt hat.
Was hinter diesem erstaunlichen Erfolg steckt und wie er die
Zukunft der Offshore-Windkraft beeinflussen wird, haben die
Experten von Roland Berger in ihrer neuen Studie "Offshore wind
power – Takeaways from the Borssele wind farm" untersucht.
"Die rekordverdächtig niedrigen Stromgestehungskosten beim
Borssele-Projekt zeigen das erhebliche Einsparpotenzial für die
Offshore-Windkraft", sagt Manfred Hader, Partner von
Roland Berger. Die Studie ergibt, dass der günstige Preis von
Borssele vor allem auf vier Faktoren zurückzuführen ist:
optimierte betriebliche Prozesse, technische Innovationen,
größere und leistungsstärkere Turbinen sowie mehr Wettbewerb
unter den Zulieferern. "Diese strukturellen Faktoren gelten
grundsätzlich für die gesamte Branche", erklärt Hader. "Dagegen
spielen zyklische Effekte wie die niedrigen Zinsen sowie Stahl-
und Ölpreise eine geringere Rolle."
Offshore-Windkraft wird zum ernstzunehmenden
Wettbewerber
Zum Vergleich: Bei fossilen Kraftwerken liegen die
durchschnittlichen Kosten pro Megawattstunde beim derzeit
niedrigen Preis für CO²-Emissionszertifikate zwischen 40 und 60
Euro, bei Windkraft an Land zwischen 40 und 70 Euro und bei
Strom aus Photovoltaik zwischen 70 und 130 Euro. "Das
Borssele-Projekt mit seinen 87 Euro pro Megawattstunde zeigt
deutlich, dass Offshore-Windenergie schon bald zum
ernstzunehmenden Wettbewerber für alle anderen
Stromerzeugungsmethoden wird", erläutert Hader. "Wir sehen
dieses Projekt daher als Wendepunkt hin zu einem starken
Wachstum und einer internationalen Verbreitung der
Offshore-Windenergie."
Das Borssele-Projekt beweist so, dass diese Technologie als
günstige erneuerbare Energiequelle dienen kann und auch in die
energiepolitischen Pläne der Regierungen einfließen sollte.
Hersteller und Betreiber von Windkraftanlagen werden vom starken
und stabilen Wachstum profitieren und sollten eine
internationale Expansion vorbereiten.
Handlungsempfehlungen für die Offshore-Branche
Windkraft-Experte Manfred Hader mahnt allerdings: "Die Branche
sollte sich genau ansehen, was Borssele für die zukünftige
Entwicklung bedeutet und wie sich die Spielregeln ändern."
Deshalb haben die Studienautoren aus den wichtigsten
Erkenntnissen im Rahmen dieses Projektes Handlungsempfehlungen
für verschiedene Akteure im Bereich Offshore-Windkraft
entwickelt:
Regierungen: Die Regierungen sollten ihre Förderung an
wettbewerbsorientierte Systeme anpassen. Denn
Ausschreibungswettbewerbe erhöhen den Kostensenkungsdruck auf
die gesamte Wertschöpfungskette. Dabei ist zu beachten, dass der
Druck nicht zu hoch wird und Projekte nicht ausgebremst werden.
Darüber hinaus sollten Regierungen langfristige Sicherheiten in
Bezug auf Netzanbindung, Abnahmekapazitäten und Subventionen
anbieten.
Anlagenhersteller: Mit zunehmendem Wettbewerb brauchen
Anlagenhersteller eine gewisse Größe, um Vorteile bei
Finanzierung und Beschaffung zu nutzen. Hinzu kommt: Da es sich
oft um Großprojekte handelt, sind größere Unternehmen im
Vorteil, die verschiedene Projekte gleichzeitig managen und so
das Risiko minimieren sowie Ressourcen optimal nutzen können.
Deshalb erwarten die Roland Berger-Experten eine Konsolidierung
des Marktes. Der verstärkte Wettbewerb bei Ausschreibungen
verlangt zudem intelligente Strategien mit einer engen
Integration von Engineering, Planung, Bau und Beschaffung, um
Kostenvorteile zu realisieren.
Investoren: Finanziers von Windparks sollten sich intensiv mit
den potenziellen Risiken befassen. Denn mit wachsendem
Wettbewerb zwischen den Investoren wird es wichtiger, die
optimale Balance zwischen Risiko und Ertragschancen zu finden.
Da Investitionen in Windparks grundsätzlich stabile, aber eher
niedrige Erträge bringen, sind vor allem Infrastrukturfonds
prädestiniert, diese zu finanzieren.
Generalunternehmer (Engineering, Procurement, Construction and
Installation Contractors): Der Preisdruck zwingt
Generalunternehmer dazu, Windpark-Projekte immer effizienter zu
managen. Die enge Zusammenarbeit verschiedener Bereiche entlang
der Wertschöpfungskette sowie Skaleneffekte werden deshalb immer
wichtiger. Dies wird zu einer weiteren Marktkonsolidierung
führen. Während sich heute meist drei oder vier
Generalunternehmer ein Offshore-Projekt aufteilen, werden in
Zukunft große Komplettanbieter bessere Chancen bei Investoren
und Betreibern haben.
Komponentenhersteller: Um die Kosten zu senken und langfristige
Rahmenverträge schließen zu können, sollten die Hersteller auf
Standardisierung setzen. Um hier Einfluss nehmen zu können, ist
erneut Größe wichtig. Der Trend zu Turbinen mit 10 MW und mehr
Leistung wird außerdem dazu führen, dass sämtliche anderen
Komponenten ebenfalls neu entwickelt werden müssen – eine Chance
für Innovationen sowie Neueinsteiger.
Transport- und Installationsunternehmen: Hier erwarten die
Roland Berger-Experten weitere Innovationen und
Spezialisierungen. Denn die bisher oft genutzte Ausrüstung aus
der Öl- und Gasindustrie ist weniger auf niedrige Kosten
ausgelegt, als es für den Bau von Windparks nötig ist.
"Standardisierung und Geschwindigkeit werden zu den
entscheidenden Kriterien für die Wettbewerbsposition, dürfen
aber keinesfalls auf Kosten der Sicherheit gehen", warnt Roland
Berger-Partner Manfred Hader.
www.rolandberger.com/de