Seit
550 Jahren werden Bücher gedruckt – aber die ersten 400 davon
ohne richtige Umschläge. Im Gegensatz zur Titelseite, die stets
hervorgehoben wurde, sind gestaltete Umschläge eine junge
Angelegenheit. Denn es war üblich, dass erst der Käufer die in
einzelnen Lieferungen erschienenen Bücher selbst binden ließ.
So kommt es, dass die historischen Bibliotheken mit ihren
herrlichen Ledereinbänden noch heute beeindrucken. Als in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunächst Kinder- und
Jugendbücher, aber bald auch Romane mit bunten Umschlägen
erschienen, war dies eine große Neuigkeit. 1896 brachte der
Münchner Albert Langen Verlag eine Buchreihe mit farbig
illustrierten Umschlägen auf den Markt und präsentierte sie in
eigens angefertigten Schaukästen. Von da an dauerte es nur
wenige Jahre, bis Buchumschläge die Regel wurden und sich zu
einer begehrten Aufgabe für Grafiker entwickelten. Die hohe Zeit
des Buchumschlags begann in den 1920er Jahren, als
Schutzumschläge aufkamen, die sich leichter bebildern lassen als
Leder- oder Leineneinbände. Seit den 1950er Jahren erscheinen
auch Taschenbücher mit farbigen Titeln. Mit dem so genannten
Internationalen Stil kam die große Zeit der strengen Gestalter,
die den Taschenbuchreihen von Penguin und Rowohlt, Ullstein oder
Suhrkamp ein einheitliches Gewand verpassten. Bis heute hat das
bunte Bild auf dem Buch nichts von seiner Attraktivität
eingebüßt. Zu Zeiten von E-Book und Online-Handel vermag das
gedruckte Buch gerade auch mit guten Umschlägen zu punkten, und
es gibt eine Fülle und Qualität wie selten zuvor. Das Museum für
Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) zeigt eine Auswahl von rund 400
Umschlägen von den Anfängen bis heute aus seiner umfangreichen
Sammlung.
Einband
– Umschlag
Man sollte meinen, die Seiten eines Buches zusammenzuhalten,
sei eine klare Angelegenheit. Doch weit gefehlt. Es gibt eine
Fülle von Materialien, Techniken und vor allem auch Begriffen,
die selten eindeutig sind. Unter Einband verstehen wir den
festen Buchdeckel, verleimt oder vernäht mit dem Buchblock. Ein
Einband kann aus Leder, Leinen und vielen anderen Materialien
bestehen, oft auch nur aus Pappe. Seit der Zeit des Jugendstils
und dem Aufleben des Kunsthandwerks entstanden kostbare, oft von
Hand gearbeitete Einbände. Der Umschlag dagegen meint genau
genommen den Schutzumschlag, der lose um den Einband gefaltet
wird. Aber auch die biegsame Broschur von Taschenbüchern wird
oft als Umschlag bezeichnet. Bei seiner Gestaltung steht nicht
die kunsthandwerkliche Qualität im Blickfeld, sondern es geht um
Illustration und Layout.
Umschläge im Jugendstil
Die Jahre um 1900 bedeuten einen Höhepunkt in der Geschichte
der Buchgestaltung. Führende Künstler der Epoche – Aubrey
Beardsley in London, Eugène Grasset in Paris oder Otto Eckmann
in Berlin – entwarfen Einbände, die als kostbare Einzelstücke
von Hand gefertigt werden konnten, die aber häufiger als
Vorlagen für industrielle Vervielfältigung dienten. Neue
Drucktechniken erlaubten die Verarbeitung traditioneller
Materialien wie Leder und Leinen. Prägedruck und Goldeinlagen
ließen auch hohe Auflagen stattlich erscheinen. Wegweisend waren
Umschläge mit Illustrationen, vervielfältigt als Lithografie
oder Autotypie, die auf einen Pappeinband geleimt wurden und die
dem gesamten Einband ein einheitliches Gewand verpassten. Ein
Vorreiter war der Insel Verlag in Leipzig. Die Monatsschrift Die
Insel und später die dünnen Bändchen der Inselbibliothek fallen
noch heute durch ihre hervorragende ornamentale Gestaltung auf.
Schutzumschläge
Schutzumschläge, wie wir sie heute kennen, kamen in den
1920er Jahren auf. Sie werden um den eigentlichen Einband
gefaltet und lassen sich mit ihrer glatten und oft glänzenden
Oberfläche besser und einfacher bedrucken, als fester Karton
oder Leinen. Trotz der schönen Bilder haben Schutzumschläge
etwas Provisorisches. Oft nimmt der Leser sie ab, und
Bibliotheken entfernen sie grundsätzlich, da sie in eng
gestopften Regalen schnell unansehnlich werden. Seit über
zwanzig Jahren erhält das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
von der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg diese
Schutzumschläge. Die schönsten werden aufbewahrt. Und so
entsteht im Laufe der Jahre eine stattliche Sammlung. Trotz des
scheinbar vergänglichen Charakters von Schutzumschlägen gehört
ihre Gestaltung nach wie vor zu den begehrtesten Aufgaben des
Grafikdesigners.
Porträts
Viele Jahrhunderte spielten Porträts eine bedeutende Rolle im
öffentlichen Leben. Noch im 18. Jahrhundert konnten sie bei
offiziellen Anlässen den Herrscher regelrecht vertreten. Und das
Bild des Kaisers fand sich noch im frühen 20. Jahrhundert in
jeder Amtsstube. Porträts dieser Art haben in unserer
bildergesättigten Gesellschaft keine staatstragende Funktion
mehr. Umso mehr dienen sie dafür der Vermarktung und
Eigenwerbung von Stars und Sportlern, von Politikern und
Prominenten aller Art. In diesem Kontext kommen Buchumschläge
als ein öffentlicher und durchaus werbewirksamer Ort ins Spiel.
Auf Biografien oder Abhandlungen von Politikern finden sich
häufig Porträts, die von den Dargestellten selbst gewählt wurden
und die ein offizielles Bild der Person vermitteln. Damit stehen
sie durchaus in der Tradition des öffentlichen Porträts
vergangener Jahrhunderte.
Romane
Es ist naheliegend, dass die Umschläge von Romanen
illustriert werden. Das Motiv weist auf den Inhalt, und der Stil
deutet das Genre an. Den Ideen der Grafiker scheinen keine
Grenzen gesetzt, sieht man einmal von den Vorgaben der Verlage
ab, die Format und Verlagslogo festlegen. Es ist erstaunlich,
was Umschläge auf den ersten Blick alles zu sagen vermögen. Man
erkennt: Hier handelt es sich um einen Liebesroman, da geht es
um einen Krimi und dort um etwas Erotisches. Romane, die sich
ausdrücklich an ein weibliches Publikum wenden, treten gerne mit
Pastellfarben und Weichzeichner auf. Klassiker der Weltliteratur
dagegen verzichten auf Bilder und bauen allein auf ihren
bekannten Namen, vorgetragen in klassischer Typografie. Ganz
anders das Fantasy-Genre, das längst auch ein erwachsenes
Publikum anzieht und dessen Motive gar nicht schrill genug sein
können.
Politische Themen
Rot und Schwarz sind die bevorzugten Farben bei Büchern über
politische Themen. Die Farbkombination ist von hoher
Signalwirkung und fordert gleichermaßen Aufmerksamkeit und
Autorität. Seit dem 19. Jahrhundert ist Rot die Farbe der
Arbeiter und der Republik, seit der russischen Revolution 1917
auch die Farbe von Revolution und Kommunismus. Trotz der
deutschen Faschisten, deren Uniformen zwar braun, deren Flaggen
aber rot und schwarz waren, blieb Rot die Farbe der Revolution.
Die Geschichtsschreibung zum Faschismus wie überhaupt zur
Politik des 20. Jahrhunderts nutzt für ihre Umschläge diese
Tradition. Die Titel treten in seriösem Schwarz auf und sehr oft
dient Rot als Kontrastfarbe. Neue Themen wie der internationale
Terrorismus erfordern auch eine neue Gestaltung – man merkt,
dass die Branche hier noch keinen allgemein überzeugenden Weg
gefunden hat.
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