Auf
dem Vitra Campus in Weil am Rhein
haben Bauten renommierter
Architekten das Produktionsgelände
des Schweizer Möbelherstellers über
Jahrzehnte zu einem Magneten für
Design- und Architekturliebhaber aus
aller Welt werden lassen. Im Juni
2016 entstand ein zweiter,
stadtseitiger Eingang auf dem
Campus. Zudem wurde das Vitra
Schaudepot, ein neues Gebäude von
Herzog & de Meuron, eröffnet.
ln den vergangenen Jahren gab es
verschiedene Veränderungen auf dem
Vitra Campus in Weil am Rhein. Den
Auftakt machte 2010 das VitraHaus
von Herzog & de Meuron, das als
Flagshipstore und Besucherzentrum
fungiert und neben dem Vitra Design
Museum von Frank Gehry (1989) eine
weitere Besucherattraktion im Norden
des Areals darstellt. Im
südlichenTeil ist das ehemalige
Feuerwehrhaus (1993), das erste
realisierte Gebäude der Architektin
Zaha Hadid, ein weiterer
Anziehungspunkt. VitraHaus, Vitra
Design Museum und Feuerwehrhaus sind
durch die Hauptochse des Vitra
Campus miteinander verbunden. Diese
führt mitten durch das Firmenareal
und ist für externe Besucher nur im
Rahmen von Führungen und
Sonderveranstaltungen zugänglich.
Seit 2014 verbindet ein von Alvoro
Sizo konzipierter öffentlicher
Fussweg das VitraHaus mit dem
Feuerwehrhaus. Die Alvaro-Siza
Promenade verläuft entlang des
westlichen Randes des Campus.
Mit dem Neubau des Vitra Scha
udepots ist ein wichtiger
Meilenstein für den Ausbau des
Campus hinzugekommen. Das Schaudepot
und das benachbarte Feuerwehrhaus
bilden einen zweiten öffentlichen
Schwerpunkt und damit das Pendant
zum VitraHaus und Vitra Design
Museum am anderen Ende des
Firmengeländes. Die Grenze des
internen Firmenareals wurde verlegt
und befindet sich neu auf der Höhe
der Produktionshalle von Alvaro
Siza(l994). Damit ist das
Feuerwehrhaus für
die Besucher frei zugänglich.
Ein zweiter Eingang
zum Vitra Campus
Die bisherige Hauptausrichtung nach
Norden bedeutete, dass sich der
Vitra Campus nicht zur Stadt Weil om
Rhein öffnete. Wer mit Bus oder
privatem PKW anreiste, musste das
Firmengelände auf der Ost- oder
Westseite umfahren, um zum VitraHaus
oder zum Vitra Design Museum zu
gelangen. Besonders für Fussgänger
war diese Wegführung unattroktiv.
Der Bau des Vitra Schaudepot ist
daher verbunden mit der Einrichtung
eines zweiten, stadtseitigen Zugangs
zum Vitra Campus. Dieser wurde umso
nötiger, als viele Besucher aus
Basel und der restlichen Schweiz
seit der 2014 eingeweihten
Verlängerung der Tramlinie 8 bis
Weil am Rhein mit der Straßenbahn
anreisen. Von der
Straßenbahn-Endhaltestelle oder vom
Bahnhof Weil am Rhein aus gehen
die77 Gäste entlang der
Bundesstrasse in nördlicher
Richtung. Dort zweigt nun ein
Fussweg unter einer Pergola ab und
führt direkt auf die markante
Ziegelsteinfassade des Vitra
Schaudepots zu. Anders als im
Norden, wo die Gebäude inmitten der
Streuobstwiesen als Solitäre weithin
sichtbar sind, verzahnen sie sic h
hier mit der bestehenden Bebauung
aus Wohn- und Gewerbebauten. Vogt
Landschaftsarchitekten aus Zürich
haben den Zugang als eine Abfolge
von Garten, Pergola, Vorplatz und
Terrasse gestaltet. Am Ende der
Pergola weitet sich der Weg zu einem
trichterförmigen Vorplatz, der von
den Brandmauern der umliegenden
Gebäude gebildet wird. Diese wurden
vereinheitlichend weiss gestrichen,
sodass ein artifizieller Ausdruck
des Ensembles entsteht, welches
gleichwohl die Maßstäblichkeit des
Übergangs zum Rand der Stadt
erkennbar werden lässt.
Das Vitra
Schaudepot
Das
Vitra Schaudepot bildet den
Blickfang für die von Weil am Rhein
kommenden Besucher und steht dem
Feuerwehrhaus unmittelbar
benachbart- vor einerfrüheren, mit
Sheddächern gedeckten
Produktionshalle, die noch aus der
Zeit vor dem Grassbrand von 1981
stammt. Sie wird heute vornehmlich
vom Vitra Design Museum genutzt: Im
Untergeschoss befinden sich die
Magazine, darüber die unlängst von
Konstantin Grcic gestalteten
Büroräume samt integrierten
gläsernen Volumina für
Besprechungsräume und Bibliothek.
Der Wunsch, Teile der Möbelsammlung
des Vitra Design Museums der
Öffentlichkeit vorzustellen, besteht
seit vielen Jahren. Eine neue Chance
ergab sich, als das ältere Gebäude
gegenüber dem Feuerwehrhaus
baufällig wurde. Die erste Idee war,
das Gebäude abzureißen und einen
Keller zu schaffen, der den
Besuchern zugänglich gemocht würde.
in Gesprächen zwischen den beratend
hinzugezogenen Architekten Herzog &
de Meuron und Rolf Fehlbaum
entwickelte sich sukzessive die
Idee, gleichsam aus dem Keller ein
Gebäude für ein Schaudepot
herauswachsen zu lassen,das die
Voraussetzungen für die öffentliche
Nutzung erfüllt und gleichzeitig
Blicke in die nicht zugänglichen
Bereiche der umfangreichen Sammlung
erlaubt. Damit ist endlich ein
Problem gelöst: die weitgehende
Unsichtbarkeit der Sammlung des
Vitra Design Museums, deren Kern der
Möbelbestand mit heute rund 7000
Objekten bildet.
Im Jahr 1986 hatte Rolf Fehlbaum
Frank Gehry damit beauftragt, ein
Haus für die Präsentation der domals
kleinen Möbelsammlung zu
realisieren. Als das Gebäude 1989
fertiggestellt wurde, hatte sich
indes die Zweckbestimmung geändert:
Unter dem Gründungsdirektor
Alexander von Vegesack wurde das
Vitra Design Museum zu einem Haus
für thematische
Wechselausstellungen, die immer
wieder auf die Sammlungsbestände
zurückgriffen, aber keinen
Querschnitt zeigten. Zwar waren
mitunter Ausschnitte aus der
Vitra-Stuhlkollektion a n
verschiedenen Orten auf dem Campus
zu sehen,doch nie dauerhaft. Ziel
des Vitra Schaudepots ist es, den
Besuchern nicht nur Highlights aus
der Sammlung zu zeigen, sondern auch
einen Überblick über die Geschichte
des (Sitz-)Möbels seit 1800 zu
bieten.
Dieser Absicht entsprechend sind die
Exponate in den dreigeschossigen
Stahlregalen chronologisch
aufgereiht. Die Regalinstallation
wurde von Dieter Thiel entworfen,
den eine langjährige Zusammenarbeit
mit Vitra verbindet und der in
früheren Jahren auch viele
Ausstellungen für das Vitra Design
Museum inszeniert hat.
Entsprechend
der Idee eines Schaudepots ist die
Präsentation in der Hauptholle des
Neubaus schlicht gehalten:
Betonboden, weiße Wände,
Stahlregale, Leuchtröhren an den
Decken. Eine Fläche in der Mitte
bleibt frei und erlaubt eine
flexible Bespielung - hier finden
jährlich etwa drei kleine
Wechselausstellungen statt.
Der Haupteingang befindet sich in
der Mitte der südlichen Stirnwand,
sodass man zunächst direkt in der
Halle steht, wo der Empfang und ein
Shop mit Designpublikationen und
ausgewählten Objekten angeordnet
sind. Rechts geht es zu den
Garderoben und Toiletten. In den
öffentlichen Bereichen im
Untergeschoss können die Besucher
durch vier Glasfenster in die
eigentlichen Magazinbereiche
blicken- auf der einen Seite in die
schon bestehenden, auf der anderen
Seite in die neuen.
Diese Transparenz ist ein wichtiges
Ziel, und so öffnet sich auch in dem
im Nebengebäude neu entstandenen
Depot Deli ein Panoramafenster zu
den Büros des Vitra Design Museums.
Der Blick durchstreift den gesamten
Raum bis hin zur
Restaurierungswerkstatt im
Hintergrund.
Das Depot Deli, dessen Interieur von
Studiollse aus London entwickelt
wurde, ist nach dem VitraHaus Cafe
das zweite gastronomische Angebot
auf dem Campus. Zentrales
gestalterisches Element ist ein Raum
beherrschender Tresen, an dem die
Gäste ihre Bestellung aufgeben oder
ihre Take-Away Produkte mitnehmen.
Die Einrichtung ist so konzipiert,
dass hier auch kleinere Talks
stattfinden können.
Schaudepot und Depot Deli teilen
sich die vorgelagerte,mit
Ziegelsteinen gepflasterte und um
einige Stufen gegenüber dem Vorplatz
und der Hauptochse des Campus
abgesetzten Terrasse. Das Volumen
des Vitra Schaudepots selbst ist
orthogonal, schlicht und fensterlos
und wird von einem Satteldach
überdeckt. Das einzige ornamentale
Detail sind die Wände aus vor Ort
aufgeschlagenen HohIlochziegeln, ein
Element, das Herzog & de Meuron
jüngst auch bei ihrer Erweiterung
des Unterlinden-Museums in Colmar
eingesetzt haben.
Die Idee eines archaischen
Hauses,einer «Urhütte>>, ist ein
Thema, das sich leitmotivisch durch
das Werk der Architekten zieht - vom
Blauen Haus in Oberwil (1979/80)
über das Haus Rudin in Leymen (1997)
und das Eingangsgebäude des Sc
haulagers in Münchenstein bei Basel
(2003) bis hin zum Parrish Art
Museum auf Long lsland (2012) . Auch
das VitraHaus basiert auf diesem
Gedanken, doch wurden die sozusagen
extrudierten Hauselemente hier zu
einer extrovertierten
Architekturskulptur arrangiert.
Gegenüber diesem Bauwerk von 2010
gibt sich das neue Vitra Schaudepot
zurückhaltend. Seine r Funktion
entsprechend ist es einer Lagerhalle
verwandt und spielt auf den
Charakter eines reinen Zweckgebäudes
an. Außerdem wäre es problematisch
gewesen, direkt neben dem
Feuerwehrhaus ein weiteres sehr
expressives Gebäude zu errichten.
Bei oller Zurückhaltung ist es
dennoch ein zeichenhohes Gebäude
geworden.
www.vitra.com
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