Die
aktuelle Flüchtlingssituation ist der Ausgangspunkt für die
Ausstellung im Deutschen Pavillon auf der 15.
Architekturbiennale in diesem Sommer. Das DAM ist ausgewählt
worden, die Ausstellung „Making Heimat. Germany, Arrival Country“
in Venedig zu realisieren. Eine Herausforderung für das Team
rund um den Museumsdirektor Peter Cachola Schmal.
Peter Cachola Schmal hat Instinkt, so viel steht fest. Als es
allerorten in Deutschland noch darum ging, Tausende von
Flüchtlingen notdürftig in Turnhallen, Containern und Zelten
unterzubringen, dachte der Leiter des Deutschen
Architekturmuseums in Frankfurt schon weiter. Wo und wie sollen
all diese Menschen später wohnen? Inzwischen ist das eine der
Kernfragen in der Diskussion um das Wie einer erfolgreichen
Integration geworden.
Botschaften formulieren
„Making Heimat. Germany, Arrival country“ überschrieben Cachola
Schmal und sein Team ihre Bewerbung, die sie im Herbst für den
Wettbewerb um die Gestaltung des deutschen Pavillons auf der
Architektur-Biennale 2016 von Venedig einreichten, Dauer vom 28.
Mai bis 27. November. In einem zweistufigen Verfahren setzten
sich die Frankfurter in der international besetzten Fachjury
durch. Der endgültige Auftrag kam dann von der
Bundesbauministerin Barbara Hendricks, eben der Politikerin, die
gerade eine Verdopplung der Bundesmittel für sozialen
Wohnungsbau auf jährlich eine Milliarde Euro gefordert hat.
Der Museumsleiter weiß um Bedeutung und Brisanz dieses Themas.
Angst habe er keine. „Wir wollen bei der Biennale bewusst auch
politische Botschaften formulieren.“ Nur sechs Monate Zeit haben
Cachola Schmal, Kurator Oliver Elser und Projektkoordinatorin
Anna Scheuermann. Anna Scheuermann und Oliver Elser für die
Ausgestaltung der Idee, die Erarbeitung des Auftritts, die
Kampagne, das Fundraising. Unterstützt werden sie vom Berliner
Büro Something Fantastic. Währenddessen geht die
Flüchtlingsdebatte in Deutschland weiter.
Ankunftsstädte konzipieren
Inhaltliche Impulse bekommt das Team auch vom kanadischen
Journalisten Doug Saunders, der als Berater wirkt und mit Blick
auf kommende Migrationsbewegungen den Begriff der „Arrival City“
geprägt hat. Scheitert die Integration der Neuen, wird ein
Ankunftsort zum sozialen Brennpunkt, Brutstätte von Kriminalität
und Extremismus, zum Elendsviertel. Gelingt sie, blüht er auf,
wird zur Geburtsstätte der neuen Mittelschicht, stabiler
Wirtschaft und des sozialen Friedens einer Stadt.
„Frankfurt ist geradezu der Prototyp einer Arrival City, einer
erfolgreichen noch dazu“, meint auch deren Oberbürgermeister
Peter Feldmann. „Die Stadt ist ein Tor in die deutsche
Gesellschaft und damit auch ein Ort, an dem viele Entwicklungen
vorweggenommen werden. Deshalb bin ich sehr gespannt und als
Stadtoberhaupt natürlich auch überaus interessiert, welche
innovativen Lösungen für das drängende Problem einer schnellen
Unterbringung und Integration einer großen Anzahl von Menschen
die Ausstellung aufzeigen wird. Solche Konzepte werden jetzt
dringend gebraucht.“
Wie Feldmann glaubt auch Cachola Schmal, dass gerade in den
Ballungsgebieten wie Rhein-Main der Druck auf den Wohnungsmarkt
noch einmal massiv zunehmen wird. Die neuen Mitbewohner würden
vor allem dorthin gehen, wo es Jobs gibt und wo das Leben
günstig ist.
Der Museumsleiter, der sich selbst als „Freund Offenbachs“
bezeichnet, unterstützte vor zwei Jahren die Idee einer
gemeinsamen Bewerbung Frankfurts und Offenbachs zur europäischen
Kulturhauptstadt, die Oberbürgermeister Peter Feldmann und sein
Offenbacher Amtskollege Horst Schneider immer wieder ins
Gespräch bringen. Offenbach gibt es nicht nur schon jetzt den
höchsten Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Hessen
(2014: 58 Prozent). Dort gibt es auch noch alte brachliegende
Industrieflächen, die der Stadtplanung und -entwicklung Chancen
eröffnen. Zudem weist Offenbach nach dem NUI-Ranking des
Instituts für Mittelstandsforschung die höchste Gründerquote
Deutschlands auf. Hier liegen Chancen, auch für Frankfurt,
glaubt Cachola Schmal und will ausgehend von Offenbach die
Bedingungen einer guten „Arrival City“ formulieren.
Infrastruktur schaffen
Die Gefahr, dass dagegen reine Ausländerviertel entstehen, in
denen Parallelgesellschaften gedeihen, sieht auch er.
Architektur könne dagegen wenig ausrichten. Eher schon die
Stadtplanung. „Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit,
Wohnviertel, die in den 60ern und 70ern entstanden sind,
umzubauen.“ Auch müsse darüber nachgedacht, die im
Bauplanungsrecht bestehende Trennung zwischen Wohnungen und
Gewerbe noch durchlässiger zu machen. „Die Zeiten haben sich
geändert. Es gibt heute sehr viel Gewerbe, das weder laut noch
schmutzig ist.“
Dass die Neuankömmlinge in großer Zahl in ländliche Gebiete etwa
im Osten Deutschlands ziehen, wie es vereinzelt schon Politiker
gefordert haben, glaubt Cachola Schmal dagegen nicht. „Höchstens
dort, wo auch schon Infrastruktur ist.“ Aus Nordrhein-Westfalen
sei ihm das Beispiel einer verlassenen Siedlung im ehemaligen
Braunkohlerevier bekannt, die jetzt wiederbelebt werde. „Das A
und O aber sind die Jobs.“
Projektideen sammeln
In Venedig sollen auch praktische Fragen anschaulich werden: Wie
baut man möglichst schnell möglichst viele Wohnungen zu
günstigen Mieten für wenig Geld? Das ist der Teil des „Wir
schaffen das“, auf das nur die Stadtentwickler und Architekten
in diesem Land Antworten finden müssen. Das Deutsche
Architekturmuseum hat dazu Architekten aus ganz Deutschland
aufgerufen, Projektideen zu schicken. „Wichtig war es mir, dass
sie möglichst konkret sind, am besten schon kurz vor der
Umsetzung stehen.“
Rund 60 Entwürfe hat das Team inzwischen versammelt. Sie stellen
den deutschlandweiten Stand der fachlichen Auseinandersetzung
mit dem Thema dar. Allzu viel mag Cachola Schmahl noch nicht
verraten. „Einige arbeiten mit Holz, andere mit Metall.
Interessanterweise sind wenige Architekten dabei, die wir
kannten.“ Viele seien schon mit Beginn der Flüchtlingskrise
proaktiv tätig geworden. In München etwa habe sich ein Büro
direkt mit einem Containerhersteller zusammengetan, um flexible
Modullösungen zu entwickeln. Zur Biennale will das Museum
gemeinsam mit der Zeitschrift „Bauwelt“ auch eine
Internet-Plattform ins Leben rufen, auf der sich Landräte und
Kommunen über den Stand der Dinge umfassend und passgenau
informieren können.
Standpunkte mitteilen
Cachola Schmal ist stolz. „Es gibt keine wichtigere
Architekturausstellung auf der Welt als die Biennale“, sagt er.
Zudem reihe sich das Architekturmuseum ein in eine schon sehr
eindrucksvolle und lange Tradition Frankfurter
Biennale-Kuratoren wie zuletzt Susanne Gaensheimer, Direktorin
des Museums für Moderne Kunst (MMK). Auch das Deutsche
Architekturmuseum selbst war schon einmal mit der Aufgabe
betraut: 1991, damals noch unter Museumsdirektor Vittorio
Magnago Lampugnani.
Making Heimat – das Motto passt perfekt zum Gesamtmotto der
Kunstbiennale von Venedig, die in etwa eine Dachmarke darstellt:
„Reporting from the front“. Kreativ begibt sich das Museum hier
mitten in die politische Arena. „Wir werden eine These haben.
Und was wir erzählen, ist unsere kuratierte Meinung“, sagt
Cachola Schmal selbstbewusst. Irgendwann, da sei er überzeugt,
werde Deutschland ein Einwanderungsministerium haben. „Wir
lassen uns momentan auf Flüchtlinge ein. Wir lassen uns noch
nicht auf Einwanderer ein.“