Frank
Bürgi untersucht die Elementbauten der Holzbau AG Lungern, die
von 1925 bis 1935 errichtet wurden. Es war bekannt, dass die
Firma moderne Holzbauten mit eigenem Bausystem vorfabriziert und
vielerorts errichtet hat. Was bisher unbekannt war, ist die
genaue Konstruktionsweise des patentierten Systems. Über die
Verbreitung und Anzahl der Holzhäuser aus Lungern gab es kaum
genaue Daten. Auch die architektonisch-formale Entwicklung blieb
weitestgehend unbekannt. Die vorliegende Studie versucht gleich
mehrere dieser Forschungslücken zu schließen. Begleitet wird die
Publikation neben Planmaterial durch zahlreiche Abb.
zeitgenössischer s/w Fotografien und den Prospekten des Unternehmens.
Alles begann mit der Entdeckung einer alten Firmenbroschüre. Die
Sichtung der Firmennachlässe brachte die aufschlussreiche
Erkenntnis, dass diese Archivunterlagen nicht nur regionale
Bedeutung haben. Im Zentrum der Untersuchungen steht ein
Holzbauunternehmen aus dem Schweizer Kanton Oberwalden. Die
Arbeit nimmt für sich in Anspruch, erstmals anhand eines
Unternehmens der Entstehung architektonischer Moderne in der
Schweiz in den frühen 1930er Jahren empirisch auf den Grund zu
gehen.
Außerdem wird gesagt, der Einzug der Moderne soll nicht über
eine Architekturmonographie oder über ein bestimmtes
geografisches Gebiet beschrieben werden. Das Archiv der Holzbau
AG Lungern bot eine Gelegenheit anhand der Produktpalette die moderne Elementbauweise aufzuzeigen.
Hintergrund der Arbeit ist, dass seit geraumer Zeit viele
Gebäude aus den 1920er und 1930er Jahren im besonderen Interesse
des Schweizer Denkmalschutzes stehen. Zu Beginn der 1930er Jahre
erlebte der Bau von Wohn- und Ferienhäusern in Holz in der
Schweiz einen Aufschwung. Das Holzhaus bietet alles
was wir brauchen, erklärte die Holzbau AG Lungern im Jahre 1934.
Der moderne Architekt erhebt nicht mehr den Anspruch für die
Ewigkeit zu bauen, meinte Peter Meyer in: Moderne Architektur
und Tradition, aus dem Jahre 1927.
Die neue Publikation spricht nicht nur Architekten und
Kunsthistoriker an, sondern sie wendet sich zugleich an Personen
der Holzbaubranche sowie an Technikinteressierte. Dieses
Firmenbeispiel legt nahe, wie industrielle Produktion den
Vorsatz der architektonischen Moderne mit sich bringt. Das zeigt
mitunter den Innovationswert, den Messen und Kongresse mit einer
produktorientierten Verkaufsstrategie haben.
Ein Blick ins Sachregister und dort ins Ortsverzeichnis verrät,
wo und wie weit die Holzbau AG überall Verbreitung fand. Das
Ortregister füllt mehrere Seiten. Ebenso weiterführend ist das
Namensregister. Paul Bonatz, Mies van der Rohe, Hans Poelzig,
Peter Zumthor, Hans Scharoun, Bruno Taut, Frank Lloyd Wright,
Adolf Loos, Le Corbusier, Friedrich Weinbrenner tauchen neben
den vielen anderen und eidgenössischen Baumeistern auf.
Inhaltlich wird nach der Einleitung ein Grundlagenkurs geboten,
was so viel wie ein Überblick auf die Firmengeschichte der
Holzbau AG Lungern ist. Die Erschließung des Archivs wird als
Voraussetzung für die gesamte vorliegende Arbeit betrachtet. Die
Wiedergabe des aktuellen Forschungsstandes ist üblich in
wissenschaftlichen Arbeiten und wichtig, um zu wissen woran man
ist mit der Arbeit. Hervorgehoben wird die Bedeutung
des Holzhausbaus der frühen Moderne. Stellt sich die Frage für
den Unkundigen, was ist mit frühe Moderne gemeint?
Geprägt wurden die Bezeichnungen erste und zweite Holzbaumoderne
durch den Architekturhistoriker Christof Kübler in einem 1996
publizierten Artikel in der NZZ. Genannt in diesem Zusammenhang
sind auch Neue Sachlichkeit und Neue Einfachheit, wobei der
erstere von beiden vielleicht am gebräuchlichsten zu verstehen
ist. Dabei kam es vor, so im Text weiter, dass aufgrund eines
überragenden Dachrandes die Aufnahme in den Congrès
Internationaux d'Architecture Moderne (CIAM) verweigert wurde.
Kragränder an Dächern gehören schlechthin einer traditionellen
Bauweise an. Die erste Holzbaumoderne ist dann ein spezifisch
schweizerisches Phänomen, heißt es. Während der Erläuterungen
werden auch Unterschiede zur Bauweise in Deutschland und
Österreich erkannt und Vergleichsgruppierungen wie Deutscher
Werkbund zitiert, der eine ähnliche Ausrichtung in Bezug auf das
Handwerk innehatte wie der Schweizerische. Das ist und bleibt
insgesamt sehr aufschlussreich. Was daran anschließt, ist ein
Abriss über die Architekturgeschichte der schweizerischen
Holzbauten seit dem 19. Jahrhundert, untermalt mit grafischen
und fotografischen Abbildungen. Die abgebildeten historischen
Pläne demonstrieren frühe Beispiele dieser Bauweise. Schließlich
führt die Beschreibung zur patentierten Bauart Lungern. Vom
Neuanfang 1926 ist die Rede und der Ablösung von altem und neuem
Bauen. Wobei zahlreiche Firmen der Schweiz zur gleichen Zeit
Holzhäuser in Fertigbauweise anboten und Lungern keineswegs ein
Einzelfall ist.
Frühmoderne Architektur aus der
Fabrik
Die Holzbau AG Lungern 1925–1935
Autor:
Frank Bürgi
Schwabe Verlag, Basel
1. Auflage 2015
gebunden, 188 Seiten
161 Abbildungen, davon 13 in Farbe
Größe: 17,4 x 25,4 x 2 cm
ISBN 978-3-7965-3428-7