Europa am Scheideweg: Integration oder Zerfall
Bucheinband und Meldung:
Springer Vieweg, Wiesbaden,
September 2015 |
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Sammelband
beschreibt die zunehmenden Solidaritätsbrüche, die in Europa
vorkommen und nimmt zukunftsweisende Entwicklungen voraus und
differenziert sie
Die Grexit-Debatte hat es gezeigt: Die Finanz- und
Wirtschaftskrise hält Europa weiterhin in ihrem Bann. Soziale
Ungleichheiten steigen, und ein Klima der Verunsicherung bewirkt
in vielen Mitgliedsstaaten den Wunsch nach nationaler
Abgrenzung. Nach Ansicht von Wolfgang Aschauer befindet sich
Europa am Scheideweg: „Brüche der Solidarität zwischen
EU-Staaten und den beteiligten Völkern am Projekt Europa treten
immer offener hervor.“ Das hätten das griechische Oxi-Votum
gegen die europäische Sparpolitik genauso gezeigt wie die
zunehmenden Stimmen für einen Ausschluss der Griechen aus der
Währungsunion. Die zukünftige Entwicklung – hin zu einer
weiteren Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion oder hin
zu einem sukzessiven Zerfall der europäischen Integration – sei
schwer zu prognostizieren. Der neue von Aschauer gemeinsam mit
Elisabeth Donat und Julia Hofmann herausgegebene Springer
VS-Sammelband Solidaritätsbrüche in Europa erscheint damit genau
rechtzeitig, um die öffentliche Diskussion mit fundierten
Analysen der aktuellen politischen, wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Konstellationen in Europa zu bereichern.
„Eine wissenschaftliche Analyse der europäischen
Integrationsthematik und der soziologischen Folgen der
gegenwärtigen Wirtschaftskrise hat den Nachteil, dass fundierte
Forschung viel Zeit braucht und aktuelle gesellschaftliche
Entwicklungen in der Regel erst im Rückblick betrachtet werden
können“, sagt Wolfgang Aschauer. Der Sammelband bilde aber eine
Ausnahme, denn die konzeptionellen Beiträge und empirischen
Studien aus mehreren Ländern stammen von Soziologen, die sich
seit Jahren mit der Gefahr von Entsolidarisierungsprozessen in
Europa befassen. Thematisiert werden sowohl die institutionellen
als auch die gesellschaftlichen Dynamiken gegenwärtiger
Solidaritätsbrüche. Während Stefan Immerfall beispielsweise auf
Basis der fortschreitenden EU-Integration keine Stärkung der
transnationalen Solidarität, sondern eine Gefährdung des
europäischen Zusammenhalts prognostiziert, geht Max Haller noch
einen Schritt weiter. Er plädiert für eine abgestufte
Integration, um der gegenwärtigen West-Ost- und
Nord-Süd-Spaltung Europas besser gerecht zu werden. Wolfgang
Aschauer selbst befasst sich in seinem Beitrag mit der
zunehmenden Spannung zwischen der Systemintegration auf
institutioneller Ebene und der Sozialintegration auf
gesellschaftlicher Ebene. Aus seiner Sicht ist die abnehmende
Solidarität der Bürger vorrangig auf individuelle
Verunsicherungen zurückzuführen: „Die Menschen sind
gesellschaftlichen Abstiegsängsten ausgesetzt und kompensieren
diese – vereinfacht gesprochen – mit einer ego- oder
ethnozentrischen Sicht auf die Welt.“
Weitere Beiträge setzen die benachteiligten
Bevölkerungsschichten ins Zentrum ihrer Analysen – die
Bandbreite reicht von Armutstafeln und Hartz IV-Reformen in
Deutschland über die Schattenseiten des Sozialstaates am
Beispiel des Invalidenversicherungsgesetztes der Schweiz bis hin
zu europäischen Wanderarbeitern, die unter erschwerten
Bedingungen ihren Lebensunterhalt bestreiten. Zudem nimmt die
Ausformung von Vorurteilen einen prominenten Stellenwert im Buch
ein, für die in der aktuellen Krise nicht mehr nur die
sogenannten „Modernisierungsverlierer“, sondern breitere
gesellschaftliche Kreise empfänglich sind. Die Wirtschafts- und
Staatsschuldenkrise wird Europa noch über Jahre prägen. Das Buch
befindet sich damit am Puls der Zeit, so Aschauers Fazit: „Die
Beiträge nehmen zukunftsweisende Entwicklungen in Europa in den
Blick.“
Der Sammelband ist in der Buchreihe Europa – Politik –
Gesellschaft erschienen. Die Reihe versammelt innovative
Beiträge aus der sozialwissenschaftlichen Europaforschung und
öffnet neue Forschungshorizonte an den Schnittstellen von
nationaler Gesellschaft, europäischen Institutionen und globalen
Arenen.
Dr. Wolfgang Aschauer ist Assistenzprofessor im Bereich
Europäisch vergleichende Sozialstrukturanalyse am Fachbereich
Politikwissenschaft und Soziologie, Abteilung Soziologie und
Kulturwissenschaft der Universität Salzburg.
Dr. Elisabeth Donat ist am Fachbereich
Politikwissenschaft und Soziologie, Abteilung Soziologie und
Kulturwissenschaft der Universität Salzburg tätig.
Julia Hofmann ist Universitätsassistentin am Institut für
Soziologie der Universität Linz.
Solidaritätsbrüche in Europa
Konzeptuelle Überlegungen und empirische Befunde
Wolfgang Aschauer | Elisabeth Donat | Julia Hofmann (Hrsg.)
Springer Vieweg Verlag, Wiesbaden
1. Auflage, 2015
Broschiert, 270 Seiten
ISBN 978-3-658-06404-4
Auch als eBook verfügbar |