Tendence 2015 und was von der Konsumgütermesse aus Frankfurt erwähnenswert ist

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Zu Anfang der internationalen Messe stand die Teilnahme an einem Rundgang mit Hans Maier-Aichen, Professor für Produktdesign an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, der regelmäßige Führungen auf den Konsumgütermessen in Frankfurt anbietet. Was jedesmal Einblicke auf Marktneuheiten mit dem Blickwinkel des Designers liefert. Deshalb war es nicht überraschend, dass sich die Gruppe ausgestattet mit funkgesteuerten Headsets zum Mithören und Prof. Mayer-Aichen mit dem Mikrofon in der Hand auf den Weg machten, um sich bei der Länge des Messerundgangs vom Startpunkt aus in Richtung der Hallen zu bewegen. Über mehrere Etagen hinweg waren in Halle 9 die Aussteller und Produkte an den Ständen, um Fachbesucher und Händler zu umwerben, welche Interesse an Produktpaletten zeigen und ordern wollen. Aber auch Halle 11.1 und Halle 8 waren stark besucht.

 

Die Gruppe steuerte zuerst einen Stand in Halle 9 auf Ebene 2 an, der mit "Linking Maker & Markets" afrikanische Originalprodukte vermarktet. Sich aber auch weltweit betätigt mit der Bezeichnung: "CBI-Centre for the Promotion of Imports from Developing Countries" Siehe Website:  www.cbi.eu

 

Geflochtene Taschen, kleinere Sitzmöbel und andere Accessoires, die aufgrund Musterung und Ornamentik eindeutig als solche aus Afrika wiederzuerkennen sind. Darauf lag der Schwerpunkt der Produkte am Stand, wobei die Vermarktung der afrikanischen Waren in Europa der Bedeutung eines Wertsiegels gleichkommt. Zu sehen waren nicht unbedingt Neuheiten, wie Maier-Aichen an diesem Stand kritisch bemerkte. Die Wiederholbarkeit bisheriger Produktschlager in neuem Outfit erfüllt die Ansprüche der Messeveranstalter ebenfalls.

 

Der nächste Stand befasste sich mit dem Material Kork und beruht auf einer Initiative der Hochschule für Gestaltung Karlstruhe HfG. „Old World – New World“ war Bestandteil der Fachmesse für nachhaltige Konsumgüter, Ecstyle, auf der Tendence 2015. Das von den zwei Professoren, Hans Maier-Aichen und Walter Albus betreute Projekt beschäftigte sich mit dem Naturmaterial Kork und ermöglichte Studierenden der HfG Karlsruhe, die spezifischen Eigenschaften des ökologischen Materials zu erkunden und Gestaltungsideen zu entwickeln. Das Ergebnis war an einem von Mariano Gemmo und Denis Bulut farbig gestalteten Stand in Halle 9.2 Stand A-60 der Frankfurter Messe zu sehen.

 

Auf einer Exkursion in den Norden Portugals und mit Unterstützung der Firma Amorim, dem führenden Korkunternehmen Europas, konnte sich eine Gruppe von Studierenden der Hochschule dem Rohstoff Kork annähern und einen erweiterten Einsatz sowie neue Perspektiven entwickeln. Auf diese Weise entstanden Produktideen mit einem hohen Wiedererkennungswert.

Die Ecostyle ist eine Fachmesse für nachhaltige Konsumgüter und findet parallel zur internationalen Konsumgütermesse Tendence statt. Aussteller präsentieren hochwertige, verantwortungsvolle Konsumgüter, die Design, Funktionalität und Ökologie verbinden.
 

In Halle 9.0 traf der Rundgang just in dem Moment ein, als der 1. Preisträgerin des Hessischen Staatspreises 2015, Diana Stegmann, die Mitteilung des Siegerpreises überbracht wurde für das vor ihr ausgestellte Weidengeflecht mit einer eigenwilligen Formgebung nach außen strahlenden Weidestreben. Etwa fünf Jahre Entwicklungszeit waren nötig, um solche Weidenkörbe herzustellen, die auf einer der ältesten kunsthandwerklichen Techniken der Weidenflechterei beruhen.

 

Diana Stegmann ist freischaffende Flechtgestalterin aus dem Wendland. www.diana-stegmann.de

Die Jury zeichnet die Arbeit von Diana Stegmann mit dem 1. Platz des Hessischen Staatspreises für das Deutsche Kunsthandwerk aus. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass Stegmann mit ihrer kreativen Neugier eine der ältesten Handwerkstechniken – das Flechthandwerk – neu interpretiert habe. Sie schaffe es, dass die Weidenflechterei über die sonst erlebte Funktionalität handwerklich weit hinausgehe. Ihre Objekte seien eine hervorragend gelungene Kombination aus handwerklicher Tradition und künstlerischer Moderne.

Als Korbflechterin kann man Diana Stegmann tatsächlich nicht bezeichnen. Eher als Virtuosin in der Flechtkunst, die ihr an der Staatlichen Berufsfach­schule für Korbflechterei in Lichtenfels gelerntes Handwerk mit einem tiefen Verständnis für die Form verbindet und konsequent weitertreibt. „Der Begriff ´Korb´ weist zu sehr auf die Verwendung des Objekts hin – mir geht es in erster Linie um das Material, mit dem ich arbeite: die Weide.“ Stegmann konzentriert sich bei ihrer Materialwahl auf die Weidenrute, da sie traditionell in Europa vorkomme und verarbeitet werde und – trotz eines erstaunlichen Farbspektrums der Objekte – von Stegmann nur in unbehandelter Form Verwendung findet.

Auch technisch entfernt sich Stegmann radikal von der Flechtkunst. Sie verwendet hauptsächlich die Spitzen, und nicht wie traditionell üblich, die längeren Ruten der Weide. In ein Geflecht aus vertikalen Staken arbeitet sie die verhältnismäßig kurzen, daher schwer zu verankernden Weidenspitzen horizontal ein. Sie ragen in festgelegter Länge spitz aus dem Objektkörper heraus, „geben die Innenform nach außen“ und stellen für Stegmann eine „sichtbar gemachte flechterische Bewegung“ dar. Die geschwärzten Enden der Spitzen verstärken die Wirkung der nach außen getragenen Form zusätzlich.

„Meine Objekte sind auf ihre Art sperrig, sie haben etwas Kontroverses in sich.“ Jede Seite zeigt sich anders, bei manchen Objekten ist erst in der Draufsicht die wahre Gestalt des Objekts erkennbar.

Für die Jury steht fest: „Stegmann versteht es meisterhaft, ihre hohe handwerkliche Kompetenz und ihre kreative Gestaltungskraft im Zusammenspiel von Flechten und Material einzusetzen. In jedem ihrer Objekte manifestiert sich eine erstaunliche Kunstfertigkeit und eine hohe Materialästhetik. Die geflochtene Gesamtform des Körpers ist in sich organisch und fließend und vereint den Gegensatz einer weichen Flechtform und einer stacheligen Außenoberfläche in einer außergewöhnlichen Art und Weise.“

 

 

Interessant waren auch die archaisch anmutenden Skulpturen von Peter Vogel, die etwas widerspenstig wirken in der Ausführung. Inhaltlich aber durchaus den Nestcharakter bewahrt haben. Wie Fragmente historischer Altertümer gedrehte Kolben, Hülsen und Windungen aus porösem Material. Die Plastiken sind stark künstlerisch inspiriert, mehr als dass sie kunsthandwerklichen Anforderungen der Nutzbarkeit dienen. Um so faszinierender sind diese Formen, weil sie dem Betrachter unvergesslich in Erinnerung bleiben, bevor sie einer funktionalen Bestimmung gerecht werden, zum Beispiel als Vogelnest.     www.petervogel-holzobjekte.de

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 06. September 2015