Hamburger Speicherstadt und Kontorhausviertel sind Unesco-Welterbe

Meldung: Unesco, 05. Juli 2015

  Komitee würdigt Ensemble als einzigartige maritime Industriearchitektur.
Das UNESCO-Welterbekomitee hat heute die Hamburger Speicherstadt und das Kontorhausviertel mit Chilehaus in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Das Komitee betonte, dass die Stätte auf einzigartige Weise die Folgen des rasanten internationalen Handelswachstums im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert symbolisiere. Die zwischen 1885 bis 1927 erbaute „Stadt aus Speichern“ mit ihrem Verbindungsnetz aus Straßen, Kanälen und Brücken sowie die moderne Backsteinarchitektur der Bürohauskomplexe aus den 1920er bis 1940er Jahren habe einen außergewöhnlichen universellen Wert.

Prof. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt und Vorsitzende des UNESCO-Welterbekomitees: "Ich gratuliere den Hamburgerinnen und Hamburgern sehr herzlich zu diesem wunderbaren Erfolg. Ich freue mich, dass das Engagement der Hansestadt für den Schutz und Erhalt ihres Kulturerbes heute überragende internationale Anerkennung gefunden hat. Es steht für die Kultur der Weltoffenheit, die die Hansestadt seit jeher prägt."

Dr. Verena Metze-Mangold, Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission: "Die Hamburger Speicherstadt und das Kontorhausviertel mit Chilehaus ist die 40. Welterbestätte in Deutschland. Dieses größte zusammenhängende, einheitlich geprägte Speicherensemble der Welt vermittelt in einzigartiger Weise die maritime Industriearchitektur des Historismus und Modernismus. Ich freue mich sehr, dass das Welterbekomitee das Ensemble heute in eine Reihe mit den Pyramiden Ägyptens, dem Mont Saint-Michel, dem Tadsch Mahal, oder der Inkastadt Machu Picchu gestellt hat. Nun ist es unsere Aufgabe, die Stätte zu schützen und für den interkulturellen Dialog zu nutzen."

Bis heute ist die Speicherstadt nahezu unverändert erhalten. Sie wurde auf Eichenpfählen in drei Bauabschnitten auf einer Inselgruppe in der Elbe errichtet und besteht aus 15 großen Lagerhäusern mit rotem Backstein in neogotischer Architektur. Das benachbarte Kontorhausviertel mit seinem hochwertigen Design und seiner funktionellen Konstruktion steht für moderne Architektur und Städtebau. Es war Anfang des 20. Jahrhunderts das erste reine Büroviertel in Europa. Architektonisch bedeutsam ist das von Fritz Höger errichtete Chilehaus, das mit seiner spitz zulaufenden Form an einen Schiffsbug erinnert. 2.800 Fenster und 4,8 Millionen Backsteine wurden in dem Gebäude verbaut, das heute als Ikone des Klinkerexpressionismus gilt.

Das UNESCO-Welterbekomitee tagt noch bis zum 8. Juli in Bonn. Dem Komitee gehören 21 Staaten aus allen Kontinenten an, darunter seit 2011 auch Deutschland. Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer ist aktuell Vorsitzende des Welterbekomitees.

Weitere Infos: www.hamburg.de/weltkulturerbe
Weitere Infos zur Speicherstadt: www.hhla.de/speicherstadt
Infos zum Chilehaus unter: www.chilehaus.de
Pressefotos unter: www.marketing.hamburg.de/unesco-welterbe.html

 

Auf dieser Seite werden Bilder von folgenden Urhebern genutzt:
Speicherstadt: Staatsarchiv Hamburg / Nicolai Wieckmann, Speicherstadt: Staatsarchiv Hamburg / Nicolai Wieckmann, Kontorhausviertel: Staatsarchiv Hamburg / Sabine Ganczarsky, Chilehaus - Spitze: Staatsarchiv Hamburg / Sabine Ganczarsky, Sprinkenhof: Staatsarchiv Hamburg / Sabine Ganczarsky, Barbara Kisseler: Bertold Fabricius
 


Fakten über die Speicherstadt und das Kontorhausviertel

Speicherstadt
 größtes zusammenhängendes Denkmalensemble Hamburgs
 seit 15.5.1991 unter Denkmalschutz (inkl. Wiederaufbauphase, Straßen, Freiflächen, Kanälen,

 

Kaimauern und Brücken
 Lage: zentrale innerstädtische Lage, südlich der Altstadt auf den beiden ehemaligen Elbinseln

 

Kehrwieder und Wandrahm
 Fläche Areal: 26 Hektar
 Ausdehnung: 1,5 Kilometer zwischen Baumwall/Niederbaumbrücke (Westen) und Oberhafen/Oberbaumbrücke (Osten); 150 bis 250 Meter zwischen Zollkanal (Norden) und Sandtorkai (Süden)
 Anzahl und Benennung der Speicher: 17 Gebäudekomplexe (heute 15) mit alphabetisch nummerierten Speicherblöcken von A bis X (Auslassung: F, I), rund 300.000 Quadratmeter Lagerfläche
 Bauherr: Hamburger Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft (HFLG, heute HHLA)
 Architekten / Planer: Oberingenieur Franz Andreas Meyer (leitender Planer, Baudeputation), Georg Thielen, Hanssen & Meerwein, Gustav Schrader, Stammann & Zinnow
 Bauzeit: 1885–1927, drei Bauabschnitte: 1885–1889 erster Bauabschnitt (Straßen, Fleete, Speicherblöcke A bis O = 60 Prozent der Gesamtlagerfläche); 1891–1896 zweiter Bauabschnitt (Blöcke P, Q, R); 1899–1927 dritter Bauabschnitt (Blöcke S bis X; Unterbrechung durch ersten Weltkrieg und Inflation); vierter Bauabschnitt (Blöcke Y, Z) geplant, aber nie errichtet.
 Einweihung: 29. Oktober 1888 durch Kaiser Wilhelm II.
 Städtebau / Struktur: einheitliche, innerhalb der einzelnen Baukörpertypen nur geringfügig unterschiedliche, langgestreckten Backstein- und Klinkerbauten mit einer landseitigen und einer wasserseitigen Erschließung über Fleete
 Gründung: auf rund 3,5 Millionen Holzpfählen, bis zu 12 Meter tief
 Bauweise/Konstruktion: Skelettbauweise, anfangs Eisenträger-Konstruktion, wegen Einsturzgefahr im Brandfall dann Rückgriff auf Holzbalkenkonstruktion mit Eichenholzstützen, im 3. Bauabschnitt gusseiserne Stützen; Wiederaufbau und Neubauten nach dem Zweiten Weltkrieg in Stahlbeton
 Gestaltung: Historismus (Hannoversche Schule), Speicher: neugotische, rote Backstein-Fassaden, Gliederung durch Lukenachsen, Zwerchhäuser und Windenausleger, am dritten Bauabschnitt zusätzliche wasserseitige Treppentürme („Westfalentürme“ = Fluchtwege); HFLG-Verwaltung („Rathaus der Speicherstadt“, 1902–04): rotes Verblendmauerwerk mit Sandsteingliederungen, Renaissance-Charakter
 Ausstattung: seinerzeit erster größerer Gebäudekomplex in Hamburg mit vollständiger elektrischer Außen- und Innenbeleuchtung; wasser- und landseitige Winden
 

2
 Kriegszerstörungen: mehr als 40 Prozent zerstört, ab 1952 Wiederaufbau in
Anlehnung an die historischen Formen unter Beibehaltung des erhaltenen
Mauerwerks (Blöcke G, O, R, T neu konzipiert) Blöcke A, B, C, J nicht wieder
errichtet (anstelle A, B, C, J, K heute Hanseatic Trade Center)


 Hochwasserschutz: Lage außerhalb der Hauptdeichlinie, Geländehöhen zwischen
+4,50 m NN und +5,50 m NN (gültiger Bemessungswasserstand: +7,30 m NN)
Flutschutzmaßnahmen nur für einen Teil der Speicher (Objektschutz)
 

Kontorhausviertel
 bedeutendste Kontorhäuser:


o Chilehaus (Fritz Höger, 1922–24),
o Meßberghof (ursprünglich Ballinhaus, Hans und Oskar Gerson, 1922–24),
o Sprinkenhof (Fritz Höger, Hans und Oskar Gerson, 1927–43, drei
Bauabschnitte),
o Mohlenhof (Klophaus / Schoch / zu Putlitz, 1927/28)


 Begriff Kontorhaus: Mietbürohaus (Einflüsse: amerikanisches Bürohaus und
Berliner Warenhaus); kleinteilige Nutzung, vorrangig hafenabhängige und hafennahe
Branchen; flexible Grundrisse, frei aufteilbar, Stahlbeton- oder Stahlskelettbauweise,
Treppen/Aufzüge Toiletten in kompakten Kernen, hoher technischer Standard (um
1900: Paternoster, Zentralheizung, elektr. Beleuchtung, Telefonanschlüsse)


 Lage: zentral, südöstliche Altstadt, direkt südöstlich der ersten Keimzelle der Stadt,
der Hammaburg (Domplatz), gelegen zwischen Steinstraße (N), Klosterwall (O),
Meßberg (S) und Brandstwiete (W)


 Ausdehnung: rund 250 Meter (N–S) / 600 Meter (O–W)


 Planungskontext: mit Wachstum des Hafens Bedarf an Büroflächen,
Altstadtsanierung nach Choleraepidemie 1892, ab 1913 Abbruch der Gängeviertel
(enge Wohnbebauung), 1914 städtebaulicher Ideenwettbewerb, 1926 Änderung
Bebauunsgplan durch Fritz Schumacher (unter anderem Vergrößerung
Burchardplatz)


 Städtebau: konsequente, moderne Citybildung, monofunktionales
Dienstleistungsviertel, zehngeschossige Bauten (Chilehaus, Meßberghof) zählen zu
den ersten Hochhäuern Deutschlands, einheitliche Gestaltung: Blöcke in Backstein,
 

Flachdächer mit Staffelgeschosse
c) Chilehaus
 

 Lage und Grundstück: unregelmäßiges Grundstück, Überbauung der Fischertwiete,
Umbauung Haus der Landherrenschaft (Depenau 1 / Klingberg 1, Albert Erbe 1906-
1908)
 

 Fläche: 36.000 Quadratmeter Geschossfläche, Grundstück 6000 Quadratmeter
 

3
 Bauherr: Henry Brarens Sloman (Importeur von Chile-Salpeter, seinerzeit reichster Mann Hamburgs, 1921 Erwerb des Baugrunds)

 Architekt: Fritz Höger

 Bauzeit: 1922–1924

 Architektur und Entwurf: Backsteinexpressionismus, kleinachsiger, vertikaler Einzelrhythmus der Fassaden, monumentaler Charakter, Schiffsbugmotiv (langer Entwurfsprozess, 17 Bauanträge an Senat), ebene und gekurvte Fassadenseite, Andenkondor an Spitze, Keramiken von Richard Kuöhl

 Bauweise/Konstruktion: Eisenbetonskelettbau, Fassaden überwiegend aus Massivmauerwerk, Konstruktionsachsmaß: 6,18 Meter, alle (auch nichttragende) Fassadenpfeiler gleich breit (0,72 Meter); zehn Geschosse, davon 4 Staffelgeschosse

 Weitere Zahlen zum Bau: 4.000 Handwerker beteiligt, errichtet aus 4,8 Millionen Ziegelsteinen (die Sloman von stagnierenden Bauprojekten der Inflationszeit aufkaufte)

 Denkmalschutz seit: 27. September 1983

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 05. Juli 2015