Das Erbe der Nachkriegsmoderne zwischen Erhalt und Abriss -  Paul Schneider von Esleben. Ausstellungen in NRW

 Meldung: M:AI NRW

Am 23. August 2015 wäre Paul Schneider von Esleben 100 Jahre alt geworden. Er hat mit seinen Projekten die Nachkriegsarchitektur der Bundesrepublik bis in die 1970er Jahre nachhaltig geprägt. Gerade in Nordrhein-Westfalen hat er eine Reihe von Bauwerken hinterlassen, die die architekturgeschichtlichen Entwicklungen der ersten zwei Jahrzehnte nach dem Krieg spiegeln. Gebäude waren für ihn Gesamtkunstwerke, die er bis ins Detail – sei es Kunst am Bau oder das Mobiliar – durchgestaltet hat.

Fertigstellung: 1958 | Denkmalschutz: 1997

Als elegante, flache Scheibe zeigt das Haus seine Schmalseite Richtung Ufer, flankiert von der alten Mannesmann-Hauptverwaltung. Das schlanke, 24stöckige Hochhaus am Rhein war in mehrfacher Weise ein Experiment: Bauweise und Materialien waren neu in der Bundesrepublik – eine symbolhafte Architektur für ein aufstrebendes Unternehmen. Nach amerikanischem Vorbild entwarf Schneider von Esleben dieses Gebäude als ein Stahlskelett, das um einen Betonkern herum errichtet wurde. Es ist also kein Gebäude mit tragenden Wänden, sondern von den Mannesmann-Röhrenwerken produzierte Stahlrohre tragen Decken und Fassade. Ummantelt wird die Fassade mit emaillierten Blechpaneelen und Glas-Elementen, die speziell für dieses Gebäude entwickelt wurden. Bis kurz vor Bauende gab es immer wieder Kritiker, die am liebsten Ziegel- statt Blechbrüstungen an dem Hochhaus gesehen hätten. Im Mannesmannhaus wird Teil 1 der Ausstellung gezeigt: Das Bauwerk ist dabei größtes Exponat, in dem die Gestaltungsleistung  Paul Schneider von Eslebens beispielhaft gezeigt wird.

Das M:AI nimmt das Jubiläumsjahr zum Anlass, sich in einer Ausstellung dem Arbeiten und Leben des Architekten zu widmen. Die Ausstellung wird an zwei Orten gezeigt: im Haus der Architekten (Architektenkammer NRW) und in dem von Schneider von Esleben entworfenen Mannesmannhochhaus in Düsseldorf. Das Hochhaus wird zum größten Exponat der Ausstellung – hier wird die Geschichte des Bauwerks am Original vermittelt, denn es zeigt im Detail wie Schneider von Esleben entworfen und gestaltet hat. Seiner Person als Künstler, Architekt, Unternehmer und Persönlichkeit in der Düsseldorfer Gesellschaft widmet sich der Ausstellungsteil in der Architektenkammer. Reizvoll für alle Besucher: Mit der Rochus-Kirche, der Haniel-Garage, der Rolandschule und dem ehemaligen Commerzbank-Gebäude befinden sich weitere seiner Projekte auf Düsseldorfer Stadtgebiet.

 

In diesem Spätsommer werden sich einige weitere Aktionen von unterschiedlichen Partnern in Düsseldorf mit Schneider von Esleben beschäftigen, so dass zusammen mit den Ausstellungen vielfältige Begegnungen mit dem Werk des Architekten möglich sind. Partner ist das Wirtschaftsministerium NRW als Mieter des Mannesmannhochhauses, das sonst nicht zugängliche Räume öffnen wird. Ebenso Partner ist die Architektenkammer, die Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen beiträgt.

Ausstellungsorte

Ausstellung im Mannesmannhochhaus/Wirtschaftsministerium: „Das Mannesmann – Architekturikone des Wirtschaftswunders“, Berger Allee 25, 40213 Düsseldorf

www.mweimh.nrw.de

Ausstellung im Haus der Architekten: „Die Marke PSE - Architektur zwischen Erhalt und Abriss, Zollhof 1 in 40221 Düsseldorf

www.aknw.de

Fertigstellung 1973

In der Talachse der Stadt ragt dieses elegante, 75 Meter hohe Gebäude mit seinem quadratischen Grundriss gen Himmel. Das oberste Stockwerk hebt sich von dem Rest ab: Es scheint mit seinen Sitzungssälen über den 18 Etagen des Turms zu schweben. Markant ist der pyramidiale Unterbau, der das oberste Stockwerk über dem Luftgeschoss trägt. In der Gebäudemitte befindet sich ein quadratischer, tragender Stahlbetonkern mit allen Versorgungseinrichtungen. Markant an den Fassaden sind jeweils zwei schlanke, außen liegende Hängestützen-Konstruktionen, die die Bürogeschosse von außen tragen. Diese Konstruktion wurde gewählt, weil der Bauherr stützenfreie Räume wünschte. Zu dem Komplex gehört noch ein ebenfalls quadratisches dreistöckiges Kassengebäude mit einer Spiegelwand des ZERO-Künstlers Adolf Luther und ein Parkhaus mit spindelförmigen Aufgängen.

 

In der Kassenhalle der Sparkasse Wuppertal wird die Ausstellung „Paul Schnei- der von Esleben – Das Erbe der Nachkriegsmoderne“ im Jahr 2016 gezeigt.

Islandufer 15, 42103 Wuppertal | Laufzeit: 21.01.–24.02.2016
Öffnungszeiten: Mo, Mi, Fr.: 9–16 Uhr, Di, Do 9–19 Uhr

 

Fertigstellung 1970

Thema bei der Entwicklung des Terminals war es, für den komplexen Funktionszusammenhang eines Flughafens eine für alle Abläufe durchdachte, architektonische Gestalt zu finden. Paul Schneider von Esleben entwarf so ab 1963 einen der allerersten Drive-in-Flughäfen Europas. Ein dreischenkliger, terrassierter Gebäuderiegel vermittelt zwischen Auto und Flugzeug. In seinem Innenhof ist eine zweigeschossige Vor- und Abfahrt organisiert. Von ihr gelangen Besucher in eine repräsentative Halle, deren prismatisch verschlankte Tragkonstruktion in rauem Sichtbeton ausgeführt wurde: Treppen, wie Diagonalen im Raum angeordnet und Galerien verbinden die Ebenen des Gebäudes. Markant sind die beiden sternförmigen Flugsteigköpfe. Mittlerweile ist der Flughafen um ein weiteres Terminal durch Helmut Jahn erweitert worden. Der alte Kernbe- reich, der in den letzten Jahren neu geordnet und von entstellenden Einbauten befreit wurde, findet bei Fluggästen und in der Fachwelt immer noch große Anerkennung. Der Künstler Alexander Basile hat sich in dem filmischen Projekt „a possible scenario“ mit dem Transitraum Köln-Bonner Flughafen“ auseinandergesetzt. Der Film wird ab 23. August im Flughafengebäude gezeigt und am 13. und 20. September 2015 in der 21. Etage des Mannesmannhochhauses
(10–18 Uhr).

Kennedystraße, 51147 Köln
www.koeln-bonn-airport.de/unternehmen/geschichte

 

Fertigstellung 1961 | Denkmalschutz 1990

Lineare Strenge kennzeichnet das Schulgebäude und nimmt Bezug auf die Formensprache von Mies van der Rohe. Die symmetrische, auf Stahlbeton- stützen gelagerte Vierflügelanlage ist um einen Innenhof arrangiert. Markant: Sichelförmige Bänke aus Beton stellen einen Kontrast zu der streng gerasterten Fassade dar. In den Schmalseiten befinden sich die Treppenhäuser. Großzügige Flure erschließen die an der Außenwand liegenden Klassenräume. Schöner Akzent: die hinter Holzverkleidungen verborgenen Garderobenschränke der Kinder entlang der Flure. Die volltransparenten Treppenhäuser verursachten
bei der Eröffnung einen Skandal – ebenso wie die programmatische Ausgestaltung der Schule mit zeitgemäßen Kunstobjekten von den ZERO-Künstlern Otto Piene, Günther Uecker, Heinz Mack sowie Joseph Beuys. Alle vier entwickelten Objekte, an denen die Kinder Bewegung, Licht und Schatten, Farbe und Material selbst erleben können. Bis zur Sanierung 2008 (M. van Ooyen/ K. Legner) waren sie weitgehend hinter Wänden verbaut, heute sind sie wieder mit Einschränkung zugänglich. Zudem entwarf der Architekt auch das Mobiliar, das von der Firma Flötotto produziert und anschließend in der ganzen Bundesrepublik vertrieben wurde.

Rolandstr. 40, 40476 Düsseldorf
www.ggrolandstrasse-duesseldorf.de

 

 
  Fertigstellung 1965

Der neunstöckige Block steht am Rand einer Wohnsiedlung aus den 1950er Jahren und eines Büroviertels. An dieser Schnittstelle präsentiert sich das Gebäude, das sowohl Wohnhaus als auch Büro ist. Es hat eine schmale Gestalt: Bei 48 Metern Länge ist es nur 11 Meter breit. Das Stahlbetonskelett und die Wände wurden aus Betonfertigteilen konstruiert. Die Hauptfassaden bestehen komplett aus Glas. Steht man vor dem Gebäude, ist das nicht zu erkennen, denn vorgelagert sind ab dem ersten Stock Balkone, deren Brüstungen aus den damals beliebten Waschbeton-Platten bestehen. Auf dem Dach des Blocks befinden sich ein Penthouse mit einer umlaufenden, ursprünglich begrünten Dachterrasse – hier arbeitete und wohnte Paul Schneider von Esleben bis zu seinem Tod im Jahre 2005. Markant: Vor einem der Hauseingänge steht ein massives, skulpturales Vordach aus Sichtbeton. Zu dem Komplex gehört ein benachbarter niedriger Block mit acht kleinen Maisonette-Wohnungen sowie ein unterirdisches, mittlerweile zum Mode-Showroom umgenutztes Schwimmbad.

Tersteegenstraße 63-66, 40474 Düsseldorf

 

Fertigstellung 1962 | Denkmalschutz 1998

Charakteristisch an dem silberfarbenen Hochhaus in der Düsseldorfer Innenstadt sind die Paneelplatten der Fassade: Es handelt sich um „gelochte“ Alu-Bleche, in deren Aussparungen Fenster eingelassen sind – ganz ähnlich wie beim Eisenbahnwaggonbau. “…eine Karosseriefassade!“ schreibt der Architekturkritiker Heinrich Klotz 1987. Die vorgefertigten Elemente wurden am Bau montiert und ergeben das regelmäßige Fassadenbild. Modern für die damalige Zeit sind die abgerundeten Häuserecken, und vor allen Dingen war es der gläserne Drive-In-Schalter: Bankgeschäfte konnten mit dem Personal in dem gläsernen Sockelgeschoss direkt aus dem Auto abgewickelt werden. Spannungsvoll steht dieser Leichtigkeit die robuste Architektur des roh belassenen Tragwerks aus Beton entgegen – der Hochbau ruht auf einem einzigen breiten Mittelträger, der die Lasten des Gebäudekörpers aufnimmt. Zu dem alten Verwaltungsgebäude der Commerzbank führt im ersten Stockwerk eine gläserne Verbindungsbrücke.

Kasernenstr. 39, 40213 Düsseldorf

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 11. Juni 2015