- The Image as Burden - bis 6. September 2015

Marlene Dumas - Retrospektive Fondation Beyeler

Meldung: Fondation Beyeler

Andere Malerinnen, die auf außergewöhnliche Weise Gemaltes darstellen, zu denen zählt die Basler Künstlerin Miriam Cahn. Die  schwedische Künstlerin Cecilia Edefalk kommt mir in den Sinn, aber auch die Portraitmalerin Elizabeth Peyton ist hervorragend in ihrer Art. Die Ausstellung in Riehen widmet sich ausschließlich dem umfangreichen Werk von Marlene Dumas, in dessen Zentrum die Beschäftigung mit der menschlichen Figur steht. Es ist die bisher umfassendste Retrospektive in Europa zum Werk der in Amsterdam lebenden Künstlerin und bietet einen einzigartigen Überblick über ihr beachtliches Werk von der Mitte der 1970er-Jahre bis heute.

For Whom the Bell Tolls, 2008,
Öl auf Leinwand, 100 x 90 cm,
The Rachofsky Collection and the Dallas Museum of Art
through the DMA / amfAR Benefit, Auction Fund,
© Marlene Dumas, Foto: Peter Cox, © 2015, ProLitteris, Zürich

Marlene Dumas ist außerordentlich in Auftreten und Persönlichkeit, wie ich die Künstlerin einmal während einer der "Szenenwechsel" im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt Ende der 1990er Jahre erlebte. Während einer solchen Gelegenheit im Rahmen der Museumsarbeit war auch mal die Künstlerin Cecilia Edefalk zum Publikumsbesuch anwesend, die eine ebenso interessante Erscheinung an sich hat wenn auch nicht so wie Marlene Dumas. Ganz zu Schweigen von der Art der Malerei, welche diese Malerinnen in der Gegenwart produzieren. Wovon eine ganze Menge zu lernen wäre, wenn Zeit zum Malen ist. Gerade die Aquarellkunst in feinsten Nuancen gehört zum festen Oeuvre dieser beiden Künstlerinnen. Das menschliche Antlitz und menschliche Figur einzeln oder in Gruppen sind Hauptthema. Die malerische Beschäftigung ist eine künstlerische Herausforderung schon immer gewesen, weil der menschliche Körper im Ganzen nur schwer zu erfassen ist.

 

Zusätzlich zu den wichtigsten ikonischen Gemälden und Zeichnungen von Marlene Dumas werden experimentelle Collagen aus ihrem Frühwerk sowie einige ganz neu entstandene Gemälde zu sehen sein. Es ist eine außergewöhnliche Kombination von Unmittelbarkeit und Intimität, welches das Werk von Marlene Dumas auszeichnet. Ohne Vorbehalt, manchmal herausfordernd, zuweilen mit Humor, begegnet Dumas den Menschen in ihren Bildern. Dumas lässt die Autonomie der Farbe zu, behält dabei aber immer die menschliche Figur in ihrem Blick- und Bildfeld. Ihre Arbeiten zeigen eindrücklich, was Malerei heute noch zu leisten vermag. Marlene Dumas gehört zu den einflussreichsten und interessantesten weiblichen Künstlern der Gegenwart.

Nuclear Family, 2013, Öl auf Leinwand, 200 x 180 cm,

Fondation Beyeler, Riehen/Basel, © Marlene Dumas,

Foto: Robert Bayer, Basel  

In ihren Einzel- und Gruppenporträts dominiert eine abwechslungsreiche Palette an Farbtönen und Kontrasten. Expressive Farben wechseln mit fast transparenten Nuancen ab, die die Leinwand scheinbar von innen leuchten lassen. Dumas setzt geschundene Körper und markante Gesichter, dann wiederum sehr zerbrechlich oder leblos anmutende Geschöpfe ins Bild. Sie führt vor Augen, wie malerische Schönheit auch Schreckensszenen darstellen kann. In neuen, noch nie gezeigten Arbeiten befasst sie sich vermehrt mit dem Verhältnis von Figur und Raum in ihren Bildern.

Ein seit ihrer Jugend eigen angelegtes Bildarchiv nutzt Dumas als Ausgangslage für ihre Gemälde und Aquarelle. Oft bezieht sie sich auf aktuelle Krisen und Ereignisse in der Gesellschaft, zu ihrem Archiv gehören private Familienfotos, kunsthistorische Vorlagen und Fotografien aus der Presse. Ausgehend von dokumentarischen Fotografien aus Zeitungen und Magazinen transformiert Dumas mit ihrer malerischen Geste das Abbild in ein unheimliches, fesselndes und berührendes Bild auf der Leinwand – was Stilllegung der Zeit in der Fotografie ist, erweckt Dumas in ihrer Malerei zum Leben. Ihre Bilder strahlen eine vereinnahmende, sinnliche Kraft aus, die den Betrachter in ihren Bann ziehen.

Missing Picasso, 2013, Öl auf Leinwand,,

175 x 87 cm, Courtesy Zeno X Gallery, Antwerpen,

© Marlene Dumas, Foto: Peter Cox,

© 2015, ProLitteris, Zürich

Die Ausstellung in der Fondation Beyeler wurde in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin geplant. Sie zeichnet anhand einer groben chronologischen Ordnung ihren künstlerischen Werdegang nach. Der Anfang der Ausstellung bildet dabei eine Ausnahme und einen besonderen Auftakt. Im ersten Rau werden Schlüsselwerke wie The Painter (1994), The Sleep of Reason (2009) und The Artist and His Model (2013) gezeigt. Auf diese Weise führt die Malerin die Besucher selbst durch die Ausstellung, der Fokus liegt dabei auf der bis heute ungebrochenen Faszination vom Bild des Menschen in der Malerei.

 

Marlene Dumas ist 1953 in der Nähe von Kapstadt (SA) geboren und aufgewachsen. Sie lebt und arbeitet seit 1976 in den Niederlanden. Ihre Werke sind in Museen, privaten und öffentlichen Sammlungen weltweit vertreten. Zu den bedeutendsten Ausstellungen der letzten Jahre gehören Präsentationen im Haus der Kunst in München (2010/2011), im Museum of Contemporary Art, L. A. und Museum of Modern Art, New York, USA (2008) und im Marugame Genichiro-Inokuma Museum of Contemporary Art, Marugame, Japan (2007). Dumas war an der DOCUMENTA IX, 1992 und an der Biennale 1995 vertreten. 2012 wurde sie mit dem renommierten Johannes Vermeer-Preis ausgezeichnet. Theodora Vischer, Senior Curator der Fondation Beyeler, kuratiert die Ausstellung in der Fondation Beyeler. Sie ist gemeinsam mit dem Stedelijk Museum in Amsterdam und der Tate Modern in London organisiert worden, wobei die Schwerpunkte der einzelnen Ausstellungsorte unterschiedlich sind. Ein gemeinsamer Katalog in Deutsch und Englisch ist bereits erhältlich.

Die Ausstellung »Marlene Dumas – The Image as Burden« wird unterstützt durch: AMERICAN FRIENDS OF FONDATION BEYELER BAYER HEALTHCARE BASEL, Mitzi und Warren Eisenberg, Susan und Leonard Feinstein, Thomas Koerfer, Mondriaan Fund, Craig Robins und Jackie Soffer

 

www.fondationbeyeler.ch

 

 

- v.l.n.r. Amy blue, 2011, 40,5 x 30 cm,
- The Painter, 1994, Öl auf Leinwand,200 x 100 cm, The Museum of Modern Art, New York, partielle und zugesagte Schenkung von Martin und Rebecca Eisenberg © Marlene Dumas, Foto: Peter Cox, © 2015, ProLitteris, Zürich
- Genetiese Heimwee / Genetic Longing, 1984, Öl auf Leinwand, 130 x 110 cm, Van Abbemuseum, Eindhoven © Marlene Dumas, Foto: Peter Cox, © 2015, ProLitteris, Zürich

The Widow, 2013, 2 Teile, Öl auf Leinwand, 150 x 140 cm resp. 60 x 80 cm, Defares Collection, n© Marlene Dumas, Foto: Peter Cox, © 2015, ProLitteris, Zürich

 

Marlene Dumas – Zitate
 

I am an artist who uses secondhand images

and firsthand experiences
1993

Ich bin eine Künstlerin die
Bilder aus zweiter Hand verwendet und Erfahrungen aus erster Hand
1993

It was film
that taught me the rules of imagination not reality
nor painting.
1997
 

Es war der Film
der mich die Regeln der Vorstellung lehrte nicht die Wirklichkeit
nicht die Malerei
1997

My people were all shot by a camera, framed, before I painted them.
1985
 

Auf alle meine Menschen wurde abgedrückt – klick, und sie waren im Kasten, bevor ich sie malte
1985

Suspect
Looking at images does not lead us to the truth, It leads us into temptation.
It’s not that a medium dies.
It’s all media have become suspect.
It’s not the artists‘ subject matter that’s under fire, but their motivation that’s on trial.
Now that we know that images can mean Whatever, whoever wants them to mean, we don’t trust anybody anymore, especially ourselves.
2003

Suspect
Bilder zu betrachten führt uns nicht zur
Wahrheit,
es führt uns in Versuchung.
Es ist nicht so, dass ein Medium stirbt.
Es ist so, dass alle Medien suspekt geworden sind. Es ist nicht so, dass die Inhalte der Künstler
unter Beschuss stehen,
doch ihre Motivation ist es, die auf dem
Prüfstand steht.
Jetzt, da wir wissen, dass Bilder was auch immer bedeuten können,
wer immer ihnen Bedeutung gibt, trauen wir niemandem mehr,
besonders nicht uns selbst.
2003
 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 27. Mai 2015