Offener Brief von Bernd Loebe zur Nichtverlängerung von Per Boye Hansen, Künstlerischer Leiter der Norwegischen Nationaloper Oslo

 Meldung: vom 28. Mai 2015

} Oper Frankfurt

 Sehr geehrte Frau Kulturministerin Widvey,
 
diese Stellungnahme zu den empörenden  Ereignissen an der Oper in Oslo schreibe ich in meiner Eigenschaft als Vorsitzender der Deutschsprachigen Opernkonferenz.
 
Vor einigen Jahren erhielt Norwegen ein architektonisch höchst innovatives und internationales Aufsehen erregendes Opernhaus. Diesen vielbeachteten Bau empfand die gesamte Musikweit als einen Startschuss für den Anschluss Norwegens an die internationale Opernwelt. Die Augen der internationalen Presse und des Publikums richteten sich auf dieses neue Zentrum des Musiktheaters. Per Boye Hansen als künstlerisch verantwortlicher Leiter galt als Garant für den positiven Neubeginn: Aufgrund seiner Erfahrung als Berater in Zürich, als Operndirektor an der Komischen Oper Berlin und vor allem wegen seiner weltweiten, exzellenten Kontakte zu Künstlern, Agenturen und anderen Opernhäusern. Er wurde als DIE Idealbesetzung für den Aufbruch Norwegens in eine neue Ära angesehen. Als jahrelanger regelmäßiger Besucher der Oper in Oslo glaube ich, eine sehr persönliche Expertise über die dortige Entwicklung und das Niveau des Hauses abgeben zu können - bereits nächste Woche werde ich übrigens dort wieder eine Vorstellung besuchen. Per Boye Hansen hat alle Erwartungen erfüllt und den Sprung mit seiner Arbeit und seinem Team in die Internationale Opernliga geschafft. Das Programm ist anspruchsvoll und das Publikum weiß das erreichte Niveau in höchstem Maße zu schätzen. Ausgerechnet in diesem Moment, in dem das Haus an Renommee enorm hinzugewinnt, wird diese Entwicklung durch eine völlig kunstferne Entscheidung abrupt abgebrochen. Die Leitung eines Opernhauses ist im besonderen Maße von langfristiger Planung abhängig, und die unerwartete Nichtverlängerung des Vertrages von Herrn Hansen, könnte dem Osloer Opernhaus große Schäden zufügen.
 
Von den herausragenden Verdiensten, die Herrn Hansen zuzuschreiben  sind, ist seine klare Profilierung des Hauses als Norwegens Nationaloper hervor zu heben. Als Sängerexperte hat er vielen jungen Sängerinnen und Sängern große Herausforderungen anvertraut, und vor allem eine ganz neue Generation von norwegischen Regisseuren der Internationalen Opernlandschaft vorgestellt. Die Mitglieder der Deutschsprachigen Opernkonferenz sind über die gegenwärtige Entwicklung entsetzt und sehen die Verantwortlichen in einer äußerst unguten Abseitsposition. Wir möchten die Norwegische  Regierung ermuntern, eine unabhängige  Jury oder einen Kreis unabhängiger  Opernfachleute einzusetzen,  um die getroffene Entscheidung noch einmal zu beurteilen und diese womöglich wieder rückgängig zu machen.

Mit freundlichen Grüßen,
 

 

 

 

 

Bernd Loebe

Intendant/Geschäftsführer Oper Frankfurt

 

Vorsitzender der deutschsprachigen Opernkonferenz
Mitglieder: Harnburgische Staatsoper, Staatsoper Berlin, Deutsche Oper Berlin, Komische Oper Berlin, Deutsche Oper am Rhein, Oper Köln, Oper Frankfurt, Staatsoper Stuttgart, Bayerische Staatsoper München, Sächsische Staatsoper Dresden, Oper Leipzig, Wiener Staatsoper, Opernhaus Zürich,
assoziierte Mitglieder: Royal Opera Hause Covent Garden London, Opera National
de Paris, Teatro alla Scala Mailand

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 28. Mai 2015