Vom Jugendzentrum im Berliner Wedding auf die Bühnen der Welt. Red Bull Flying Bach ist zurück in Deutschland

   Foto (c) Red Bull Content Pool

Zu Beginn der Neunziger Jahre findet Breakdance neue Anhänger in Berlin. Einer von ihnen ist der gebürtige Libanese Vartan Bassil. Zusammen mit seinem Freund Kadir „Amigo“ Memis gründet er 1993 die Flying Steps. Tanzschulen, in denen die beiden mit ihren Freunden die Moves des Breakdance lernen könnten, gibt es noch nicht. Aber die B-Boys brauchen ohnehin keine Lehrer. Die jungen Talente sind Autodidakten. Sie lassen sich von Filmen wie „Beat Street“ und von anderen Tänzern inspirieren, die sie auf der Straße oder bei Wettbewerben treffen. Schnell entwickeln sich die Flying Steps zu einer der besten Breakdance Crews.

 

Im Jahr 1994 gewinnen sie zum ersten Mal das „Battle of the Year“, die Weltmeisterschaft des Breakdance. Von hieran häufen sich die Engagements, die Flying Steps wirken in Musik-Videos mit und treten in Fernsehshows auf. Noch drei weitere Male holen sie sich den Weltmeistertitel, u.a. gewinnen sie 2005 und 2007 das Red Bull Beat Battle. Auch in der internationalen Breakdance-Szene genießt die Crew wachsenden Respekt, nicht nur wegen ihrer spektakulären und athletischen Power-Moves sondern auch wegen der einzigartigen Choreographien ihrer Battle-Shows. Schließlich gründen sie 2007 in Kreuzberg ihre eigene Flying Steps Academy, in der sie sich der Ausbildung des Nachwuchses widmen und Tanzbegeisterten die Möglichkeit bieten, von den besten Dozenten im Bereich des Urban Dance zu lernen.

 

2013 zieht die Tanzschule in ihre neuen weitläufigen Räume der ehemaligen Aqua-Butzke-Werke am Moritzplatz ein und ist heute die größte urbane Tanzschule in Deutschland mit den besten Dozenten europaweit. Neben dem regulären Tanzschulbetrieb, bei dem Kurse für B-Boying (Breakdance), Hip Hop/Streetdance, Popping, L.A. Style, House Dance, Dance Hall, Kindertanz sowie Jazz Dance, Lyrical Dance und Ballett angeboten werden, finden zudem regelmäßige Workshops und Events mit Tänzern der Urban Tanzszene aus der ganzen Welt statt.
 

2010 kann die erste abendfüllende Show Red Bull Flying Bach in der Berliner Nationalgalerie ihre begeisternde Premiere feiern. Seither eroberte die mit dem Echo-Klassik Sonderpreis ausgezeichnete Show die Bühnen der Welt: Ob in den USA, in Australien oder in Kasachstan, im Sidney Opera House, dem Wiener Burgtheater oder der kanadischen Massey Hall in Toronto, überall verblüffen die vierfachen Breakdance-Weltmeister mit ihrer außergewöhnlichen Übersetzung der Bach Komposition, in welcher sie Note für Note visualisieren. Im Jahr 2014 stellten sie bereits die nächste große Show auf die Bühne: Red Bull Flying Illusion, in welcher sie Breakdance mit Magie und modernster Bühnentechnik verknüpfen. Nach einer ersten erfolgreichen Deutschlandtournee durch Venues wie der Kölner Lanxess Arena oder der Stuttgarter Porsche-Arena erobert nun auch Red Bull Flying Illusion die großen internationalen Hallen.

Interview mit Vartan Bassil, künstlerische Leitung, Choreografie, Gründer der Flying Steps

 

1. Herr Bassil, was hat Sie als Breakdancer dazu angeregt, eine Show zu kreieren, in der die Flying Steps zu klassischer Musik tanzen?
Früher hat mich meine Schwiegermutter oft zu Klassik-Konzerten mitgenommen. Bloß habe ich mich da furchtbar gelangweilt, weil man meistens nur Musik hörte, ohne dass auf der Bühne etwas passierte. Aber irgendwann kam mir die Idee, dass man zu Klassik auch Breakdance tanzen könnte. Ich fand die Vorstellung toll, dass an die Stelle einer Balletttänzerin, die ihre Pirouetten auf den Zehenspitzen dreht, ein Breakdancer treten könnte, der beim Headspinn auf seinem Kopf rotiert. Alle hielten diese Idee am Anfang für verrückt. Aber als ich unserem Partner Red Bull davon erzählte, sagten sie: „Klingt super, wo können wir Euch unterstützen?“ Von da an nahm das Projekt immer konkretere Formen an.


2. Wussten Sie schon zu welcher Musik die Flying Steps tanzen könnten, als sie auf den Opernregisseur Christoph Hagel, trafen?
Nein, ich kannte mich ja nicht wirklich im Bereich der Klassik aus. Aber die Flying Steps und ich suchten nach einer sehr speziellen Art von Musik eine, die tiefgründig sein und uns tänzerisch herausfordern sollte. Als wir Christoph Hagel trafen, haben wir ihm von unserer Idee erzählt, sehr viel über Breakdance gesprochen und gezeigt, wie wir tanzen. Ein paar Wochen später hat er uns dann das Wohltemperierte Klavier von Bach vorgeschlagen. Dann hat er uns daraus ein Stück ausgesucht, wir haben dazu eine Choreografie entwickelt und ihm gleich am nächsten Tag das Video davon geschickt. Er fand es krass und sagte: „Genau das ist es!“


3. Aber gerade die Kompositionen von Bach sind doch ziemlich kompliziert.
Ja stimmt! Christoph Hagel musste uns erst einmal einen Workshop geben, in dem wir Note für Note in die Präludien und Fugen eintauchten und lernten, sie zu verste hen. Natürlich hast du als Tänzer ein Rhythmusgefühl, mit dem du sicher auf einzelne Eckpunkte in der Musik zurückgreifen kannst. Aber bei Bach waren wir plötzlich verloren. Hier sollten wir erst herausfinden, wie die jeweiligen Stücke aufgebaut sind. Wir mussten die Verwendung von ungewohnten Takten und Taktwechsel genau erkennen, bevor überhaupt mit dem Entwurf von Choreografien begonnen werden konnte.


4. In Red Bull Flying Bach trifft eine Vertreterin des klassischen Balletts und Modern Dance auf sieben Breakdancer, die bei ihrem Lehrer Unterricht haben. Zu welchem Zeitpunkt hat sich die Story entwickelt?
Eigentlich entstand sie, als ich mir mit Christoph Hagel Stücke des Wohltemperierten Klaviers anhörte und er mich fragte, welche Stimmungen ich in ihnen erkenne. Es waren sehr unterschiedliche, wie Trauer, Freude, Verliebtheit. Hier und dort empfand ich die Musik aber auch als sehr religiös. In dieser Situation habe ich mich gefragt: Was wollen wir den Leuten zeigen? Nur nach der Musik zu tanzen, das war mir zu wenig. Ich wollte eine Geschichte erzählen, in der durch die Musik von Bach zwei Welten in einem konfliktreichen Geschehen zusammengeführt werden. Die Welt des Breakdance und die des zeitgenössischen Tanzes.


5. Die Flying Steps sind Autodidakten. Was gab es für sie während der Arbeit mit klassisch ausgebildeten Tänzerinnen zu entdecken?
Alle Tänzerinnen mit denen wir arbeiteten, hatten genauso viel Leidenschaft in ihrem Tanz, wie wir in unserem. Als Breakdancer hat man diesen Antrieb, so gut zu werden, wie es nur irgendwie geht. Man will zu den Besten gehören. Mit den Battles besitzt Breakdance eine ganz eigene Kultur, die es in keinen anderen Tanzstilen gibt. In diesen Battles messen wir uns gegenseitig. Unsere Kunst hat sich in den letzten Jahren so extrem weiterentwickeln können, weil wir in der Battle-Szene ständig nach neuen Herausforderungen suchen. Es geht nicht um das Kopieren von Figuren und Moves von anderen, son dern um die perfekte Entwicklung von eigenen und neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Bei unseren Tänzerinnen haben wir gemerkt, dass sie aus ihrer akademisch erlernten Technik heraus eine Tanzsprache entwickeln, mit der sie Geschichten erzählen können. Das ist absolut faszinierend. Und natürlich imponiert es uns sehr, dass diese Tänzerinnen uns als harte Jungs aushalten und ausgehalten haben. Hut ab!


6. Nach eurer Premiere 2010 in der Berliner Nationalgalerie wart ihr 2011 auf Deutschlandtour und im Anschluss permanent auf Europa- und Welttour. Was waren die Highlights?
Oh, da gab es so viele! Die Premiere in der Neuen Nationalgalerie in Berlin war natürlich einzigartig. Bis zu diesem Zeitpunkt wussten wir ja nicht, wie das Publikum die Show annehmen wird. Die Stan ding Ovations beim Schluss-Applaus waren sehr befreiend. Und die Auszeichnung mit dem ECHO Klassik Sonderpreis hat dem nochmal eins drauf gesetzt. Aber sicherlich waren die Shows im Wiener Burgtheater während unserer Europatournee auch etwas ganz Besonderes. Eine Breakdance Show in den heiligen Hallen des Wiener Burgtheaters – das hätte wohl niemand vorher für möglich gehalten. Ein emotionaler Höhepunkt für mich waren außerdem natürlich unsere Shows in meiner Heimat dem Libanon. Und in 2014 waren wir zum ersten mal im Geburtsland des Breakdance, den USA. Wir hatten sechs ausverkaufte Shows in Chicago und das war echt ein unglaubliches Gefühl. Eine deutsche Breakdance Crew performt zu klassischer Musik aus Deutschland in den USA und alle sind begeistert. Das war schon krass.


7. Was können die Zuschauer erwarten, wenn ihr 2015 wieder kommt?
Immer noch eine einzigartige Show mit den besten Breakdancern der Welt! Über all die Jahre haben wir natürlich weiterhin an der Show gefeilt, die Visuals etwas geändert und an den Choreographien gearbeitet. Ein paar neue Tänzer sind zudem dazu gestoßen und da Red Bull Flying Bach unter anderem davon lebt, dass jeder Tänzer seinen individuellen Stil einbringt, gibt es hier und da neue Parts. Ich bin ja Perfektionist, da geht immer was! Zudem werden wir in vielen Locations performen, in denen wir noch nicht waren und auf deren Bühnen sicherlich noch nie jemand Breakdance getanzt hat!

 

Tickets auf: www.redbullflyingbach.de

 

Eine Tournee der Semmel Concerts GmbH in Kooperation mit Flying Steps Entertainment GmbH

 

Termine
24. & 25.05.2015 Leipzig Gewandhaus
30.05.2015 Freiburg Konzerthaus
04. & 05.06.2015 Hannover Kuppelsaal
13. & 14.06.2015 Nürnberg Meistersingerhalle
19. – 21.06.2015 Frankfurt Alte Oper
11. – 12.07.2015 Hamburg Laeiszhalle
18. & 19.07.2015 Stuttgart Liederhalle
22. & 23.08.2015 Essen Philharmonie
28. – 30.08.2015 Berlin Konzerthaus
03.09.2015 Köln Tanzbrunnen
05.09.2015 Aachen Eurogress
12.09.2015 Mannheim Rosengarten
19.09.2015 Baden-Baden Festspielhaus
25. & 26.09.2015 Bremen Die Glocke
03. & 04.10.2015 Düsseldorf Tonhalle
10.10.2015 Saarbrücken Congresshalle
17.10.2015 Bamberg Konzerthalle
24.10.2015 Wiesbaden Kurhaus
31.10.2015 Halle Händel Halle

 

 

 

 

 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 19. Mai 2015