Gegenwartsarchiv im Saalhofgebäude des
Historischen Museum Frankfurt. Künstler und Sammlungserfinder Karsten Bott fast
wie zu Hause
Dr. Jan Gerchow, Direktor Historisches
Museum Frankfurt, links neben Karsten Bott, Sammler und
Erfinder des Gegenwartsarchiv |
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Regale stapeln sich bis unter die Decke wie meist in den Ausstellungen
des international Agierenden. Die Liste seiner ausgestellten Orte ist lang und erstreckt sich bis nach China. Sechs
Schränke in der Ausstellung sind von ihm selbst entworfen und
zusammengebaut. Ursprünglich sollten diese einmal zwischen zwölf Innenraumstützen Platz finden
und zählen jetzt zum Inventar der Ausstellungspräsentation.
Wohlfein geordnet in vertikaler Linie und von oben nach unten sortiert.
In waagrechter Linie ergänzt und thematisch erweitert. So präsentieren
sich lauter Gegenstände, die aufgehoben werden wie in einer Puppenstube. Mit viel
Liebe geordnet, das muss man dem Künstler schon lassen! Nicht
einfach dahingeworfen wie ein Stück Abfall, obwohl die meisten der
Fundstücke aus dem Abfall sein dürften. Welche Kriterien Karsten Bott
anlegt, um sich für einen Gegenstand zu entscheiden, ist schwer zu sagen.
Eine ausgemachte Sammelleidenschaft könnte man ihm jedenfalls attestieren.
Alltagsgegenstände teils in Fragmenten erhalten, deren Herkunft ungewiss
bleibt. Dann dämmert etwas aus der
Erinnerung: Reklamemarken, alte Elektrosachen,
Spielzeug, Bücher, Handwagen, Hocker und mehr. Triviales wie Klopapierrollen, eingetrocknete und damit haltbar gemachte Bäckereiwaren. Sachen
die kein Mensch mehr anfassen
will, stehen in einer Reihe wie Zinnsoldaten. Still und irgendwie
erstarrt, denn Geschichten erzählen diese Dinge nicht. Karsten Bott ist
kein Geschichtenerzähler, wenn hier und da auch einige Worte fallen, woher
ein Gegenstand stammt und wie dieser in die Sammlung
gelangt ist. Doch das geschieht eher informell.
Es gibt große wissenschaftliche Sammlungen, wie die Reiss-Engelhorn
Sammlung, die sich um die Evolutionstheorie von Charles Darwin dreht, wie dies
eine Ausstellung in der Frankfurter Schirn im Jahre 2009 zeigte. Inwieweit das
Gegenwartsarchiv der Evolutionstheorie verpflichtet ist, bleibt fraglich. Das
Ordnungssystem scheint vordergründig wissenschaftlichen Ansprüchen zu
genügen, doch tut es das wirklich? Der Sammlungsanspruch liegt in jenen,
meist auf der
Straße gefundenen, Gegenständen, deren sich der Künstler annimmt, deren
er sich erbarmt. Insofern unterliegt die Sammlung gar nicht so sehr einem
Ordnungssystem, ist vielmehr die Folge einer andauernden Erweiterung.
Das ist eindimensionale Handlungsweise, wenn nicht der
künstlerische Impuls eine Rolle spielen würde. Mittlerweile füllen sich
schon Speditionshallen und man kann sich fragen, wann das Zeug
endlich auf dem Müll landet. Ein innerer Bezug zu den Sachen entsteht
nicht, etwa als Fetisch. Dafür sind es einfach zu viele geworden, um
diese noch als
Erinnerungsstücke wahrzunehmen.
Vielleicht steckt etwas wie ein stadtplanerisches Vorhaben dahinter,
indem aus Gefundenem eine Konstruktion entwickelt werden soll, die einer
bestimmten Struktur folgt und damit auf seine Bewohner und Mitbürger im
Umgang mit Alttagsgegenständen Bezug nimmt. Möglich wäre das wenigstens!
Hinzu kommt die gesellschaftlich bedingte Auseinandersetzung mit der
allseits kritisierten Wegwerfgesellschaft. Aufgebaut ist die Sammlung ja
ähnlich einer "Gedenkausstellung gegen das Vergessen".
Doch ist dieser Aufwand tatsächlich gerechtfertigt oder verbirgt sich
dahinter nur ein scheinbares Anliegen, das früher oder später ins
Endlose führt? Gerade im Museum wird danach unterschieden, was von
historischem Interesse ist. Diesem Anspruch werden die
Gegenstände im Gegenwartsarchiv nicht unbedingt gerecht. Der Bedarf nach
gewissenhafter Auswahl und Prüfung wäre notwendig, was vielleicht nicht
dem Sammlungsspektrum des Künstlers zuzurechnen ist. Bliebe noch das
Gesamtkunstwerk, ein Werk welches der Künstler Karsten Bott
selbstbestimmt geschaffen hat und deshalb den Anspruch auf Authentizität
und damit auf Zusammenhalt behält.
Interessant
ist die Beleuchtung im Ausstellungsraum, die im dritten Stock des
Saalhofgebäude von oben, von der Decke her nach unten in die Breite geht
und aus hintereinander geschalteten grellen Leuchtstoffröhren besteht.
Karsten Bott verzichtet bewußt auf Scheinwerfer oder Spots für seine
Objektesammlung, um gleichmäßiges Licht herzuleiten. Er verzichtet auch auf
Hierarchien, etwa einer Reihenfolge von oben nach unten, was bei den
hohen Regalen nahe liegen würde. Lediglich eine Ordnung finden, um
Orientierung während der Betrachtung zu haben, das will der Künstler mit
seiner Reihenfolge ereichen. Das ist konstruktiver Ansatz und
widerspricht dem Beliebigkeitscharakter, der auch möglich wäre. Insofern
sind nicht Facetten im Spiel, die willkürlich aufblinken um
aufmerksam auf sich zu machen. Ein Gehäuse ähnliches Format wird
angestrebt. Aus dieser Motivlage heraus begründet der ehemalige Städelschüler seine künstlerische Intention, der sonst auf einem der
selten gewordenen Abenteuerspielplätze in Frankfurt-Sachsenhausen sein
Auskommen und damit Umgang mit lernwilligen Kindern hat.
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