Künstler und Propheten. Eine geheime Geschichte der Moderne 1872
- 1972
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Kulturexpress
Die
Innenräume sind aus lauter Kabinetten gebaut. Die Thematik der Ausstellung eignet sich dafür oder verlangt zum Teil
sogar danach.
Ein kunstgeschichtliches Thema und dessen Hintergründe wurde in Angriff genommen, welches nicht mit endgültiger Vollständigkeit beantwortet werden
kann. Zu unterschiedlich sind die Standpunkte, die von den genannten
Künstlerpersönlichkeiten ausgehen.
Unvollständig ist die Liste der erwähnten Künstler und Künstlerinnen,
die in der Schirn vorkommen. Wobei Künstler letztlich immer eine
prophetische Komponente mit sich bringen. Das hängt einfach mit künstlerischer Arbeitsweise zusammen, die oftmals darauf beruht frei von
Konventionen zu sein. Was praktisch als Gegenbild zur gesellschaftlichen
Akzeptanz zu verstehen ist. Solche Haltungen sind nötig, weil sich
jede Gesellschaft weiter- und fortentwickeln will. Auf Basis einer Entwicklung beruht
Gesellschaft, ohne diese müßte sie unversehener Dinge untergehen. Womit
ein Endpunkt
gesellschaftlicher Entwicklung beschrieben wäre. Der Chiliasmus oder
Glaube an das tausendjährige Reich fällt hier und da konstruktiv und
dann wieder fanatischer Natur aus. Im
ursprünglichen Sinne des Begriffes war der Chiliasmus auch mit einem Glauben an die Wiederkunft
Christi verknüpft.
Beweggründe zu hinterfragen, ist nicht geeignet um sie mit rationalem
Verstand zu erklären. Vielmehr werden Begriffe wie Hybris, Kult und
Überhöhung des Individuums gebraucht, um die Phänomene zu bezeichnen.
Auch am Schlußpunkt der Ausstellung in der Schirn sind Überhöhung und
charismatische Christusfigur als Symbol zu verstehen, mit der sich viele prophetische Künstlernaturen
vergleichen, ohne damit auf den Ausschluß bestimmter prophetischer
Ausrichtungen setzen zu wollen. Zumindest will die Ausstellung auf eine bestimmte Einflußsphäre mit gesellschaftlich gefestigten Grundstrukturen
hindeuten, wie das zum
Beispiel in Deutschland und im deutschsprachigen Raum gegeben ist.
Kuratorin der Ausstellung ist die gebürtige USAmerikanerin
Pamela Kort, die schon mehrere Ausstellungen in der Schirn mit Erfolg betreut hat.
Kabinett ist passend, weil die Räumlichkeiten in viele Winkel und Ecken
geteilt sind, in denen sich Vitrinen mit Objekten, Gemälde an den Wänden
oder Plakate mit Aufschriften zu den Protagonisten der Zeitgeschichte
befinden. Das ist manchmal schwer aus dem Stegreif nachvollziehbar, weil
Hintergründe erst nachgelesen und gedanklich zurecht gerückt werden. Zum Schlendern ist der Besuch durch die Ausstellung deshalb nicht
geeignet. Die sachlich orientierte oder die intuitiv bestimmte
Sichtweise wäre angebrachter.
Natürlich stehen technische Hilfsmittel zur Verfügung, wie Audio-Guide,
Videos oder Infotexte online und auf Papier, um ethische und ästhetische
Positionen besser kennen zu lernen.
Am Eingang zur Ausstellung hängen große s/w Fotos in
Ganzkörperabbildungen der bedeutendsten Vertreter innerhalb der
Ausstellungsräume. Zu den bekanntesten zählen Karl Wilhelm Diefenbach,
Gusto Gräser, Gustav Nagel, Friedrich Muck-Lamberty sowie Ludwig
Christian Haeusser. Jeder einzelne von ihnen besaß ein starkes Charisma
und fühlte sich berufen, seine Offenbarungen zu verbreiten und das um
seiner selbst willen. Gezeigt werden Anschauungen und Auswirkungen in
über 400 Exponaten, darunter sind Gemälde, Zeichnungen, Lithografien
sowie umfangreiches Dokumentarmaterial.
Slideshow 30 Bilder
Scharlatanerie wurde auf deutschem Boden von je her seinen Protagonisten
leicht gemacht. Die Erfahrung lehrt das. Vielleicht ist das mental
bedingt und liegt in der völkischen Zusammensetzung sowie einzelner
Grupperungen. Die Ausführungen der Kuratorin Pamela Kort
wirkten eher begeistert, sich diesem Forschungsgebiet widmen zu dürfen.
Sie kramte in Archiven mit über tausend Briefen und las so viel sie
konnte, um etwas zu entdecken, was sie auf die richtige Spur bringen
würde. Leidtragende ist sie deshalb nicht geworden, wie das vielleicht
bei vielen Anhängern der Fall war.
Herausragende Werke von Joseph Beuys und Egon Schiele finden sich in der
Ausstellung, ebenso literarische Werke von Hermann Hesse, um nur einige
wenige Künstler zu nennen, die auch in der Gegenwart einen hohen
Bekanntheitsgrad behalten haben. Immer wieder sind auch architektonische
Entwürfe ausgestellt, die sich Welttempel, Tempel der Erde oder ähnlich
nennen. Das sind Behausungen, wobei durchaus universalistische Tendenzen
sichtbar werden: Das ist zumindest einmal ein Versuch, der darauf
hindeutet, wie eine Weltreligion untergebracht ist.
Künstler
und Propheten. Eine geheime Geschichte der Moderne 1872–1972
Kat. Schirn Kunsthalle Frankfurt
Ausstellungskatalog, hrsg. von Max Hollein und Pamela Kort
Text (dt./eng.) von Pamela Kort
512 S. mit 470 farbigen Abbildungen
Format 30 x 24 cm, Klappenbroschur
ISBN 978-3-86442-116-7