Frankfurter Schirn bis 14. 06. 2015

Künstler und Propheten. Eine geheime Geschichte der Moderne 1872 - 1972

Foto: (c) Kulturexpress                                                                                                                                                                

Die Innenräume sind aus lauter Kabinetten gebaut. Die Thematik der Ausstellung eignet sich dafür oder verlangt zum Teil sogar danach. Ein kunstgeschichtliches Thema und dessen Hintergründe wurde in Angriff genommen, welches nicht mit endgültiger Vollständigkeit beantwortet werden kann. Zu unterschiedlich sind die Standpunkte, die von den genannten Künstlerpersönlichkeiten ausgehen.

 

Unvollständig ist die Liste der erwähnten Künstler und Künstlerinnen, die in der Schirn vorkommen. Wobei Künstler letztlich immer eine prophetische Komponente mit sich bringen. Das hängt einfach mit künstlerischer Arbeitsweise zusammen, die oftmals darauf beruht frei von Konventionen zu sein. Was praktisch als Gegenbild zur gesellschaftlichen Akzeptanz zu verstehen ist. Solche Haltungen sind nötig, weil sich jede Gesellschaft weiter- und fortentwickeln will. Auf Basis einer Entwicklung beruht Gesellschaft, ohne diese müßte sie unversehener Dinge untergehen. Womit ein Endpunkt gesellschaftlicher Entwicklung beschrieben wäre. Der Chiliasmus oder Glaube an das tausendjährige Reich fällt hier und da konstruktiv und dann wieder fanatischer Natur aus. Im ursprünglichen Sinne des Begriffes war der Chiliasmus auch mit einem Glauben an die Wiederkunft Christi verknüpft.

Beweggründe zu hinterfragen, ist nicht geeignet um sie mit rationalem Verstand zu erklären. Vielmehr werden Begriffe wie Hybris, Kult und Überhöhung des Individuums gebraucht, um die Phänomene zu bezeichnen. Auch am Schlußpunkt der Ausstellung in der Schirn sind Überhöhung und charismatische Christusfigur als Symbol zu verstehen, mit der sich viele prophetische Künstlernaturen vergleichen, ohne damit auf den Ausschluß bestimmter prophetischer Ausrichtungen setzen zu wollen. Zumindest will die Ausstellung auf eine bestimmte Einflußsphäre mit gesellschaftlich gefestigten Grundstrukturen hindeuten, wie das zum Beispiel in Deutschland und im deutschsprachigen Raum gegeben ist. Kuratorin der Ausstellung ist die gebürtige USAmerikanerin Pamela Kort, die schon mehrere Ausstellungen in der Schirn mit Erfolg betreut hat.

 

Kabinett ist passend, weil die Räumlichkeiten in viele Winkel und Ecken geteilt sind, in denen sich Vitrinen mit Objekten, Gemälde an den Wänden oder Plakate mit Aufschriften zu den Protagonisten der Zeitgeschichte befinden. Das ist manchmal schwer aus dem Stegreif nachvollziehbar, weil Hintergründe erst nachgelesen und gedanklich zurecht gerückt werden. Zum Schlendern ist der Besuch durch die Ausstellung deshalb nicht geeignet. Die sachlich orientierte oder die intuitiv bestimmte Sichtweise wäre angebrachter. Natürlich stehen technische Hilfsmittel zur Verfügung, wie Audio-Guide, Videos oder Infotexte online und auf Papier, um ethische und ästhetische Positionen besser kennen zu lernen.

 

Am Eingang zur Ausstellung hängen große s/w Fotos in Ganzkörperabbildungen der bedeutendsten Vertreter innerhalb der Ausstellungsräume. Zu den bekanntesten zählen Karl Wilhelm Diefenbach, Gusto Gräser, Gustav Nagel, Friedrich Muck-Lamberty sowie Ludwig Christian Haeusser. Jeder einzelne von ihnen besaß ein starkes Charisma und fühlte sich berufen, seine Offenbarungen zu verbreiten und das um seiner selbst willen. Gezeigt werden Anschauungen und Auswirkungen in über 400 Exponaten, darunter sind Gemälde, Zeichnungen, Lithografien sowie umfangreiches Dokumentarmaterial.

 

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Scharlatanerie wurde auf deutschem Boden von je her seinen Protagonisten leicht gemacht. Die Erfahrung lehrt das. Vielleicht ist das mental bedingt und liegt in der völkischen Zusammensetzung sowie einzelner Grupperungen. Die Ausführungen der Kuratorin Pamela Kort wirkten eher begeistert, sich diesem Forschungsgebiet widmen zu dürfen. Sie kramte in Archiven mit über tausend Briefen und las so viel sie konnte, um etwas zu entdecken, was sie auf die richtige Spur bringen würde. Leidtragende ist sie deshalb nicht geworden, wie das vielleicht bei vielen Anhängern der Fall war.

 

Herausragende Werke von Joseph Beuys und Egon Schiele finden sich in der Ausstellung, ebenso literarische Werke von Hermann Hesse, um nur einige wenige Künstler zu nennen, die auch in der Gegenwart einen hohen Bekanntheitsgrad behalten haben. Immer wieder sind auch architektonische Entwürfe ausgestellt, die sich Welttempel, Tempel der Erde oder ähnlich nennen. Das sind Behausungen, wobei durchaus universalistische Tendenzen sichtbar werden: Das ist zumindest einmal ein Versuch, der darauf hindeutet, wie eine Weltreligion untergebracht ist.

 

Künstler und Propheten. Eine geheime Geschichte der Moderne 1872–1972
Kat. Schirn Kunsthalle Frankfurt
Ausstellungskatalog, hrsg. von Max Hollein und Pamela Kort
Text (dt./eng.) von Pamela Kort
512 S. mit 470 farbigen Abbildungen
Format 30 x 24 cm, Klappenbroschur
ISBN 978-3-86442-116-7

 

Blick ins Buch....

 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 25. März 2015