Die Stadt - virtuelle Stadt. Wie Architektur in Film,
Werbespot und anderen Visualisierungen aussieht. Ein Vortrag von Pascal
Tonecker, Managing Producer Pixomondo Studios
Foto: (c)
Kulturexpress
Pixomondo hat die visuellen Effekte in Martin Scorseses Film
"Hugo Cabret"
gestaltet und bekam 2011 dafür einen Oscar®. Im Vortrag am 4.
März im Architektur Museum DAM wurden visuelle Effekte aus dem Kinofilm
"Der Medicus" nach dem Bestseller-Roman von
Noah Gordon vorgestellt.
Wobei der Roman in Deutschland ein Bestseller wurde, mehr als seine
Bedeutung in den USA Geltung erlangte.1987 erschien Gordons "The
Physician" in Deutschland und wurde ein internationaler Erfolg. Allein
im deutschsprachigen Raum wurden die Abenteuer von Rob Cole über sechs
Millionen Mal verkauft. Dieser wurde in der Regie von Philipp Stölzl
2013 dann für das Kino verfilmt. Der Film entfernt sich jedoch in weiten
Teilen von der Vorlage, viele Rollen wurden anders umgesetzt als im Buch
beschrieben (der Bader, Karim) oder komplett weggelassen (die
schottische Christin Mary Cole wurde durch die Jüdin Rebecca ersetzt).
Auch der Verlauf der Geschichte wurde stark geändert: Für Mary wurde
keine Ehe arrangiert, sie reist mit ihrem Vater, die religiösen
Konflikte erfahren in der Filmfassung als Kampf zwischen
fundamentalistischen islamischen und toleranteren Auffassungen eine
Aktualisierung, wie bei Wikipedia zu lesen ist. Wobei ich den Roman von
Noah Gordon seinerzeit mit sehr viel Spannung von Anfang bis Ende
durchgelesen, um nicht zu sagen verschlungen habe. Vielleicht weil mich
die Weltenbummler- und Abenteuerromane von Jules Verne immer fasziniert
haben.
Neben
visuellen Effekten wurden 2D- und 3D-Animationen in die Filmszenen
eingefügt. Insbesondere stand die marokkanische Stadt Isfahan im Fokus
und war Grundlage der visuellen
Weiterbearbeitung. Isfahan ist eine mittelalterliche Stadt, die jedoch
nur in Bestandteilen erhalten geblieben ist. Das äußere Bild ist geprägt
von einer nur in Fragmenten erhaltenen Stadtmauer. Das ist nicht
unbedingt geeignet, um einen Kinofilm in Breitwand wie "Der Medicus"
auszufüllen. Um die Stadt mit palastähnlicher Anlage als Handlungsort
und Filmkulisse zu erhalten, wurden Kulissen ins Mittelalter
zurückversetzt. Die zeitlichen Abläufe wie sie in Roman- und Filmvorlage spielen,
waren Vorlage dafür. Mit Effekten wurde Isfahan nach historischen Vorbildern im Computer
dann völlig neu aufgebaut. Wobei die Ähnlichkeit zur Realität immer verblüffender
wird.
Im Film wurden insgesamt 120 Shortcuts von pixomondo bearbeitet, wie
Pascal Tonecker am Vortragsabend erzählte. Vorgabe der Bearbeitung
lieferte ein ausführliches Storyboard des Films oder auch VFX Board
genannt. Doch nicht nur Isfahan galt es zu animieren, auch das London
des frühen England ist Handlungsort im Film, welches nachzubilden galt.
In England wurde vor allem mit AVID-Layouts gearbeitet. Weil in England
und London nur noch wenige wirkliche Örtlichkeiten an das frühe
Mittelalter erinnern, um daraus Szeneeinstellungen im Film herzustellen,
ging das Filmteam nach Sachsen. Dort findet sich eine ähnliche
Landschaft wie die auf der Insel. Meeresküste und Steilhänge wurden
durch animierte Szenen nachträglich hinzugefügt. Eine Kutsche wie ein Planwagen
fährt durch eine lange Öde, woraus nach der 3D-Animation im Film eine spannende
Steilküste mit Blick auf das weite Meer geworden ist. Jeder weiß, in Sachsen
finden sich sonst keine Meeresküsten. In der Hauptsache werden jedoch
die Dächer von Isfahan verändert, die sehr aufwendig animiert sind, so daß
Zuschauer hinterher nicht mehr erkennen, was Wirklichkeit
an der Szene und was Animation ist.
Um ein geschlossenes Stadtbild von Isfahan zu erreichen, zog es
Filmemacher und das Team von Pixomondo in eine kleine Stadt in Marokko, die
immer noch über ein Erscheinungsbild wie im Mittelalter verfügte. Dieses intakte
Stadtbild lieferte dann Inspirationsquelle für das animierte Isfahan. In
der Architektur kann man sich unterschiedlicher Techniken bedienen. Dazu
zählen "matte paintings". Früher wurden "matte paintings" zur Erweiterung
auf Glas gemalt. Durch die Kombination von real gedrehten Aufnahmen und
digital erstellten Landschaften und Objekten erhalten die Handlungsorte
ein individuelles Erscheinungsbild. In manchen Szenen verhindern Paralaxverschiebungen ein
umherkurven in der Szene. Weshalb im Film an vielen Stellen die Gebäude
bis hin zu den Grundmauern rekonstruiert werden mußten, um bei den
Veränderungen der Perspektive in der Gebäudeansicht mitgehen zu können. Das gleicht in vielen
Dingen einer Arbeit wie aus einem Architekturbüro oder der Arbeit beim
Stadtplanungsamt. Während der Arbeiten waren durchweg mehrere
Architekten bei Pixomondo beschäftigt. Auch Zelte und andere Kleinbauten waren Bestandteil
der Arbeit. Allein Isfahan beinhaltet 43 Shots, die von
Pixomondo stammen, dazu zählt der Palast des Gartens, die Moschee, das
Osttor neben den vielen Dächern und Gebäuden.
Um ein Stadtbild zu haben, waren aufwendige strukturelle
Überlegungen notwendig. Besonders eignete sich hier die Struktur der Sechseckform,
weil sich deren Andockseiten aus mehreren Richtungen zusammenfügen
lassen. Der so erstellte Stadtplan besteht aus lauter Sechsecken, welcher
durch Straßen, Wege, Abbiegungen ausgefüllt ist einschließlich Häuser und Infrastruktur, die an
der Straße stehen. Von der Sechseckstruktur bleibt
letztlich nicht mehr viel übrig, weil Wege und Straßen mitsamt Häusern,
Aufbauten und Menschen ineinander übergehen und ineinanderfließen und so
zu einem homogen durchwachsenen Stadtbild verschmelzen.
Bei der Drehortsuche und der Planung des Drehs war wichtig, daß dies im
Budgetrahmen für einen solchen Film zu schaffen war. Die
US-Amerikaner hätten dafür das Dreifache ausgegeben. Neben den richtigen
Schauspielern und dem besten Regisseur für das Projekt wurde eine
exzellente Kostümabteilung und eine hervorragende Ausstattungsabteilung
gebraucht. Die großen Studiosets wurden in NRW gebaut. Doch davon merkt
man wirklich nichts. Das sieht umwerfend echt aus. Dazu kommt der
Riesensupport von der Effekte-Schmiede Pixomondo. Außerdem waren die
Außensets in Marokko, wo viele Kulissen nochmal ganz erheblich
umgewandelt werden mussten. Diese drei großen Drehabschnitte Köln,
Marokko und der CGI-Bereich, Computer-Generated Imagery, sind sehr gut
bewältigt worden mit einem großartigen Team. Es waren fantastische
Dreharbeiten! Das hat auch damit zu tun, dass Phillip Stölzl eine
unheimlich tolle Solidarität am Set geschaffen hat, sagte der Produzent
Nico Hoffmann anlässlich des Startermins in die Kinos im Jahr 2013.
Auf die Frage wie schwierig die CGI-Effekte zu realisieren waren,
antwortete Produzent Wolf Bauer, daß der Aufwand erheblich gewesen sei.
Es gab schon den einen oder anderen Film aus Europa, der auch mit
derartigem Effektaufwand und CGI gearbeitet hat. Was künstliche Sets und
Set Extensions angeht, sei „Der Medicus“ sehr außergewöhnlich gewesen.
Nico Hofmann meinte, eine andere Welt sei in verschiedenen Kontinenten
erstanden. „Der Medicus“ ist ein fiktionales Historienabenteuer, aber
die grundsätzlichen Dinge mussten korrekt sein, wie die Landschaft und
die Gebäude in Isfahan oder das OP-Besteck des Mediziners. Das
OP-Besteck war ein anderes in Isfahan als in England oder bei den
jüdischen Ärzten. Wenn am Set gearbeitet wurde, entstand manchmal der
Eindruck in einem historischen Museum zu sein. Zum Vorteil von Pixomondo entwickelte sich eine umfangreiche Bibliothek aus
Animationen, eine Art digital library, die aus Häusertypen, Anbauten,
urbanem Handling und nicht zuletzt Menschen und Tieren besteht, die im
Film neben echten Schauspielern vorkommen und auftreten.