CINDERELLAS Traumschloß virtuell in Szene gesetzt

 

Um das Märchenschloß des Prinzen in Szene zu setzen, ließ sich das Team der Szenenbildner vom Dresdner Zwinger inspirieren. Anders, als noch beim Märchen-Kult „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, der in Moritzburg gedreht wurde, setzte diese Walt Disney Produktion bei CINDERELLA auf absolutes Hightech. Zwei Tage lang fotografierte ein kleines Team den Dresdner Zwinger in allen Details und nutzte den realen Zwinger als Inspiration für ein digitales Märchenschloss, das rein virtuell im Computer entstand.              Foto: Mit freundlicher Genehmigung des Schlösserland Sachsen – www.schloesserland-sachsen.de

Barocke Pracht und märchenhafter Einfallsreichtum, ins rechte Licht gerückt, erweisen sich als zauberhafte Filmkulisse. Wer den Dresdner Zwinger kennt, wird ihn natürlich trotz der „digitalen Aufbauten“ im Film sofort erkennen. Die charakteristische Ansicht auf die Bogengalerien mit dem Wallpavillon ist unverkennbar.

 

Die Gebrüder Grimm veröffentlichten ihr „Aschenputtel“ in Deutschland im Jahr 1812. Anstelle der Guten Fee ist es hier ein Strauch oder ein Baum, der auf dem Grab der verstorbenen Mutter wächst. Der Ton ist insgesamt düsterer. Perraults Adaption der Geschichte ist es jedoch, die die Grundlage für den Disney-Film bildet und ihm am ähnlichsten ist.

 

Die Dreharbeiten von CINDERELLA begannen im Sommer 2013 in den Bühnenhallen der britischen Pinewood Studios und an Drehorten in und um London. Da es sich um ein zeitloses Märchen handelt, das an einem frei erfundenen Ort spielt, beschlossen die Filmemacher zu einem frühen Zeitpunkt, dass sie sich nicht sklavisch an eine bestimmte geschichtliche Ära halten mussten. Das gab dem Produktionsteam die nötige Freiheit, um eine eigene ungewöhnliche Vision einer magischen Zeit und eines magischen Orts zu gestalten.

 

Der gefeierte Szenenbildner Dante Ferretti, der im Lauf seiner herausragenden Laufbahn mit großartigen Filmemachern wie Federico Fellini, Martin Scorsese, Franco Zeffirelli und Francis Ford Coppola gearbeitet hat, startete eine aufwändige Recherche und ließ sich von der nordeuropäischen Architektur des 16., 17. und 18. Jahrhunderts inspirieren.

Dante Ferretti sagt: „Ken wollte den Look des Films irgendwo im 19. Jahrhundert verorten, was uns die Gelegenheit gab, auch frühere Architekturstile in unsere Entwürfe einzuarbeiten. Die Figuren leben in Gebäuden, die teilweise Jahrhunderte vor der Zeit, in der unser Film spielt, gebaut wurden. Ganz besonders fühlte ich mich von der magischen und opulenten Anmutung des Barock angezogen. Ich machte mich also daran, eine Welt entstehen zu lassen, die im Grunde auf historischen Realismus fußt, aber mit Fantasy vermischt wird, weil ich eine Atmosphäre anstrebte, die ebenso glaubwürdig wie fantastisch sein sollte.“

Er fährt fort: „Ich erinnere mich, wie mich meine Eltern als kleinen Jungen in Macerata in Italien ins Kino mitnahmen, wo wir uns den Zeichentrickfilm CINDERELLA ansahen. Als man mich ansprach, ob ich Interesse an CINDERELLA hätte, habe ich mir den Film sofort wieder angesehen und war wieder hingerissen von seiner Pracht und Würde. Es ist ein Film, der einen mitnimmt in eine andere Welt voller Schlösser und Ballsäle und gewaltiger Treppen.“

Kenneth Branagh wollte, dass sein Film eine majestätische Opulenz ausstrahlt, die einem Königreich gerecht werden sollte. Man sollte sich vorstellen können, dass in ihr auch Magie stattfinden und eine Gute Fee einschreiten kann. Gleichzeitig wollte er gewährleisten, dass die Kulissen so glaubwürdig wie nur eben möglich aussahen. Zu den von Dante Ferretti entworfenen und erschaffenen Kulissen zählen das Äußere des Königspalasts, eine gewaltige Struktur, in der auch eine riesige Treppe nicht fehlen darf, prächtige Gärten und verschnörkelte Brunnen, Ellas Kindheitszuhause und – last but not least – der große Ballsaal des Palasts, wo Ella ihren unvergesslichen Auftritt hat und mit dem Prinzen tanzt.

Simon Kinberg berichtet, dass die meisten Filme den Ballsaal vermutlich mit Hilfe von Computereffekten erschaffen hätten, aber dass diese Option für die Produktion nicht in Frage kam. „Es war Dante und Ken ungemein wichtig, dass sich dieser Ort, der ikonischste Ort der gesamten Geschichte, in dem sich eine der ikonischsten Szenen aller Zeiten abspielt, unbedingt echt anfühlt.“ „Ich hatte die Vorstellung, eine Atmosphäre des Europas der alten Welt zu erwecken, weil ich wusste, dass das perfekt mit der Magie der Geschichte und den farbenfrohen Figuren harmonieren würde“, sagt Dante Ferretti „Realismus war mein Fokus und ich ziehe es grundsätzlich vor, Kulissen zu erschaffen, die ich tatsächlich berühren kann. Ich denke, den Schauspielern geht es genauso... es hilft ihnen, sich in ihren Figuren zu verlieren.“

Kenneth Branagh und Dante Ferretti hatten zahlreiche Diskussionen und stimmten beide überein, dass das Augenmerk tatsächlich auf praktischen Sets liegen sollte. Also wurde alles entweder in Bühnenhallen oder auf dem Studiogelände errichtet. Zu Dante Ferrettis Designprozess gehörte seine langjährige Mitstreiterin, die Setdekorateurin Francesca Loschiavo-Ferretti, mit der er bereits an mehr als 30 Filmen gearbeitet hat. Er erklärt: „Ich entwerfe sämtliche Skizzen, und dann geht Francesca jede einzelne Zeichnung durch, um zu gewährleisten, dass auch alle Details stimmen. Aber wir wollten nicht, dass die Dinge zu perfekt aussehen, deshalb streuten wir absichtlich kleine Fehler in sämtliche Entwürfe ein, um sie realer wirken zu lassen.“

Richard Madden sagt: „Die Kulissen in diesem Film haben genauso viel Persönlichkeit wie die Figuren. Das hilft ungemein, die Geschichte zu erzählen, wer diese Figuren wirklich sind. Als Zuschauer kann man sich gar nicht an den Kulissen sattsehen. Und den Schauspielern dienen sie als Inspiration.“ Er meint zudem: „Diese lebendigen, realistischen Noten tragen dazu bei, dass sich alles noch echter und noch besonderer anfühlt.“

 

  Der bezaubernde königliche Ball
Für den großen Ball wollte Kenneth Branagh den größten Ballsaal sehen, den man sich vorstellen kann. Die Kulisse wurde in der berühmten 007-Halle der Pinewood Studios errichtet, der größten in ganz Europa, in der bereits hunderte von gewaltigen Produktionen untergebracht waren. Allison Shearmur erinnert sich an das erste Mal, als sie die Halle betrat: „Ich war völlig begeistert, als ich feststellte, was für eine riesige Grotte die Kulisse war. Es ist im Grunde eine riesige, aus Zement gefertigte Grotte, größer als ein paar Fußballfelder aneinandergereiht. Dort entwarf und fertigte Dante Ferretti tatsächlich einen dreistöckigen Ballsaal, der die komplette Halle ausfüllte und in den schönsten Raum verwandelte, den man sich überhaupt nur vorstellen kann.“ Sie meint weiter: „Den Drehort zu betreten war, als würde man den Fuß an einen Ort setzen, den es eigentlich nur in Märchenbüchern geben sollte.“

 

„Der Palast musste magisch sein. Also studierte ich französische Architektur, ich sah mir den Louvre an, die Palais Opéra und das Hôtel de Soubise, die alle endlos lange Treppen in ihre Struktur eingearbeitet haben“, sagt Dante Ferretti. „Also begannen wir mit der Treppe und arbeiteten uns immer weiter voran, darunter den Haupteingang mit dem Marmorbogen und den Brunnen im Inneren.“

 

Dante Ferretti und seine Mannschaft erschufen einen Ballsaal, der endlos und üppig wirkt. Er maß in der Länge 17 Meter, war 12 Meter breit und 10 Meter hoch. Zu ihm gehörten eine beeindruckende Treppe, die in den Ballsaal führt, Marmorböden und -wände, goldene Statuen, tausende Blumen, Freskos und Vorhänge, die aus 2000 Meter Stoff geschneidert worden waren. Teil des Ballsaals waren auch 17 riesige, handgefertigte Kerzenhalter aus Italien, in denen knapp 5000 Kerzen steckten. Jede einzelne musste von Hand entzündet werden. Francesca Loschiavo - Ferretti wollte, dass die Kerzenhalter, die im Gang auf den Weg zum Ballsaal und im Ballsaal selbst zu sehen sind, völlig over the top sind. Schließlich ließ man sie in Wien handfertigen – jeder einzelne von ihnen ist ein kleines Kunstwerk.

„Ich wollte ein Maximum an Pracht vermitteln, wenn Ella erstmals in den Raum tritt, aber gleichzeitig durfte man sich nicht eingeengt und eingeschüchtert fühlen, da musste eine Leichtigkeit sein“, berichtet Kenneth Branagh. „Als Lily den Saal mitten in der Sequenz erstmals betrat, war das einer der aufregendsten, bewegendsten und schönsten Tage meiner gesamten Karriere. Selbst die abgebrühtesten Handwerker und die zynischsten Makeup-Künstler hatten Tränen in ihren Augen.“ Lily James stimmt dem Regisseur zu: „Das erste Mal den Saal zu betreten, was unfassbar. Der Ballsaal war die magischste Sache, die ich jemals gesehen habe. Als ich reinkam und sich alle Augen auf mich richteten, stand ich Todesängste aus, aber es war nicht nur der Höhepunkt des Films, sondern natürlich auch mein persönlicher Höhepunkt.“

Cate Blanchett fügt hinzu: „Als ich die Ballsaal-Kulisse betrat, musste ich erst einmal wieder meinen Kiefer vom Boden kratzen... Es war ein perfekter MGM-Technicolor-Moment. Was das Kino anbetrifft, war es, als hätten wir eine Zeitreise in die Vergangenheit in eine bessere Zeit angetreten. Als Cinderella und der Prinz sich zu ihrem Tanz zusammenfanden, war das ein überaus bewegender Moment.“ „Dante hat einen Sinn für leisen Humor und Witz und natürlich für Stil, aber er drängt sich nicht auf, ist nicht zu schwülstig oder kitschig, seine Entwürfe haben genau den Glamour, den man braucht“, erklärt Kenneth Branagh. „Der Ballsaal hat alles, was man sich womöglich erwarten könnte, und obwohl man sich an viele der anderen berühmten Ballsäle erinnert fühlt wie in Wien, Paris oder London, ist er doch unverkennbar der unsere.“

Home Sweet Home
Zusätzlich zum Palast und den Ballsaalkulissen errichteten Dante Ferretti und seine Crew die Fassade von Ellas Familienzuhause vor Ort in Black Park, ein ausladender Park auf dem Land in Wexham, Buckinghamshire (nicht weit entfernt von den Pinewood Studios), der zudem Ställe, den Brunnen und das Gewächshaus im Garten umfasste. Lily James sagt: „Die Außendrehorte, wie die Wiesen mit ihren langen, wilden und farbenfrohen Blumen, wo Pollen durch die Luft wirbelten, und Schafe, Gänse und Pferde herumliefen, waren spektakulär.“ Das Innere des Zuhauses, darunter alle Schlafzimmer, der Studienraum des Vaters und der Dachboden, in den Ella später zum Schlafen verbannt wird, wurde komplett in Studiohallen errichtet – ebenso wie eine exakte Kopie der Fassade des Hauses.

 

Dante Ferretti erzählt: „Wir gestalteten das Innere des Hauses ausgesprochen farbenfroh, um den Look eines Märchens zu erzielen. Die Tapeten im beinahe ganzen Haus, die wir entwarfen und druckten, sind vom Stil her bourgeois, während die Tapeten im Studienraum des Vaters orientalisch anmuten und ziselierter sind. Und weil er vom Beruf ein Kaufmann ist, füllten wir den Raum mit Gegenständen, die er im Verlauf seiner Reisen auf der ganzen Welt gesammelt hat.“ Kenneth Branagh merkt an: „Wir wollten, dass Ellas Zuhause viel Wärme ausstrahlt, für das Publikum sollte es das Symbol einer glücklichen Familie sein. Es sollte vermitteln, dass ein Haus ein Zuhause werden kann, wenn man sich mit so viel Liebe darum kümmert.“ Helena Bonham Carter fügt hinzu: „Dies ist ein gewaltiger Film mit riesigen Kulissen, was mir als Schauspielerin wirklich half. Ich habe viele Filme vor Greenscreen-Technik gemacht, wo man sich buchstäblich alles vorstellen muss, was sich um einen befindet. Entsprechend hilfreich fand ich es, meine Szenen in einem Garten zu drehen, in dem das Gewächshaus und Ellas Haus tatsächlich da waren und einen inspirieren konnten.“

 

Crew

Regie:   Kenneth Branagh

Produzent:  Simon Kinberg

Produzent:  Allison Shearmur

Produktions Design:   Dante Ferretti
 

Cast

Cinderella  -   Lily James

Prinz  -  Richard Madden

Stiefmutter  -  Cate Blanchett

Gute Fee  -   Helena Bonham Carter

 

Anm.: Texte auch in Auszügen sind Meldungen oder dem Walt Disney Presseheft zu CINDERELLA entnommen.

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 13. März 2015