Reale und gedachte Objekte behandelt das Gehirn gleich
Wahrnehmung und Gedächtnis basieren auf gleichen Prinzipien
Meldung: Goethe-Uni Frankfurt a/M, den 25. Februar 2015 |
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Das
menschliche Gehirn kann aus einer Flut von Informationen relevante
Objekte auswählen und Irrelevantes ausblenden. Es weiß auch, welche
Teile zu einem Ganzen gehören. Wenn beispielsweise die Aufmerksamkeit auf die Türen eines Hauses
gerichtet sind, registriert das
Gehirn auch bevorzugt dessen Fenster, nicht aber die benachbarten
Häuser.
Psychologen der Goethe-Universität haben herausgefunden,
daß dies auch geschieht, wenn Teile der Objekte lediglich in unserem
Gedächtnis abgespeichert sind.
„Wahrnehmung und Gedächtnis sind in der bisherigen Forschung meist
getrennt betrachtet worden“, erklärt Benjamin Peters, Doktorand am
Institut für Medizinische Psychologie in der Arbeitsgruppe von Prof.
Jochen Kaiser. Dabei sind Parallelen naheliegend, denn genauso, wie wir
äußere Reize bevorzugt verarbeiten können, sind wir auch in der Lage,
uns auf diejenigen Gedächtnisinhalte zu konzentrieren, die momentan am
wichtigsten sind. Dies sind essentielle Fähigkeiten unseres Gehirns, die
eng mit der Intelligenz zusammenhängen und bei verschiedenen
psychiatrischen Krankheiten gestört sind.
In seiner Studie untersuchten Peters und Kollegen das in der
Wahrnehmungsforschung bestens bekannte Phänomen der "objektbasierten
Aufmerksamkeit". Die Erfahrung, dass wir, wenn wir nur ein Teil eines
Objekts betrachten, unsere Aufmerksamkeit automatisch auf das gesamte
Objekt ausdehnen – wie bei der Haustür und den Fenstern. In dem Versuch
wurden die Probanden gebeten, ihre Aufmerksamkeit abwechselnd auf eine
von vier Bildschirmpositionen zu richten. Zu sehen waren diese als
Endpunkte von je zwei künstlichen Objekten. Gemäß dem Prinzip der
objektbasierten Aufmerksamkeit konnten die Probanden ihre Aufmerksamkeit
schneller zwischen zwei Positionen des gleichen Objekts verschieben als
zwischen denen, die zu verschiedenen Objekten gehörten. Neu war, dass
dieser Effekt auch dann auftrat, wenn sich die Probanden diese
Positionen nur im Kurzzeitgedächtnis vorstellten.
Physiologisch konnten die Forscher den Effekt beschreiben, indem sie die
Hirndurchblutung mit Hilfe des Magnetresonanztomographen (MRT)
untersuchten. Zunächst fanden sie, wie erwartet, eine erhöhte Aktivität
an denjenigen Stellen der Hirnrinde, in denen die aktuell fokussierte
Position repräsentiert wurde (visueller und parietaler Kortex). Diese
erhöhte Aktivität breitete sich aber auch auf die Bereiche des Gehirns
aus, die die jeweils zugehörige Position desselben Objekts
repräsentierten, obwohl der Proband sich nicht darauf konzentrierte.
„Das ist insofern bemerkenswert, als dass dieser Effekt in Regionen des
Gehirns beobachtbar war, die normalerweise Wahrnehmungen repräsentieren,
obwohl es sich hier lediglich um Gedächtnisinhalte handelte“, erläutert
Peters das Versuchsergebnis. Dagegen blieben die Bereiche unverändert,
in denen die gleich weit entfernten Positionen des anderen Objektes
repräsentiert werden.
Diese Übereinstimmung eines grundlegenden Prinzips der Aufmerksamkeit in
der Wahrnehmung und im Gedächtnis legt nahe, dass sich viele Funktionen
der menschlichen Kognition möglicherweise auf wenige grundlegende
Mechanismen zurückführen lassen.
Publikation:
Benjamin Peters et al.: Activity in Human Visual and Parietal Cortex
Reveals Object-
Based Attention in Working Memory, in: The Journal of Neuroscience,
February 25, 2015, 35(8):3360 –3369
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