DAM Architekturpreis 2014 geht mit Grundschule am Arnulfpark diesmal an ein Münchner Büro

Foto: © Kulturexpress

Ein an pädagogischen Ansprüchen gemessenes, modular modernes und terrassenförmiges Neubaukonzept

 

Das Verteilungsspektrum der nominierten Gebäude zieht sich wie ein Zirkel an den Außengrenzen der Bundesrepublik Deutschland entlang. Mehrere sind aus Nordrhein-Westfalen. Die meisten stammen jedoch aus der Berliner Gegend. Das hängt damit zusammen, das mittlerweile viele Architekten ein Büro in Berlin haben und von dort aus agieren.

 Detail Gewinnerprojekt     

Aus München sind zwei der Projekte nominiert. Zum einen das Gewinnerbüro Hess Talhof Kusmierz mit dem Neubau der Grundschule am Arnulfpark. Es handelt sich um ein zweistöckiges langes Terrassengebäude. Das andere Büro aus München-Garching, Auer Weber, betrifft die Erweiterung der Europäischen Südsternwarte (ESO) mit Hauptverwaltung, ein schleifenförimger in sich geschlossener Ringneubau. Die geschwungene Form erinnert an Zahnräder oder an den Lauf einer Carrera Bahn. An die Ähnlichkeit einer Sternengalaxie zu denken, wie das Aussteller vorschlagen, ist aus kosmischer Sicht vielleicht etwas überzogen. Nicht wirklich erinnert das Gebäude mit seinen geschwungenen Formen an das Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau. Die Fassade in Garching hat eine völlig andere und vergleichsweise strukturierte Gleichförmigkeit, die sich mehr an Industriestandards orientiert.

   Detail Gewinnerprojekt

Überzeugender ist da schon der Neubau von Glass Kramer Löbbert/ Uta Graf. Das raumfahrt-medizinische Institut des DLR in Köln-Porz, ENVIHAB, besticht durch eine flache Bauweise. Futuristisch muten die runden Bullaugen an, die wie eine flächendeckende Perforierung an die Wandläufe angepasst wurden. Weniger mit großzügigen Fensteröffnungen als mit sparsamen Lichtluken zu tun haben. Dafür wurden rechteckige Oberlichter auf dem Flachdach untergebracht, die wie Galeriefenster in Richtung Himmel scheinen und das Innere der Räume mit Helligkeit füllen. Die vier Seiten des Gebäudes sind umringt mit grünem Rasen, was zugleich Abstandsfläche andeutet. Das Gebäude hat Ähnlichkeit mit einem Raumschiff. Insgesamt waren 24 Bauten in und aus Deutschland am DAM Architekturwettbewerb beteiligt.

Architekt Johannes Talhof aus dem Münchner Büro: Hess Talhof Kusmierz, am 29. Jan. im DAM vor dem Gewinnermodell stehend und erklärend

 

Merkmal ist der grüne Anstrich des Hausvorsprungs unter dem Schulgebäude. Hier können Kinder bei Regenwetter, Schnee oder zu viel Hitze spielen, die Pausen verbringen. Sind dort immer noch geschützt vor Außenwitterung. Durch einen Lichthof im Inneren des Schulhauses dringt Licht durch die Glasswand im Parterre nach außen und sorgt für ausreichend Helligkeit unter der Überdachung. An vielen Schulen werden überdachte Vorbauten mit dem Argument abgelehnt, weil dort dunkle und unübersichtliche Ecken entstehen, die sich den Einblicken der Aufsicht entziehen.

 

Das Problem der beiden und notwendigen Fluchtwege wurde über die Außenterrassen gelöst. Die Innenflure stehen somit der freien Nutzung zur Verfügung, so daß in den Fluren auch Dinge aufbewahrt werden, die aus Sicherheitsgründen entfernt werden müssten und nicht brennbar sein dürfen. Dadurch wird Platz für Garderoben, Regale, auch aus Holz, geschaffen, welche für die Kinder auf dem Weg durch das Gebäude leichter zugänglich gemacht werden.

Zur Verbauung auch an der Außenfassade wurde imprägniertes Lärchenholz verwendet. Glastüren und -Fenster auf die Terrassen sind durch eine Doppelwand geschützt, falls Tiere oder Ungeziefer in Zukunft das Terrain erobern sollten, womit in natürlicher Umgebung immer zu rechnen ist. Die Arbeit bliebe dann an der Hausverwaltung hängen, wie sie in jedem Schulgebäude zu tun hat. In der Grundschule Arnulfpark ist diese im Wohnhaus, siehe Foto mit Johannes Talhof, am Eingang etwas abgegrenzt zur Schule in einer großzügigen 100qm Wohnung untergebracht.  

 

24 nominierte Projekte 2014/15        

 

Hess Talhof Kusmierz, München
\ Grundschule am Arnulfpark, München


AFF Architekten, Berlin
\ Stadthäuser, Baugruppe elf Freunde, Berlin


Auer Weber, München
\ Erweiterung der ESO Hauptverwaltung


augustinundfrankarchitekten, Berlin
\ Erweiterung der Zentralmensa Universität Kassel


Beer Architektur Städtebau, München
\ Gemeinschaftshaus, Selb-Plößberg


Bembé Dellinger Architekten und Stadtplaner, Greifenberg
\ Neue Ortsmitte, Wettstetten


Dratz&Dratz Architekten, Oberhausen
\ Musik Klub „Hotel Shanghai“, Essen


Ferdinand Heide Architekt, Frankfurt am Main
\ Osthafenbrücke \ Honsellbrücke, Frankfurt am Main


Florian Nagler Architekten, München
\ Kultur + Kongress Forum, Altötting


Glass Kramer Lobbert \ Uta Graff, Berlin
\ :envihab – Raumfahrtmedizinisches Institut des DlR, Köln-Porz


Projektgemeinschaft Ifau und Jesko Fezer \ Heide & von Beckerath, Berlin
\ Baugruppenprojekt R50, Berlin


kadawittfeldarchitektur, Aachen
\ Archäologische Vitrine, Aachen


Löser Lott Architekten, Berlin
\ Doppel-Haus „Duett“, Warnemünde


O&O Baukunst, Köln
\ Landesarchiv NRW, Duisburg


Ecker Architekten, Buchen\Heidelberg
\ Hangar XS, Buchen


Ritter Jockisch Architektur Innenarchitektur, München
\ Archäopark Vogelherd, Niederstotzingen-Stetten


Schneider+Schumacher, Frankfurt am Main
\ Ölhafenbrücke Raunheim


Speech, Sergei Tchoban, Sergey Kuznetsov, Moskau
\ Tchoban Foundation, Museum für Architekturzeichnung, Berlin


Staab Architekten, Berlin
\ Kunstmuseum Ahrenshoop


Stefan Forster Architekten, Frankfurt am Main
\ Gemeindezentrum und Wohnhaus, Frankfurt am Main


TKA Thomas Kröger Architekt, Berlin
\ Werkhaus Schütze, Gerswalde


Behnisch Architekten Stuttgart
\ John and Frances Angelos Law Center, Baltimore, USA


Gerber Architekten Dortmund
\ King Fahd National Library, Riad, Saudi-Arabien


Erhard An-He Kinzelbach \ Knowspace Berlin
\ Atelierhäuser, Songzhuang, China

 

 

Eine ähnlich terrassenförmige wie der Schulbau in München hat auch schon Ernst May in den 1920er Jahren entwickelt, der von Reform- und Bauhausbewegung beeinflusst war. Das Projekt am Bornheimer Hang in Frankfurt a/M weist viele Ähnlichkeiten auf, wenn die modulare Bauweise auch noch nicht ausgeprägt war, so waren die Impulse dafür bereits vorhanden. Sie sind letztlich vermutlich der baugeschichtliche Ideengeber in der aktuellen Bauweise, wenn dies auch nicht bewußt herangezogen wurde, wie Architekt Johannes Talhof einräumte. Die Verbindung zur Natur, die Terrassen mit Glastüren nach draußen waren seinerzeit ebenfalls ein Merkmal im Schul-Reformbau und sind es auch am Neubau der Grundschule am Arnulfpark.

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 06. Februar 2015