Die
ästhetische Eroberung der Natur ist ihm angedacht. Seine Bildsprache ist
einzigartig. Der Katalog zur Ausstellung im Kunstmuseum Basel beschreibt
am Anfang den Künstler und Geologen Per Kirkeby, der sich für Caspar
Wolf (1735 -1783) einsetzt. Als Maler des 18. Jahrhunderts unternahm er Bergtouren
zusammen mit geologisch, mineralogisch und naturgeschichtlich
Interessierten, die über entsprechende Kenntnisse verfügten. Am
arkadischen Scheideweg zu sein, bezeichnet ihn eine Überschrift im
vorderen Bereich des Katalogs.
Diese Umschreibung im Beitrag von Andreas Beyer ist zutreffend, denn
Caspar Wolfs massive Bergwelten sind Obsession.
Er sah sie wie niemand zuvor und verfälschte nicht, dekorierte nicht mit
barockem Pomp und überhöhte nicht durch mittelalterliche
Schäferstimmung, sondern erkannte die überwältigende Natur in den Bergen
als einzig wahres Anschauungsobjekt.
Ursprüngliche Felsformationen der rohen Natur entnommen, bilden den
Grundstock seiner Ideenvielfalt. Wie bewegliche Panoramen streifen diese
Bilder in Riesenschritten daher, als wären es Hologramme des 18.
Jahrhundert. Gletscher, deren Verlauf nach der Erderwärmung niemand
mehr zu erahnen vermag, weil diese längst nicht mehr vorhanden sind in
dieser Form. Eiswelten, ungestüm, ragen spitz empor. Bläulich
schimmernde Eisberge zusammengerafft an einer Stelle, erstarrt und links
liegen geblieben, harren bis auf weiteres.
Caspar
Wolfs Bilder haben eine surreale Komponente, weil gläserne Berge wie
erstarrtes Wasser von innen heraus scheinen. Jederzeit sind diese transparenten
Verlaufsformen in sich wieder verformbar.
Abgeschiedene Berglandschaften, die nach Einsamkeit rufen, wenn der
Maler mit seiner Dokumentation nicht die unstillbaren Gemüter und
Sehnsüchtigen auffangen würde.
Die flämische Kunst des 16. Jahrhunderts kennt die Apokalypse. Doch
zugleich bildete sich ein erweiterter Horizont mit dem Blick in die
Ferne, das unbekannte Land, das mit dem neuen Weltbild und der
Entdeckung Amerikas zusammenhing. Bei Caspar Wolf finden sich eben jene
unbekannten Welten wieder, aufbrausend, unheimlich. Bilden dann gleich
wieder nüchterne Betrachtungsebene, die jeden Wanderer in die Pflicht
rufen, um die Orientierung zu behalten. Wie überhaupt das Bild des
Wanderers durch schroffe Bergwelten später in der Romantik eine
rückwärtsgewandte philosophische Dimension erthielt. Nicht zuletzt war es
Caspar David Friedrich, der mit seinem bräunlichen Eisberg auf offener
See Kunstgeschichte schrieb. Caspar Wolf ist Stürmer und Dränger und
empfindsam zugleich. Diese Entwicklungsphase ist sehr bedeutsam in Bezug
auf kunstgeschichtliche und literaturwissenschaftliche
Weiterentwicklungen, wobei viele Protagonisten dieser Jahre gerade dem
Zürcher Kreis entstammen und somit aus der Schweiz kamen.
Beeindruckend sind nicht nur Bilder, sondern auch die Skizzen Caspar
Wolfs, die perspektivisch viel selbstsicherer wirken, weil spontan und
direkt nach der Natur gezeichnet. Diese Skizzen sind viel frischer und
wacher, während die Ölbilder meist im Atelier entstanden.
Auftragsarbeiten die anhand der Skizzen und Studien umgesetzt wurden.
Seine Zeichnungen jedoch sind Architektur der Landschaft, genannt
Alpen. Über deren Begrifflichkeit sich Caspar Wolf selbstverständlich
völlig im Klaren war und alle Nuancierungen beständig anwandte, die ihm
als strenger Naturbeobachter geläufig gewesen sind.
Auch ein gewisses technisches Verständnis kann ihm bescheinigt werden,
wenn Brückenuntersichten die ingenieurtechnische Leistung der doch so
risikobehafteten Bauwerke über Teufelsschluchten aufzeigen. Wobei die
Untersicht dazu dient, die Befestigung der Brücken am Fels zu
verdeutlichen.
Im oberen Stockwerk, die Ausstellung Caspar Wolf im Kunstmuseum Basel
läuft bis 01. 02. 2015. Im ersten Stock des Museums parallel die
Ausstellung, Zeichnungen und Druckgrafik.
Caspar Wolf
und die ästhetische Eroberung der Natur
19.10.2014 – 01.02.2015 | Kunstmuseum Basel
Kuratoren: Bodo Brinkmann und Katharina Georgi
Im
Buch blättern...
Zur
Ausstellung ist ein bilderreicher 232seitiger Katalog bei Hatje und
Cantz erschienen. Im breiten Treppenhaus oben zu den Ausstellungsräumen
des Kunstmuseum Basel wird in einzelnen Foto-Tafeln nochmals anschaulich
dargelegt, welche Orte: Schluchten, Täler und Gebirgshänge Caspar Wolf
mit seinen Gemälden dokumentiert hat und überprüft in welcher Weise
diese mit der heutigen Wirklichkeit übereinstimmen.
Diese Vergleiche sind frappierend, mit welcher
Authentizität der Maler arbeitete. Förderer und Auftraggeber seiner
Arbeiten war Verleger Wagner, der seinerzeit für sein Alpenprospekt
zahlreiche Illustrationen bei Wolf in Auftrag gab und Alpenbilder zur
neuerlichen Erbauung des Publikums unter anderem in Pariser Hotels zur
Präsentation brachte. Dennoch verstarb der Maler verarmt im Jahre 1783
in einer deutschen Stadt, in Heidelberg.
Caspar Wolf
und die ästhetische
Eroberung der Natur
Hrsg. Kunstmuseum Basel, Texte von Andreas Beyer,
Bodo Brinkmann, Viktoria von der Brüggen, Katharina Georgi, Gilles
Monney, Regula Suter-Raeber, Gestaltung von Gabriele Sabolweski
Deutsch, 1. Auflage 2014. Verlag Hatje und Cantz
232 Seiten, 182 Abb.
22,60 x 26,50 cm
gebunden
ISBN 978-3-7757-3832-3
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