Mindestens Mindestlohn! Das Wirtschaftspolitische Forum fragt nach, was dran ist am Mindestlohn und der gesellschaftlichen Forderung nach gerechter Entlohnung

Veranstaltung der Ev. Akademie Arnoldshain, am 12. 11. 2014

Ab 1. Januar 2015 soll der gesetzliche Mindestlohn zu 8,50 € eingeführt werden. Damit wird es in Deutschland, wie inzwischen in den meisten EU-Ländern, eine Lohnuntergrenze geben. Die Mindestlohnkommission aus Vertreter/ innen der Tarifpartner wird über die weitere Höhe und Entwicklung des Mindestlohns in Zukunft entscheiden Ausnahmen und Übergangsregelungen zeigen, dass die Flexibilität dieses Instrumentariums einer der Kritikpunkte ist. Dabei sind Löhne und Lohnfindung für eine demokratische Gesellschaft, die sich als soziale Marktwirtschaft versteht, von grundlegender wirtschaftlicher und politischer Bedeutung. Arbeit so zu entlohnen, dass der Lebensunterhalt davon bestritten werden kann, ist wichtig. Wird der Mindestlohn dieser Anforderung gerecht und ermöglicht er tatsächlich auch gesellschaftliche Teilhabe? Gleichzeitig stellt sich die ökonomische Frage, ob und wie sich der Mindestlohn gesamtwirtschaftlich auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken wird. Was sind Effekte auf die Preise? Und kann die Einhaltung des Mindestlohns effizient und sinnvoll kontrolliert werden? Das Wirtschaftspolitische Forum greift die Diskussion um den Mindestlohn auf und fragt nach den Möglichkeiten, Auswirkungen und Grenzen des Mindestlohns und der gesellschaftlichen Herausforderung einer gerechten Entlohnung. Eine Veranstaltung des Arbeitskreises Wirtschaft der Evangelischen Akademie Frankfurt.

 

Nach der Einführung von Gotlind Ulshöfer am Abend des 12. November in den Räumlichkeiten der Evangelischen Stadtakademie auf dem Römerberg 9, sprach als erster Redner Prof. Otto E. Kempen, Vorsitzender der AK Wirtschaft. Dieser hob in seiner Rede einige der zu erwartenden Mindestlohneigenschaften in Deutschland hervor. Er nahm dies schließlich zum Anlass, um den Mindestlohn zu hinterfragen und im Unterschied zu einem Mindestlohn in England zu betrachten. Der Mindestlohn beträgt dort schon mal 8,65 Euro.

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Sind 8,50 Euro in Deutschland nicht jetzt schon zu wenig? Und sollte der Mindestlohn nicht gleich auf 9,40 Euro gesetzt werden, das wäre doch das mindeste was zu erwarten ist in der laufenden Lohnkostendiskussion. Das ist nicht der einzige Unterschied, wie Prof. Kempen in der Anfangsrede bemerkte. Was in England funktionieren mag, ein Mindestlohn von 8,65 Euro, muss nicht unbedingt in Deutschland die gleiche Bedeutung haben. Denn hier gibt es, im Gegensatz zu England, eine Tarifautonomie, die bisher immer Grundlage für eine gerechte Lohnverteilung gewesen ist, so Kempen weiter.

 

Eine Befürchtung besteht aber gerade darin, dass nach Einführung des Mindestlohn in Deutschland diese durch jahrelange Erfahrungen gesammelte und schwer errungene Tarifökonomie in Deutschland durch den Mindestlohn durchbrochen wird und sang-und-klanglos in einem allgemeinen Lohndumping versinken wird. Grund ist, die Arbeitgeberseite wird bemüht sein sämtliche Tarifverträge zu kündigen, um dann flächendeckend auf den gesetzlich festgelegten Mindestlohn umzusteigen. Das bleibt in der Rechnung günstiger für die Arbeitgeberseite.

Weitere Teilnehmer der Gesprächsrunde waren von links nach rechts: Claus Wisser, Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender Wisag Facility Service Holding, Christoff Jung, Bereichsleiter Personal und IT, Diakonie Hessen, Gotlind Ulshöfer, Studien- und Gesprächsleiterin sowie Stefan Körzell, Mitglied des Geschäftsführenden DGB-Bundesvorstands. Ein geladener Gast der Mindestlohnkommission aus Großbritannien war der Einladung nach Frankfurt leider nicht nachgekommen. Das hätte sicher einiges an Gesprächsstoff und Aufklärung in die aktuelle Lohndebatte und an den Abend mit Publikum gebracht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kempen nannte in seiner Rede die fünf Weisen und meinte damit den Sachverständigen-Rat, der die gutachtliche Festlegung zur Bestimmung des Mindestlohns beschlossen hat. Arbeitsgerichtliche Gesetze bedeuten dabei immer Angriff auf den Markt und auf die freie Marktwirtschaft, deshalb werden derartige Regulierungen überhaupt erst auf den Weg gebracht. Der Blick auf die Nachbarstaaten soll hierbei helfen, wobei die Konjunkturentwicklung in England jener der Deutschen noch am ähnlichsten ist. In England wurde der Mindestlohn erst in den 1990er Jahren eingeführt. Die meisten anderen Nachbarstaaten hatten den Mindestlohn schon weit vorher gehabt. Stefan Körzell ist zukünftig Mitglied der Mindestlohnkommission auf Arbeitnehmerseite in Deutschland. Die Evaluation des Arbeitsmarktes ist ein permanenter Vorgang, wie man sieht. 3,7 Mio. Arbeitnehmer sollen demnach vom Mindestlohn profitieren nach jetziger Planung. Doch erst 2017 folgen die ersten Lohnanpassungen, wie Kempen einräumte.

 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 23. November 2014