Held ohne Namen - Alfons Paquet, unterschätzter und vergessener Reiseschriftsteller der Weimarer Zeit - ein Nachlass steht zum Verkauf

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Ein prägnanter Schreibstil kann dem Reiseschriftsteller und Pazifisten Alfons Paquet (1881 - 1944) ohne Mühe attestiert werden. Das Vergessen der Literatur scheint absolut unbegründet. Vielmehr ist die Aufarbeitung eines Werkes gefordert das seinesgleichen sucht. Diese Werke gehören längst der Zeitgeschichte an. Aufsätze und Romane bezeichnen eine innere Strömung, die ebenso politisch wie gesellschaftlich aufklärerisch ist.

 

Nicht einfach ein Relikt der Vergangenheit ist das, sondern darin spiegelt sich etwas vom Licht, das von dieser Epoche vor, während und nach der Weimarer Zeit ausging. Ein verhaltener Sonnenschein ist spürbar, weil Paquets Werk aus deutscher Sicht zu definieren ist. Es gibt die Exilliteratur, doch dazu zählt Paquet nicht unbedingt, denn er war kein Exilant. Wenn sich für den Weltmensch und Weltreisenden Alfons Paquet der Globus in einer Zeit des Aufbruchs dreht, dann deshalb weil er auf so vielen Reisen war. Wer konnte das schon von sich behaupten, nachdem Eisenbahn und Flugzeug gerade erst erfunden waren. Gesellschaftliche Veränderungen brachten einiges an Missgunst mit sich, die Paquet überlebt hat, weil er sich zurecht zu finden wusste und nicht daran zerbrach. Die innere Stimme half, die wusste, wie er sich verhalten musste, um nicht als Opfer im Kreuzfeuer der politischen Auseinandersetzung zu enden.

 

Alfons Paquet kehrte im Frühjahr 1933 der Akademie freiwillig den Rücken und begab sich auf Reisen wie zuvor. Er zählte zu einer der ersten Europäer, die schon 1903 mit der Eisenbahn durch Sibirien reisten. Der in Wiesbaden geborene Paquet nahm am politischen Wirken der Weimarer Republik aufmerksam teil. Darin offenbarten sich seine Hoffnungen, er wollte sogar Kulturminister werden. Schnell lernte er zeitbedingt die Kehrseite kennen, wobei er auch einmal in Gestapohaft geriet. Am Schluss seines Lebens sah er voller Resignation das zerstörte Frankfurt am Main, bevor er 1944 in seiner Heimatstadt starb.

 

Die Prägnanz seiner Schreibweise drückt sich in vielen Aufsätzen und Essays aus. Er verfasste mehrere Bücher über den Rhein, ein Thema, das periodisch bei ihm immer wiederkehrte. Ein Buch über die Hamburger Gaswerke verdeutlicht seine sachliche Umgangsform. Über dem liegt vor allem das Interesse die Welt zu erforschen und sie zu ergründen auch in seiner ethischen Dimension. Zugleich ist Paquet, der einer französischen Baptistenfamilie entstammt, ein sensibler Berichterstatter, der sich gewissenhaft deutscher Themen annimmt. "Der Kaisergedanke" heißt ein Buch.  Auch die Stadt Frankfurt als Ort der Begegnung kehrt in seinen Erzählungen wieder. „Amerika unter dem Regenbogen" ist aus dem Jahre 1938. Es folgen Romane, Erzählungen und Gedichte, die zur verschollenen Literatur zählen..

 

Im Oktober 2014 auf der Frankfurter Buchmesse trat das Antiquariat von Thomas Hatry aus Heidelberg auf die Bühne, um im Namen der Nachfahren von Alfons Paquets den gesamten Nachlass zu verkaufen. Darunter sind Originalmanuskripte ebenso Originalfotografien. Aus Anlass dieser Auflösung hat Antiquar Hatry einen umfangreichen Verkaufskatalog mit Preisangaben zu den einzelnen Objekten herausgegeben. Bestückt mit zahlreichen farbigen Abbildungen und eingehenden Beschreibungen der zum Verkauf stehenden Objekte. Dazu zählen viele Bücher aus der Bibliothek Paquets ebenso wie eigene Werke des Schriftstellers. Die Briefe und Schreiben sind chronologisch gegliedert, was in mancher Hinsicht schon der wissenschaftlichen Akribie angehört, mit der gearbeitet wurde. Fehlen nur noch die Interessenten für das Material, die käuflich erwerben.

 

Der Katalog von Thomas Hatry ist unterteilt in verschiedene Kapitel. Wenn es nicht ein Verkaufskatalog wäre, dann liest sich der Band wie ein Ausstellungskatalog, der viele Überraschungen auf Lager hat. "Held ohne Namen", so die Bezeichnung zählt auf: Bücher, Zeitungen, Bibliothek, Briefe, Fotos, Skripte, Reisen, Theater, Romane, Essays, Gedichte und Artikel.

Ich dachte zuerst, nachdem mir die Bedeutung und der Umfang des Nachlasses eines Schriftstellers deutlich geworden ist, warum war die Frankfurter Universität nicht bereit auch diesen Teil des Nachlasses käuflich zu erwerben? Nur deshalb wird jetzt verkauft, weil nicht erworben wurde. Die umfangreichen Tagebücher und Aufzeichnungen Paquets dagegen, die sich über einen Zeitraum von über vierzig Lebensjahren erstrecken, sind im Besitz der Frankfurter Universität und sicher verwahrt zur wissenschaftlichen Aufarbeitung. Vielleicht findet sich das eine oder andere Werk, das zeitgemäß ist, um auf dem Buchmarkt der Gegenwart neu zu erscheinen. Bleibt zu hoffen, dass Antiquar Hatry sich seiner Verantwortung bewusst ist und wenigstens notiert hat, was und an wen verkauft wird und verkauft wurde. Damit für zukünftige Forschungszwecke wieder auf dasselbige unersetzliche Material zurückgegriffen werden kann. Von manchen der Gegenstände sind zumindest Fotos und Kopien angefertigt worden, wie aus den Abbildungen im Verkaufskatalog hervorgeht.

 

Ín der Verkaufsbibliothek finden sich außerdem viele Bücher, die auf dem antiquarischen Markt selten zu finden sein dürften. Wie etwa das von Elisabeth Boedeker, 25 Jahre Frauenstudium in Deutschland, aus dem Jahre 1935 oder Werke von Heinrich Mann, Sören Kierkegaard und vielen anderen.

Wissenschaftliches und bibliophiles Antiquariat, die Website befindet sich im Aufbau: www.antiquariat-hatry.de  E-Mail: info@antiquariat-hatry.de

Geschäftsadresse mit Antiquariat von Thomas Hatry in 69117 Heidelberg, Hauptstraße 119.

 

 

 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 15. Oktober 2014