Meldung: MKG, in Hamburg, den 30. 09. 2014 |
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Tiere
sind Sympathieträger – kein Wunder, dass man ihnen oft auf Plakaten
begegnet. Aber Nashörner? Mit den 80 Tierplakaten dieser Ausstellung hat
es Besonderes auf sich. Sie stammen von zwei bedeutenden Grafikdesignern
und Plakatkünstlern unserer Zeit, von dem Japaner Kazumasa Nagai und dem
Schweizer Claude Kuhn.
Kazumasa Nagai
(*1929) gehört seit Jahrzehnten zu den führenden Designern seines
Landes. 1987 beginnt er, ohne Auftrag und im Eigenverlag, kleine Serien
mit Tierbildern zu veröffentlichen, deren kurzer Text auf die Bedrohung
der Tierwelt hinweist. Die Arbeiten haben das stattliche japanische
Plakatformat von 106 x 73 cm und erscheinen als Siebdruck in begrenzter
Auflage. Sie waren nie zum Plakatieren gedacht, sondern zum Ausstellen
und Sammeln. Einen ganz anderen Hintergrund haben die Werke von Claude
Kuhn (*1948). Seine Plakate sind nicht minder sorgfältig ausgeführt –
ebenfalls als Siebdruck – doch werden sie tatsächlich plakatiert. Als
langjähriger Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums in Bern entwirft
er Ausstellungsplakate und wirbt für die Veranstaltungen des Berner
Zoos. Die konkrete Auftragslage hindert den Designer nicht, immer wieder
mit Humor und unkonventionellen Motiven zu überraschen. Anlass der
Ausstellung ist die großzügige Schenkung der gezeigten Plakate von
Claude Kuhn und Kazumasa Nagai.
1515 bringen
portugiesische Seefahrer seit der Antike das erste Nashorn nach Europa.
Albrecht Dürer (1471-1528), der es selbst nie zu sehen bekam,
veröffentlicht 1515 die Zeichnung eines unbekannten Kollegen als
Holzschnitt. Ihn faszinieren die Wucht und Urgewalt des gewaltigen
Tieres, besonders hebt er die Musterung des Panzers hervor. Seither ist
das Nashorn ein Thema in der Kunst. Als in der Mitte des 18.
Jahrhunderts erneut ein Nashorn – diesmal in Venedig – zur Schau
gestellt wird, wählt es der Maler Pietro Longhi (1702-1785) zum Motiv
eines seiner bekanntesten Gemälde. Heute sind Nashörner vom Aussterben
bedroht – aber jeder weiß, wie sie aussehen. Kazumasa Nagai geht es bei
seinen Darstellungen nicht mehr um die äußere Gestalt. Er konzentriert
sich auf wenige wesentliche Merkmale, die er immer wieder neu
interpretiert. Mit scheinbar kindlicher Zeichnung oder großen Augen
weckt er Mitgefühl mit der bedrohten Tierwelt – und das auf höchstem
ästhetischem Niveau.
Plakate in der Schweiz
Plakate haben in der
Schweiz eine besondere Tradition. Seitdem 1914 das einheitliche
„Weltformat“ (128 x 90,5 cm) eingeführt wird und für alle Genres des
Plakates bis heute gilt, entwickelt sich hier eine sehr eigenständige
Plakatlandschaft. Im übrigen Europa gibt es eine Vielfalt von
unterschiedlichen Plakatgrößen, vom Billboard und der Großfläche über
die Ganzsäule bis zum City Light Poster. Plakate für bekannte
internationale Marken dominieren das Geschehen allein schon durch ihre
schiere Größe. Kulturelle Plakate dagegen, obwohl sie oft viel
interessanter gestaltet sind, fallen mit ihrem kleinen Format meist
weniger auf. In Deutschland wird beispielsweise häufig das Din-A1-Format
(84 x 59 cm) verwendet. In der Schweiz begegnen sich durch das
vereinheitlichende Weltformat kulturelle Themen und kommerzielle
Pressetext: Die schönsten Nashörner kommen aus Tokio. Werbung auf
Augenhöhe. Entsprechend wichtig ist für Theater oder Museen daher ihr
Plakatauftritt, für den sie die besten Designer beauftragen. Claude
Kuhns Plakate für das Naturhistorische Museum in Bern, seine Arbeiten
für den Tierpark oder für Sportveranstaltungen sind ein beispielhafter
Beleg dieser Politik.
Plakate in Japan
Plakatwerbung in
Japan ist schrill, bunt, laut und in der Regel groß wie Hauswände oder
Schaufenster. Plakate wie die in der Ausstellung gezeigten haben keinen
Platz im öffentlichen Raum. Designern und ihren Verbänden ist es zu
verdanken, dass in Japan dennoch eine rege Plakatszene auf höchstem
Niveau entsteht. Schon in den 1950er Jahren wählt man das sogenannte
B1-Format (102 x 73,5 cm). 1978 wird die JAGDA gegründet (Japan Graphic
Designers Association). Sie veranstaltet Ausstellungen und Wettbewerbe
und gibt seit 1986 mitunter auch selbst Plakate in Auftrag. Der
Umweltund Artenschutz wird zum zentralen Thema der jährlichen
JAGDA-Ausstellungen. Kurze englische Worte wie „I‘m here“ oder schlicht
„Life“ werden als Motto ausgegeben und finden sich entsprechend als Text
auf den eingesandten Plakaten. In diesem Kontext entstehen viele der
Plakatserien von Kazumasa Nagai. Neben den Plakaten für Ausstellungen
spielen „Imageposter“ für große Konzerne eine wichtige Rolle. Die
bedeutendsten Designer des Landes erhalten die begehrten Aufträge und
liefern oft erstaunlich freie Entwürfe ab. Sie werden ebenfalls in
Ausstellungen gezeigt oder hängen in den Chefetagen der Konzerne. In
diesem Bereich war Nagai ebenfalls erfolgreich tätig.
Claude Kuhn
Der Berner Künstler
und Designer Claude Kuhn (*1948) lernt zunächst Dekorations- und
Schaufenstergestaltung, bevor er sich zum Grafiker ausbilden lässt. Ab
1972 übernimmt er Aufträge vom Naturhistorischen Museum Bern, bleibt
aber weiterhin als freier Künstler tätig. Für dieses Museum, dessen
fester Mitarbeiter er kurze Zeit später wird, entstehen im Laufe von
vier Jahrzehnten zahlreiche Plakate und Einladungskarten. Darüber hinaus
arbeitet er als Ausstellungsgestalter an der visuellen Umsetzung vieler
Themen des Museums. Seit den 1980er Jahren erhält Kuhn auf nationalen
und internationalen Plakat-Wettbewerben zahlreiche Auszeichnungen. Seine
Plakate, mit denen er unter anderem auch für den Berner Tierpark
Dählhölzli, sowie für Box- und Fechtveranstaltungen wirbt, sind seit
über zwanzig Jahren aus dem Berner Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Sie
sind, so der Potsdamer Designer Lex Drewinski (*1951), „ein seltenes
Beispiel von visueller Therapie, durch die unser mentaler Zustand
verbessert wird“.
Kazumasa Nagai
Kazumasa Nagai
gehört zu den erfolgreichsten und produktivsten Plakatkünstlern Japans.
Geboren 1929 in Osaka, schließt er 1951 in Tokio ein Studium an der
Kunstakademie als Bildhauer ab. Er geht als Grafiker in die Werbung und
beginnt in den späten 1950er Jahren Plakate zu entwerfen. 1960 ist er
Gründungsmitglied des Nippon Design Center, einem nationalen Verband zur
Förderung des japanischen Designs. 1966 erhält er auf der Plakatbiennale
in Warschau die Goldmedaille für Produktwerbung, die renommierteste
Auszeichnung für einen Plakatkünstler überhaupt. In diesen Jahren
beginnt er, mit geometrischen Flächen in klaren Farben zu
experimentieren, die seinen Plakaten einen futuristischen Anstrich
verleihen. Die Darstellung des Produkts tritt in den Hintergrund. 1988
erscheint die erste Plakatserie mit Tierdarstellungen, die auf Anhieb
ein internationaler Erfolg wird. In den nächsten zwanzig Jahren
veröffentlicht Nagai in jährlichen, mitunter sogar halbjährlichen
Abständen kleine Plakatserien mit Tierdarstellungen.
Der
Siebdruck
Der Siebdruck ist
ein „Durchdruckverfahren“: Die Druckfarbe wird durch ein feines Sieb
mithilfe eines Rakels auf das Papier gepresst. Das Sieb wird zuvor
präpariert so dass es nur dort Farbe durchlässt, wo sie auch erwünscht
ist: Wo die Maschen abgedichtet wurden, gelangt keine Farbe aufs Papier.
Die Vorbereitung des Siebes kann von Hand oder auch fotomechanisch
geschehen. Diese Drucktechnik entsteht ursprünglich als Hilfsmittel zur
Beschriftung von Kisten oder Kartons im Transportgeschäft. Erst in den
1950er Jahren wird die Technik soweit verfeinert, dass sie sich als
künstlerische Drucktechnik eignet. Mit der Pop Art findet der Siebdruck
nach 1960 große Verbreitung, nicht zuletzt weil er besonders leuchtende
Farben ermöglicht. Für das Plakat spielt der Siebdruck ebenfalls eine
wichtige Rolle – auch wenn er bei größeren Auflagen deutlich teurer als
der Offsetdruck ausfällt. Die renommierte Plakatdruckerei Albin Uldry
bei Bern verwendet ausschließlich den Siebdruck. Hier entstehen die
Plakate von Claude Kuhn.
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