Meldung, EKD,
in Hannover, den 14. 09. 2014 |
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Statement
des EKD-Ratsvorsitzenden Schneider, anlässlich der Kundgebung am 14.
September 2014, in Berlin am Brandenburger Tor
Antisemitismus ist „Sünde
gegen den Heiligen Geist“, mit diesem Wort des Schweizer Theologen Karl
Barth hat der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in
Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, bei der Kundgebung „Steh auf! Nie
wieder Judenhass“ in Berlin ein deutliches Signal gegen Rassismus
gesetzt.
Hauptrednerin der Veranstaltung war Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Bundespräsident Joachim Gauck nahm als Ehrengast teil.
In seiner Rede am
Brandenburger Tor warnte Nikolaus Schneider vor offener und latenter
Judenfeindschaft: „Wir wollen uns mit 20 Prozent latentem Antisemitismus
in unserer Gesellschaft nicht abfinden.“ Nach wie vor müssten jüdische
Einrichtungen rund um die Uhr von der Polizei geschützt werden. „Das
erfüllt mich immer wieder neu mit Scham“, so Schneider. Die
unverbrüchliche Solidarität mit den Geschwistern jüdischen Glaubens und
ein klares Einstehen für das Existenzrecht des Staates Israel seien kein
Hindernis, wo nötig auch Kritik an konkreten politischen Entscheidungen
und Entwicklungen des Staates Israel zu äußern. Wer jedoch in
Deutschland eine Synagoge anzünde, kritisiere dadurch nicht die Politik
der israelischen Regierung. „Vielmehr lieferte der Gaza-Krieg offenbar
einigen einen willkommenen Anlass, ihren Antisemitismus öffentlich
auszuleben.“
Der Ratsvorsitzende
erinnerte auch an die historische Verantwortung der Kirche: „Unsere
Kirche muss immer neu erkennen und aufarbeiten, dass sie zur
Judenfeindschaft beigetragen hat.“ Antijudaismus sei seit nahezu 2000
Jahren aus christlicher Theologie und kirchlicher Lehre heraus
erwachsen. „Das hat den Antisemitismus begünstigt“, bekannte Schneider.
Heute sehe die EKD das
jüdische Leben in Deutschland als Freude und Bereicherung: „Es erfüllt
uns mit tiefer Dankbarkeit, dass dies nach der Shoa wieder Realität in
Deutschland wurde! Deshalb wird jegliche Form des Judenhasses in unserem
Land unseren Widerspruch und Widerstand erfahren.“
An der
Solidaritätsbekundung, zu der der Zentralrat der Juden aufgerufen hatte,
nahmen neben dem Ratsvorsitzenden und der Synodenpräses Dr. Irmgard
Schwaetzer auch zahlreiche weitere hochrangige Vertreter der
evangelischen Kirchen teil.
Statement „Steh auf! Nie wieder
Judenhass!" am 14. September 2014, in Berlin
Sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrte Frau
Bundeskanzlerin, lieber Herr Graumann, lieber Bruder Marx, meine sehr
verehrten Damen und Herren,
in den letzten Wochen haben wir die schlimmsten antisemitischen
Slogans auf deutschen Straßen seit der Nazizeit gehört.1
In Berlin, in Dortmund, in Frankfurt und in anderen Städten wurden in
den vergangenen Wochen antisemitische Parolen gebrüllt. In Wuppertal
wurde ein Brandanschlag auf die Synagoge verübt. Jüdinnen und Juden, und
auch Demonstranten mit Israel-Fahnen wurden tätlich angegriffen.
Das ist nicht durch eine Empörung über den eskalierten Konflikt in
Gaza und Israel zu erklären. Wer in Deutschland eine Synagoge anzündet,
der kritisiert dadurch nicht die Politik der israelischen Regierung.
Vielmehr lieferte der Gaza-Krieg offenbar einigen einen willkommenen
Anlass, ihren Antisemitismus öffentlich auszuleben.
Die muslimischen Verbände in unserem Land haben sich in dankenswerter
Klarheit von jeder Form des Antisemitismus distanziert. Dennoch haben es
sich viele leicht gemacht und die Eskalationen zunächst nur auf unsere
muslimischen Mitbürger geschoben. Dagegen warnt Jesus: „Was siehst du
aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den
Balken in deinem Auge?" (Mt. 7,3)
Der Antisemitismus war in unserem Land selbst nach den
Nazi-Verbrechen niemals vollständig überwunden. Jüdische Einrichtungen
müssen seit jeher rund um die Uhr von der Polizei geschützt werden - was
mich immer wieder neu mit Scham erfüllt.
Die "Beschneidungsdebatte" hat uns in den letzten beiden Jahren noch
einmal sehr deutlich vor Augen geführt, dass es beim Thema
Antisemitismus beileibe nicht nur um den Nahen Osten geht. Muslime und Juden standen gemeinsam am Pranger.
Antisemitische und islamophobe Vorurteile brachen sich gemeinsam Raum,
mitten aus unserer Gesellschaft heraus.
Dagegen stehen wir auf! Wir wollen uns mit 20% latentem
Antisemitismus in unserer Gesellschaft nicht abfinden. Auch unsere
Kirche muss immer neu erkennen und aufarbeiten, dass sie zur
Judenfeindschaft beigetragen hat. Antijudaismus ist seit nahezu 2000
Jahren auch und gerade aus christlicher Theologie und kirchlicher Lehre
heraus erwachsen. Das hat den Antisemitismus begünstigt. Es hat viel zu
lange gedauert, bis wir als Kirchen erkannt haben: Antisemitismus ist
wie jede Form des Rassismus menschenverachtend. Antisemitismus ist
"Sünde gegen den Heiligen Geist". 2
Antisemitismus ist
Gotteslästerung.
Lassen Sie mich vor allem zwei Bereiche benennen, in denen wir heute
als Kirchen im Kampf gegen Judenhass besonders gefordert sind:
1. Die Regierungspolitik Israels kann ebenso kritisiert werden, wie
die Politik jedes anderen Landes. Auch ich habe immer wieder betont,
dass ich die Siedlungspolitik für rechtswidrig und für falsch halte. Ich
teile auch das Erschrecken über die hohe Zahl der Opfer im Gaza-Krieg.
Die Dämonisierung des jüdischen Staates und die Delegitimierung Israels
sind jedoch etwas ganz anderes. Antisemitische Vorurteile und die
Infragestellung des Existenzrechts Israels dürfen sich nicht als
Friedensethik ausgeben!
2. Wenn Christen Juden vorschreiben wollen, wie sie sich als Juden zu
verstehen haben und was sie in ihrer jüdischen Tradition zu tun oder zu
lassen haben, dann ist auch das eine Form des Antijudaismus. In der
"Beschneidungsdebatte" wurde unter dem Deckmantel eines humanitären
Anliegens die Möglichkeit jüdischen Lebens in unserem Land in Frage
gestellt. Das war für mich zutiefst schockierend. Und ich bin froh über
den Weg, den der Deutsche Bundestag in dieser Frage gefunden hat.
"Wir tragen unser Judentum nicht als Last, sondern mit unbeugsamem
Stolz!" 3
Diesen Satz haben Sie, lieber Herr
Graumann, unlängst gesagt. Sie haben dabei deutlich gemacht, dass Sie
sich als jüdische Gemeinden in Deutschland von den antisemitischen
Anfeindungen nicht unterkriegen lassen.
Wir, Ihre nicht-jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in diesem
Land, hören das mit großer Erleichterung und mit Freude. Und wir sind
heute hier, um Ihnen zuzurufen: Auch wir stehen unbeugsam für jüdisches
Leben in Deutschland ein! Auch wir sehen in jüdischem Leben in unserer
Nachbarschaft keine Last, sondern eine Bereicherung. Es erfüllt uns mit
tiefer Dankbarkeit, dass dies nach der Shoa wieder Realität in
Deutschland wurde! Deshalb wird jegliche Form des Judenhasses in unserem
Land unseren Widerspruch und Widerstand erfahren.
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