bis 27. Juli 2014 im Saalhofgebäude

Geburtsaristokratie in Frankfurt a/M. Historisches Museum widmet den Holzhausens eigene Ausstellung

Meldung: Historisches Museum Frankfurt, den 10. 04..2014

Foto: © Kulturexpress

Auf dem Foto v.l.n.r.: Jan Gerchow, Direktor im Historischen Museum Frankfurt, Bernolph Freiherr von Gemmingen-Guttenberg, der Dokumentarfilmer Johannes Holzhausen und Kurator und Buchautor Andreas Hansert

Keine andere Familie nahm auf die Entwicklung der Stadt Frankfurt so viel Einfluss wie die Holzhausen. Von 1243, als Heinrich von Holzhausen aus dem Taunus in die wachsende Stadt zog, bis 1923, als Adolph Freiherr von Holzhausen ohne Nachkommen verstarb.

 

In allen Jahrhunderten gestalteten Angehörige der Familie die gesellschaftliche und politische Entwicklung der Stadt. Sie förderten die Künste und soziales Engagement. Ihre Biografien und die Kunstwerke in der Ausstellung geben davon ein Zeugnis. Dabei erwies sich die Familie der Holzhausens als früher Reformator, die den protestantischen Glauben durch Martin Luther nach Frankfurt am Main brachten.

 

Die verwandtschaftlichen Beziehungen der auf dem Foto abgebildeten liegen zwischen dem Freiherrn aus der Region um Frankfurt und dem Österreicher Johannes Holzhausen. In Österreich hatten sich Anfang des 20. Jahrhunderts einige Familienmitglieder niedergelassen, woraufhin eine Diskussion über die rechtmäßige Nachkommenschaft der Familie Holzhausen entbrannte, weil die Frankfurter Linie ab 1923 als ausgestorben gilt.

 

Im hinteren Teil der Ausstellungsräumlichkeiten im Saalhofbau befindet sich eine Leinwand und Sitzgelegenheiten. Dort wird ein Dokumentarfilm über die Familientradition und den Stammbaum der Familie Holzhausen in Österreich gezeigt, den Johannes Holzhausen produziert hat. Gemälde, Stammbäume und andere Gegenstände zeigen in familiärer Umgebung einige Zusammenhänge zu den Holzhausens von damals und deren Lebensart in der Gegenwart. Das geschieht durch Interviews, die immer wieder, manchmal spontan, in den Filmablauf eingestreut sind.

 

Von 1255, als Heinrich von Holzhausen zum Schöffen gewählt wurde, bis 1806 waren 68 Bürgermeister Angehörige der Familie Holzhausen – mehr als von jeder anderen Familie. Eine solche Machtfülle war das Ergebnis kluger Zusammenarbeit mit anderen Familien der tonangebenden Gesellschaftsschicht. Diese Bündnisse wurden bevorzugt durch Hochzeiten geschlossen oder gefestigt. Durch eine geschickte Heiratspolitik steigerten die Holzhausen ihre politische und gesellschaftliche Bedeutung. 


Der gesellschaftliche Einfluss der Familie Holzhausen zeigt sich vor allem auch in der Förderung kirchlicher Einrichtungen und sakraler Kunst. Das Reliquienkreuz, das Siegfried von Marburg zum Paradies um 1370 der Liebfrauenkirche gestiftet hat, erinnert an die Epoche, als Frankfurts Selbständigkeit vollendet wurde. Im Lauf der Jahrhunderte konnten die Holzhausen immer wieder durch die Besetzung entscheidender Positionen mit Familienangehörigen politischen Einfluss ausüben.


Im frühen 16. Jahrhundert führten Humanismus und Reformation auch in Frankfurt zum einem tiefgreifenden Umbruch. Die Holzhausen hatten großen Anteil daran: Hamman von Holzhausen war 1520 einer der Gründer der Frankfurter Lateinschule – dem Vorgänger der heutigen Gymnasien in Frankfurt – und verhalf dem Protestantismus und der Lehre Luthers in der Reichsstadt zum Durchbruch. Hammans Sohn Justinian von Holzhausen repräsentierte überaus selbstbewusst die Stärke des Frankfurter Patriziats. Er ließ sich von Conrad Faber von Creuznach mit den Symbolen des Reichtums portraitieren. Durch die Aufträge der Holzhausen wurde er zu einem der bedeutendsten deutschen Renaissancemaler.

 

Besondere Erwähnung sollte jedoch das Holzhausenschlösschen im gleichnamigen Park in Frankfurt gewinnen, das nach mehreren Umbauten schon während der Barockzeit viele Jahre Wohnsitz der Familie war. In der Ausstellung werden die baulichen Veränderungen über die Jahrhunderte hinweg anhand des historischen Materials, wie Gemälde und Pläne aufgezeigt. Wobei die bauliche Veränderung von einer festungsartigen Burg mit Wassergraben zu einem herrschaftlichen Barockschlösschen schon einer Verwandlung gleicht. Frankfurt a/M ist nie Residenzstadt gewesen, wie das vielleicht München, Düsseldorf oder Würzburg waren, was mit entsprechend herrschaftlichen Residenzen im Stadtbild und womöglich mit symmetrischem Stadtplan an den Herrschaftshäusern orientiert, verbunden ist. Solche Gebäude fehlen in Frankfurt a/M komplett, nicht etwa weil diese abbruchreif waren, sondern weil solche nicht vorhanden gewesen sind. Die Stadt war über Jahrhunderte hinweg 'Freie Stadt', was in etwa dem Status der norddeutschen Hansestädte ähnelt. Erst die preußische Regierung im 19. Jahrhundert nahm der Stadt den Status, um sie flächenmäßig einzugliedern. Seither gehört Frankfurt am Main zu Hessen. Somit ist das Holzhausenschlösschen einer der wenigen Relikte feudaler Baukunst in Frankfurt a/M. Sonst ist das historische Stadtbild vor allem durch Stadtvillen des reichen Bürgertums und der frühen Industrialisierung und Technisierung geprägt.

 

   

Das Wasserschlösschen vor dem Umbau auf einem historischen Gemälde (Ausschnitt)

 

Pläne des Schlösschens nach dem Umbau im 18. Jahrhundert, so wie Aussehen und Fassade bis jetzt erhalten sind

 

 

Bekannt sind auch die beiden Varianten des Holzhausenschlösschens, welche Hans Thoma während seines mehrjährigen Aufenthaltes in Stadt und Taunusregion davon malte. Eines der Gemälde aus dem Städel Museum ist Bestandteil der Holzhausen-Ausstellung.


Das Wasserschlösschen − das spätere Holzhausenschlösschen – stieg unter Justinian zu einem Museumshof auf. Unter Johann Hieronymus von Holzhausen wurde das Schlösschen im 18. Jahrhundert zu einem Barockensemble umgebaut und hat sich in dieser Form bis heute erhalten. Während die Bedeutung der Familie in der Stadtpolitik abnahm, erwarben die Holzhausen weitere Landgüter und stiegen so zu feudalen Großgrundbesitzern auf.


Ihr letzter Vertreter – Adolph Freiherr von Holzhausen – vermachte sein Erbe der Stadt Frankfurt und ihren Bürgern. Der weitläufige Grundbesitz um das Holzhausenschlösschen herum wurde angesichts der Expansion der Stadt äußerst begehrt für teures Geld verkauft. So entstand eines der nobelsten Quartiere in der Stadt, das Holzhausenviertel. Mittlerweile befindet sich das Schlösschen wieder in einer Umbau- und Modernisierungsphase, nachdem in den letzten Jahren dort immer wieder Einbrecher am Werk waren und versuchten das Haus auszuräumen.

 

 

 

 

 

Gewölbeschlussstein der Familie Marburg zum Paradies

 

Andreas Hanserts Buch zum Thema, „Geburtsaristokratie in Frankfurt am Main. Geschichte des reichsstädtischen Patriziats“, ist zur Ausstellungseröffnung am 9. April 2014 im Böhlau-Verlag, Wien erschienen.

 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 11. Juni 2014